Behandelter Abschnitt Hiob 31,35-37
Verse 35–37 | Hiob fordert Gott heraus
35 O dass ich einen hätte, der auf mich hörte: Hier ist meine Unterschrift – der Allmächtige antworte mir! – und die Schrift, die mein Gegner geschrieben hat! 36 Würde ich sie nicht auf meiner Schulter tragen, sie mir umbinden als Krone? 37 Ich würde ihm die Zahl meiner Schritte mitteilen, würde ihm nahen wie ein Fürst.
Hiob ist fast am Ende seines Plädoyers angelangt. Er hat bisher alle Anschuldigungen zurückgewiesen. In den Versen 38–40 beteuert er ein letztes Mal seine Unschuld und hört dann auf zu sprechen. In den Versen 35– 37 richtet er erst noch das Wort an Gott. In einer allgemeinen Klage sagt er, dass er sich so sehr danach sehnt, dass ihm jemand zuhört (Vers 35). Was er meint, ist, dass er eine richterliche Stellungnahme von Gott möchte.
Er legt Gott die Liste seiner Unschuldserklärungen vor. Lass Gott einen genauen Blick auf sie werfen. Er kann sagen, dass er die gesamte Erklärung „wahrheitsgemäß ausgefüllt“ hat, wie es auf den Formularen steht, die wir unterschreiben müssen, nachdem wir sie ausgefüllt haben. Er weist Gott auf seine „Unterschrift“ hin, die er darunter gesetzt hat. Diese Unterschrift besagt, dass er mit seiner ganzen Person zu dem steht, was er gesagt hat.
Dann fordert er Gott zu einer Antwort heraus. Er ist doch schließlich „der Allmächtige“, der alles beherrscht und in der Hand hat? Hiobs ganzes Plädoyer diente dazu, Gott von seiner Unschuld zu überzeugen, Gott, der ihn so leiden lässt, der sein Widersacher ist, weil Er ihn ohne Ursache leiden lässt. Das mit seiner Unterschrift beglaubigte Dokument seiner Unschuld legte er Gott vor. Gott soll auch seine Reaktion aufschreiben und erklären, warum Er ihn so leiden ließ.
Er wird Gottes Antwort auf seinen Schultern tragen und sie sich wie eine Krone umbinden (Vers 36). Auch dies sagt Hiob in der vollen Überzeugung, dass Gott keinen triftigen Grund für sein Leiden nennen kann. Aus dem Dokument Gottes wird hervorgehen, dass er unschuldig leidet. Alles, was Gott schreiben wird, wird ihn von allen gegen ihn erhobenen Anschuldigungen freisprechen. Er würde die Antwort Gottes im Triumph mit sich führen. Jedermann würde von seiner Unschuld überzeugt sein. Der Freispruch Gottes würde seine Schmähungen in ein Schmuckstück verwandeln.
Er würde Gott über alle seine Schritte Rechenschaft ablegen, über jeden Schritt, den er getan hatte, und dass er ihn im Gehorsam Ihm gegenüber getan hatte (Vers 37). Im Bewusstsein seiner Rechtschaffenheit würde er sich Gott wie ein Fürst nähern.
Mit dieser Schlussfolgerung irrt Hiob, wie wir sehen werden. Er wird Gott ganz anders begegnen, wenn er Ihm von Angesicht zu Angesicht gegen-
übersteht. Hiob wird sich dann nicht Gott nähern, sondern Gott wird sich Hiob nähern. Und dann ist nichts mehr übrig von seiner eigenen Gerechtigkeit, nichts von seinen „fürstlichen“ Gefühlen, sondern er wird sich selbst verachten (Hiob 42,6). Dann wird er erkennen, dass er in Wirklichkeit nicht verstanden hat, wovon er sprach, und dass er hätte warten sollen, bis Gott spricht, bevor er etwas sagen konnte.