Behandelter Abschnitt Jes 15,5-9
Verse 5–9 | Auf der Flucht
5 Mein Herz schreit über Moab – seine Flüchtlinge [fliehen] bis Zoar, [bis] Eglat-Schelischija. Denn die Anhöhe von Luchit steigt man mit Weinen hinauf; denn auf dem Weg nach Horonaim erhebt man Jammergeschrei. 6 Denn die Wasser von Nimrim sollen zu Wüsten werden. Denn verdorrt ist das Gras, verschmachtet das Kraut; das Grün ist nicht mehr. 7 Darum tragen sie über den Weidenbach, was sie erübrigt haben, und ihr Aufbewahrtes. 8 Denn das Wehgeschrei hat die Runde gemacht in den Grenzen von Moab: Bis Eglaim [dringt] sein Jammern und bis Beer-Elim sein Jammern. 9 Denn die Wasser Dimons sind voll Blut; denn ich verhänge noch mehr [Unheil] über Dimon: einen Löwen über die Entronnenen Moabs und über den Überrest des Landes.
Jesaja trauert intensiv über den Untergang Moabs (Vers 5). Sein Herz schreit über Moab. Hier sehen wir, dass eine Prophezeiung, in der das Gericht über ein feindliches Volk vorausgesagt wird, die Gefühle des Propheten tief berührt (Jes 16,9; 21,3.4; 22,4; vgl. Jer 9,1). Genau wie Gott gefiel Jesaja der Tod der Gottlosen nicht (Hes 18,23.32).
Das Aussprechen einer Botschaft im Namen Gottes ist keine mechanische Angelegenheit. Der Diener, der die Botschaft verkündet, ist darin voll involviert. Das Besondere hier ist, dass wir es mit einem heidnischen Volk zu tun haben. Jesaja ist von Mitleid ergriffen hinsichtlich dessen, was mit diesen Menschen geschehen wird. Wenn wir eine Gerichtsbotschaft weitergeben müssen, sei es im Evangelium oder für Gottes Volk, dann sollte das nicht ohne Gefühl geschehen.
In den Versen 5–9 beschreibt Jesaja die Flucht der Moabiter vor dem Feind. „Zoar“ ist eine Festung im Süden. Der Zusatz „Eglat-Schelischija“, ein bekannter Ort (Jer 48,34), wird übersetzt auch mit „dreijährige junge Kuh“ wiedergegeben. Das entspricht dem Bild, dass Moab ein Ochse in der Kraft seines Lebens ist, der noch nicht unter einem Joch gewesen ist. Zu dieser noch nicht erprobten Festung nehmen die Flüchtlinge Moabs ihre Zuflucht vor dem Feind aus dem Norden.
Dann folgt Jesaja im Geist den Flüchtenden. Sie werden vom Feind in den Süden gejagt. Zuerst sind sie die Anhöhe hinaufgestiegen nach Luchit in der Mitte des Landes. Dann sind sie wieder hinabgestiegen nach Horonaim und haben über die Zerstörung des Landes gejammert.
Der Feind hat alles vernichtet, indem er die Wasser des Nimrim umgeleitet hat, mit dem Ergebnis, dass nichts mehr wächst (Vers 6). Auch bei ihrem Vormarsch haben sie nichts verschont, sondern alles mit ihren Füßen zertreten. Die wenigen Besitztümer, die die Moabiter mitnehmen konnten, „tragen sie über den Weidenbach“ (Vers 7), um in der Gegend von Edom Zuflucht zu finden.
Überall in Moab gibt es lautes und verzweifeltes Wehklagen (Vers 8). Das Geschrei der Moabiter durchzieht das ganze Land. Von Eglaim bis BeerElim, das heißt vom äußersten Norden Moabs bis zum äußersten Süden, genauso wie in Israel gesagt wird: von Dan bis Beerseba (Ri 20,1). Es gibt keinen Ort, an den es nicht vordringt.
Wieviel Blut auch geflossen sein mag, es wird noch schlimmer werden (Vers 9). Um dies zu verdeutlichen, ändert der Prophet den Namen der Stadt Dibon in Dimon, ein Wort, das mit dem Wort Blut verwandt ist. Im Hebräischen heißt es dann: „Die Blutstadt ist voller Blut.“ Auch die Flüchtlinge, die übrig geblieben sind, werden dem Gericht nicht entgehen, das der HERR über sie beschlossen hat und auch ausführen wird.