Behandelter Abschnitt Dan 6,15-16
Verse 15–19 | In die Löwengrube geworfen
15 Da wurde der König, als er die Sache hörte, sehr betrübt, und er sann darauf, Daniel zu retten; und bis zum Untergang der Sonne bemühte er sich, ihn zu befreien. 16 Da liefen jene Männer eilig zum König und sprachen zum König: Wisse, o König, dass die Meder und Perser ein Gesetz haben, dass kein Verbot und keine Verordnung, die der König aufgestellt hat, abgeändert werden darf. 17 Dann befahl der König, und man brachte Daniel und warf ihn in die Löwengrube. Der König hob an und sprach zu Daniel: Dein Gott, dem du ohne Unterlass dienst, er möge dich retten! 18 Und ein Stein wurde gebracht und auf die Öffnung der Grube gelegt; und der König versiegelte ihn mit seinem Siegelring und mit dem Siegelring seiner Gewaltigen, damit in Bezug auf Daniel nichts verändert würde. 19 Dann ging der König in seinen Palast, und er übernachtete fastend und ließ keine Nebenfrauen zu sich hereinführen; und sein Schlaf floh von ihm.
Als Darius durchschaut, dass er in eine Falle getappt ist, macht er sich Vorwürfe. Er zerbricht sich den Kopf darüber, wie er Daniel retten könnte. Irgend etwas muss er finden, was ihn von seinen eigenen Gesetzen entbindet. Aber diese Aufgabe ist für ihn unlösbar. Je länger er nachdenkt, umso klarer wird es ihm, wie sehr er ein Sklave seiner eigenen Gesetze ist. Das macht diesen großen Mann zugleich auch extrem schwach. Nebukadnezar hatte keine solchen Gesetze.
Die Männer, die hier abschätzig „jene Männer“ genannt werden, haben nicht nur ein Auge auf Daniel, sondern auch auf Darius. Sie kennen seine Liebe zu Daniel. Sie bemerken, wie sehr der König nach Wegen sucht, Daniel vor den Löwen zu retten. Aber das wird nicht passieren. Heuchlerisch erinnern sie ihn daran, dass an einem Gesetz der Meder und Perser nichts abgeändert werden darf. Nun kann Darius nichts anderes tun, als Daniel in die Löwengrube zu werfen. Bevor er ihn hineinwerfen lässt, drückt er sein Vertrauen aus, dass der Gott, den Daniel ständig oder beharrlich ehrt, ihn erlösen möge. Gleichzeitig bestätigt Darius, dass Daniel nichts getan hat, was die Löwengrube verdient hätte. Damit rechtfertigt er Daniel vor seinen Anklägern.
Nachdem Daniel in die Grube geworfen ist, wird ein Stein daraufgelegt und mit dem Siegelring des Königs und dem Siegelring seiner Gewaltigen versiegelt. Damit ist Daniels Schicksal in verschiedener Hinsicht besiegelt und steht unwiderruflich fest. Die Befreiung von außen ist unmöglich, und drinnen wartet der Tod mit all seinem Schrecken. Nach dieser Aktion geht der König in seinen Palast. Der Mann, der festgelegt hat, dass er dreißig Tage lang wie ein Gott funktionieren muss, hat keine Ruhe – nicht, wegen so vieler Bitten von Menschen, sondern weil sein Gewissen ihn plagt. Er will keine Ablenkung und kann nicht schlafen. So verbringt er diese Nacht.
Zwischen Darius und Pilatus lässt sich eine Parallele ziehen. So wie Darius von seinen Statthaltern und Gewaltigen manipuliert wird, um Daniel zu töten, manipulieren die Juden Pilatus, um den Herrn Jesus zu verurteilen und zu töten (Joh 19,12-16). So wie Darius den Stein auf der Grube versiegelt, die gleichsam Daniels Grab ist, sichert und versiegelt Pilatus das Grab des Herrn Jesus (Mt 27,65.66). Dass Pilatus seine Hände in Unschuld wäscht (Mt 27,24), wäscht seine Sünde nicht weg. Von Pilatus lesen wir nicht, dass er eine schlaflose Nacht hat, wohl aber seine Frau. Darius findet in dieser Nacht keine Ruhe, so wie die Frau von Pilatus (Mt 27,19).