Behandelter Abschnitt Hes 16,44-52
Verse 44–52 | Jerusalem im Vergleich zu ihren „Schwestern“
44 Siehe, jeder Spruchredner wird über dich das Sprichwort reden und sprechen: Wie die Mutter, so ihre Tochter. 45 Du bist die Tochter deiner Mutter, die ihren Mann und ihre Kinder verschmähte; und du bist die Schwester deiner Schwestern, die ihre Männer und ihre Kinder verschmähten. Eure Mutter war eine Hethiterin und euer Vater ein Amoriter. 46 Und deine größere Schwester ist Samaria mit ihren Töchtern, die an deiner linken [Seite] wohnt; und deine Schwester, die kleiner ist als du [und] die an deiner rechten [Seite] wohnt, ist Sodom mit ihren Töchtern. 47 Aber nicht auf ihren Wegen bist du gewandelt und hast nicht nur ein wenig nach ihren Gräueln getan; denn du hast mehr Böses getan als sie auf allen deinen Wegen. 48 [So wahr] ich lebe, spricht der Herr, HERR: Sodom, deine Schwester, sie und ihre Töchter haben nicht getan, wie du getan hast, du und deine Töchter! 49 Siehe, dies war die Ungerechtigkeit Sodoms, deiner Schwester: Stolz, Fülle von Brot und sorglose Ruhe hatte sie mit ihren Töchtern, aber die Hand des Elenden und des Armen stärkte sie nicht; 50 und sie waren hochmütig und verübten Gräuel vor meinem Angesicht. Und ich tat sie weg, sobald ich es sah. 51 Und Samaria hat nicht die Hälfte deiner Sünden begangen; und du hast deine Gräuel zahlreicher gemacht als sie und hast deine Schwestern gerechtfertigt durch alle deine Gräuel, die du verübt hast. 52 So trage auch du deine Schmach, die du deinen Schwestern zuerkannt hast; durch deine Sünden, die du gräulicher begangen hast als sie, sind sie gerechter als du. Und so werde auch du zuschanden und trage deine Schmach, weil du deine Schwestern gerechtfertigt hast.
Der HERR fährt fort, Jerusalem ihre Sünden vorzuhalten. Er benutzt ein Sprichwort, um deutlich zu machen, dass die Stadt nicht besser ist als die heidnische Mutter, von der sie abstammt (Vers 44). Die Mutter ist eine untreue Frau, die sogar selbst die normale, natürliche Liebe zu ihrem Mann und ihren Kindern nicht hat (Vers 45). So ist auch Jerusalem. Damit gleicht sie ihren Schwestern, die die natürliche Liebe ebenfalls verabscheuen. Der Ausdruck „Schwestern“ bezieht sich auf die Städte Jerusalem, Samaria und Sodom. Der heidnische Ursprung liegt in der Verbindung zwischen den Hethitern und den Amoritern. Jerusalem ist genauso götzendienerisch wie diese heidnischen Völker.
Der HERR weist Jerusalem auf Samaria hin und nennt diese Stadt die „größere Schwester“ von Jerusalem (Vers 46). Mit Samaria ist das gesamte Gebiet des Zehnstämmereiches gemeint, das viel größer ist als das von Juda. Seine Lage ist nördlich von Jerusalem. Ihre andere Schwester, Sodom, ist „kleiner“ als Jerusalem. Sodom liegt südlich von Jerusalem. Diese Stadt wird „kleiner“ genannt, weil sie ein kleineres Gebiet hat. Mit „ihren Töchtern“ sind die umliegenden Städte Samarias und Sodoms gemeint.
Dann zeigt der HERR die Wege auf, die diese Städte gegangen sind (Vers 47). Jerusalem weiß wohl, was mit Samaria und Sodom wegen ihres Abfalls vom HERRN geschehen ist: Sie sind verderbt. Jerusalem aber hat sich nicht warnen lassen, sondern hat es noch viel elender gemacht als sie. Jerusalem übertraf die beiden anderen Städte in ihren Sünden (vgl. Mt 11,23.24; 2Chr 33,9; Jer 3,11; Lk 10,12). Mit einem Schwur bestätigt der HERR seine Feststellung, dass Sodom und seine Bewohner nicht so sehr gesündigt haben wie Jerusalem (Vers 48).
Um dies zu beweisen, zählt der HERR die abscheulichen Sünden Sodoms auf (Verse 49.50). Diese Aufzählung zeigt, dass die Sünden von Sodom nicht nur aus den abscheulichen sexuellen Sünden bestanden, von denen die Stadt voll war (1Mo 18,20.21; 19,4.5). Gott segnete Sodom reichlich mit natürlichem Wohlstand (1Mo 13,10). Aber anstatt Ihm dafür zu danken, war sie voll von sich selbst, voll von Egoismus, wie auch der Herr Jesus sagt (Lk 17,28).
Sodom ist ein perfekt geordneter Rechtsstaat gewesen, mit Handelsund Bewegungsfreiheit. Alle Einwohner hatten Essen und Trinken im Überfluss. Aber sie hat nur an sich selbst gedacht und nicht an andere. Alles diente der Befriedigung des eigenen Vergnügens. Das war der Nährboden für alle Unzüchtigkeiten und Abscheulichkeiten, die sich entwickelten und denen man vor Gott frönte. Deshalb stellte Gott die Stadt auf den Kopf, sobald Er sie „gesehen“ hatte (Vers 50; 1Mo 18,21; 19,24.25). Dennoch war diese Stadt nicht des Ehebruchs schuldig, wie es Jerusalem war.
Was wir in Sodom sehen, sehen wir auch in unserer Zeit. Alles dreht sich um den Wohlstand. Jeder will immer reicher werden, immer mehr ausgeben können, immer mehr genießen können. Diese Gier wird manchmal mit etwas Geld für Entwicklungsländer getarnt, aber das nimmt der ungezügelten Genusssucht nicht den Stachel. Auf diesem Boden grassiert die sexuelle Genusssucht, die alle von Gott gesetzten Grenzen mit äußerster Verachtung ablehnt.
Dann wendet der HERR den Blick Jerusalems auf Samaria (Vers 51). Diese Stadt hat nicht die Hälfte der Sünden Jerusalems getan. Gegenüber all den Gräueln, die Jerusalem begangen hat, erscheinen ihre Schwestern Sodom und Samaria wie gerechtfertigt. Das ist sehr stark ausgedrückt. Das wird getan, um Jerusalem die enorme Schuld zu verdeutlichen, die sie durch ihr böses Verhalten auf sich geladen hat. Natürlich bedeutet das nicht, dass es die Schuld von Sodom und Samaria mindert. Der Punkt ist, dass ihre Schuld im Vergleich zu Jerusalems Schuld klein erscheint.
Sodom und Samaria erhielten ihre verdiente Strafe für eine geringere Schuld als die von Jerusalem. Deshalb wird Jerusalem ganz sicher ihre Schmach tragen (Vers 52). Die Stadt hat sich auch in ihrem Stolz ein Urteil über Sodom und Samaria angemaßt und war dabei völlig blind für ihre eigenen abscheulichen Sünden. Noch einmal sagt der HERR, dass ihre eigenen Sünden so gräulich sind, dass Sodom und Samaria im Vergleich dazu gerechter erscheinen. Er ruft die Stadt auf, sich zu schämen und ihre Schmach zu tragen.