Behandelter Abschnitt Jes 19,1-10
Einleitung
Nachdem in den vorangegangenen Kapiteln die Vernichtung von Philistäa, Moab, Damaskus, Ephraim und Juda geschildert wurde, zieht der König des Nordens weiter nach Süden, nach Ägypten. Der Angriff auf Ägypten ist wegen seines erstaunlichen Höhepunkts besonders interessant. Zunächst erfahren wir, dass Ägypten bzw. der König des Südens Israel angreifen wird, allerdings ohne Erfolg (Dan 11,40a). Aber dann kommt Assyrien, oder der König des Nordens, um Israel anzugreifen, und er ist erfolgreich (Dan 11,40b). Nach der Zerstörung und Vernichtung Israels (Jes 28,22) wird Assyrien weiterziehen und auch Ägypten angreifen (Dan 11,42). Ägypten wird erniedrigt werden.
Wir sehen hier jedoch, dass auf das Gericht Gottes über die Ägypter deren Reue und Umkehr folgt. Wir sehen auch Äußerungen der Gnade Gottes ihnen gegenüber und ihre Einführung in das Volk Gottes, zusammen mit ihrem erbitterten Feind Assyrien, und das, während Israel, Gottes auserwähltes Volk, so schwer unter diesen beiden Feinden gelitten hat und noch leiden wird.
Verse 1–10 | Gericht über Ägypten
1 Ausspruch über Ägypten. Siehe, der HERR fährt auf schneller Wolke und kommt nach Ägypten. Und die Götzen Ägyptens beben vor ihm, und das Herz Ägyptens zerschmilzt in seinem Innern. 2 Und ich will Ägypten aufreizen gegen Ägypten; und sie werden kämpfen, jeder gegen seinen Bruder und jeder gegen seinen Nächsten, Stadt gegen Stadt, Königreich gegen Königreich. 3 Und der Geist Ägyptens wird vergehen in seinem Innern, und ich will seinen Ratschlag zunichtemachen; und sie werden die Götzen und die Totengeister und die Totenbeschwörer und die Wahrsager befragen. 4 Und ich will die Ägypter überliefern in die Hand eines harten Herrn; und ein grausamer König wird über sie herrschen, spricht der HERR, der HERR der Heerscharen. 5 Und die Wasser werden sich aus dem Meer verlaufen, und der Strom wird versiegen und austrocknen, 6 und die Ströme werden stinken; die Kanäle Mazors nehmen ab und versiegen, Rohr und Schilf verwelken. 7 Die Weideplätze am Nil, am Ufer des Nil, und jedes Saatfeld am Nil verdorrt, zerstiebt und ist nicht mehr. 8 Und die Fischer klagen, und es trauern alle, die Angeln in den Nil auswerfen; und die das Netz auf der Wasserfläche ausbreiten, schmachten hin. 9 Und beschämt sind die Wirker gehechelten Flachses und die Weber von Baumwollzeug. 10 Und seine Grundpfeiler sind zerschlagen; alle, die für Lohn arbeiten, sind seelenbetrübt.
Der „Ausspruch über Ägypten“ beginnt damit, dass der HERR „auf schneller Wolke“ nach Ägypten kommt (Vers 1; Ps 104,3). Dies deutet darauf hin, dass Er seine Handlungen durch die Hand Assyriens kurz und kraftvoll ausführen wird. Sowohl die Ägypter selbst als auch die Götzen, auf die sie sich verlassen – die Sonne, der Nil –, werden nichtig bei der Erscheinung seiner Majestät. Die Götzen bzw. die Dämonen hinter ihnen „beben vor ihm“ und „das Herz Ägyptens schmilzt in seinem Innern“. Aller Ruhm verschwindet wie Schnee in der Sonne.
Nachdem Christus Ägypten gerichtet hat, lesen wir auch, dass Er danach auf der Erde in Harmagedon erscheint (Off 16,15.16), dann nach Edom (Jes 63,1) und zu dem Ölberg (Sach 14,4) gehen wird. Es geht um Ereignisse, die kurz nacheinander stattfinden werden. Sein Kommen an diese verschiedenen Orte deutet darauf hin, dass Er im Begriff ist, überall, wo Er hinkommt, richterliche Handlungen durchzuführen. Diese Gerichte, die nach dem Ende der großen Drangsal stattfinden, werden noch eine unbekannte Anzahl von Tagen in Anspruch nehmen (vgl. Dan 12,11).
Durch sein Zutun werden sich die Ägypter in einem Bürgerkrieg gegenseitig bekämpfen (Vers 2). In dieser Situation werden sie ihre Götzen befragen. Sie werden Totenbeschwörer bitten, den Tod von ihnen weichen zu lassen, und sie werden, indem sie die Geister der Toten befragen, wissen wollen, was sie tun können, um dem Tod zu entkommen (Vers 3). Auch nehmen sie ihre Zuflucht zu Wahrsagerei. Aber was werden diese Dämonen, die vor der Majestät des HERRN zittern und beben, ihnen sagen können? Es wird nur dazu dienen, die völlige Sinnlosigkeit von derartigen Anhörungen zu beweisen.
Aus diesem Chaos taucht ein Herrscher auf, ein grausamer König, der ihnen das Leben noch schwerer macht (Vers 4). Mit diesem grausamen Herrscher ist der zukünftige König des Nordens gemeint. Er ist das Werkzeug „des Herrn, des HERRN der Heerscharen“, der dies tut, denn nur Er allein ist so groß, dass Er ein mächtiges Volk in die Hand eines anderen mächtigen Volkes ausliefern kann.
Katastrophen und Plagen werden während dieses zukünftigen Krieges aufeinander folgen (Verse 5–10; Jes 11,15). Die Katastrophen werden einen Mangel an allen lebensnotwendigen Gütern verursachen. Die gesamte Wirtschaft Ägyptens hängt vom Nil ab, der hier mit dem Nildelta und den von ihm abgeleiteten Kanälen zur Bewässerung des Landes ausführlich beschrieben wird. Wenn der Nil austrocknet, wird es kein fruchtbares Land mehr geben (Verse 5.6). Es wird kein Brot mehr gebacken werden können (Vers 7). Die Angst Ägyptens vor der aktuellen (Stand 2020) Eröffnung eines riesigen Staudamms in Äthiopien gibt einen Hinweis darauf, wie abhängig Ägypten vom Nil ist.
Ein ausgetrockneter Nil lässt auch die Fischer arbeitslos werden (Vers 8). Es wird keinen Fisch mehr geben. Auch die Bekleidungsindustrie bricht zusammen (Vers 9). Es gibt keine Rohstoffe mehr für Flachs und Leinen, deren Rohmaterial ebenfalls vom Nil geliefert wird. Alle, die ihren Lebensunterhalt in dieser Branche verdienen, werden entlassen und haben kein Einkommen (Vers 10). Kurz gesagt, die drei Säulen der ägyptischen Wirtschaft, die Landwirtschaft (Verse 6.7), die Fischerei (Vers 8) und die Textilindustrie (Vers 9), sind schwer betroffen.