Behandelter Abschnitt Ruth 3,4-15
Indem sie die Anweisungen von Noomi befolgt, wird sie von Boas um Mitternacht, in der dunkelsten Stunde, erkannt und erhebt ihren kühnen Anspruch. Anstatt jedoch zurückgestoßen zu werden, wird sie von Boas gesegnet, der erklärt, es sei eine Güte ihrerseits, größer noch als die, die sie anfangs ihrer Schwiegermutter erwiesen hatte. Sie ist beruhigt, er verspricht, alles zu tun, und bekräftigt das, was die Verleumdung hätte leugnen können: „Die ganze Stadt meines Volkes weiß, dass du eine tugendhafte Frau bist.“
So wird der König den zitternden Überrest beruhigen, der sich Ihm in der dunklen Mitternachtsstunde der Prüfung und Verfolgung naht. Die Freude Seines Herzens über ihren Glauben wird weit größer sein als ihre eigene. „Er wird sich über dich freuen mit Freuden; Er wird in seiner Liebe ruhen, Er wird sich über dich freuen mit Singen.“ Wer kann diese Freude ermessen, außer Ihm, der über Jerusalem weinte? Wer kann die Freude darüber ermessen, dass sie sich Ihm zuwenden, außer dem, der von seinem Volk verworfen wurde? „Wie sich der Bräutigam über die Braut freut, so wird sich dein Gott über dich freuen.“
Dieser ganze Teil der Erzählung ist so vollkommen typisch für die Beziehungen Israels zu unserem Herrn, dass wir ihn nur in zweiter Linie auf die Geschichte des Einzelnen in der gegenwärtigen Dispensation anwenden können. Doch wie wir gesehen haben, sind die Zuneigungen in allen Dispensationen dieselben, und ein genährter Glaube wird an Stärke und Intensität zunehmen. Es ist höchst gesegnet zu wissen, dass Gott unendlich viel mehr als unsere höchsten Gedanken und unseren stärksten Glauben bereitgestellt hat. So müssen wir nicht, wie Ruth, einen Platz in der nächsten und engsten Verwandtschaft erlangen, sondern das ergreifen, was bereits unser ist – die Gabe der Gnade.
Aber in der Erfahrung der Seele gibt es vieles, was diesem Fortschritt, den wir verfolgt haben, entspricht. Wir kommen als arme Ausgestoßene, die mit ermattetem Herzen Stücke des Segens einsammeln, „Nicht würdig, Herr, die Brosamen aufzusammeln, mit zitternden Händen, die von deinem Tisch fallen, ein müder, schwer beladener Sünder kommt um Dein Versprechen zu erflehen und Deinem Ruf zu folgen.
Das ist die Sprache, nicht des verstandesmäßigen, Glaubens, sondern der Seele, die die Barmherzigkeit auch für sich selbst nur schemenhaft sieht. Aber die Gnade führt weiter, wie wir gesehen haben, ermutigend und stärkend, bis schließlich die Seele, in das Wunder der göttlichen Liebe eintretend, das wundersame Geheimnis des Herzens Christi ergreift – „wir sind Glieder seines Leibes“ . . . „Christus hat die Gemeinde geliebt und sich selbst für sie hingegeben . . . damit Er sie sich selbst darstelle.“ Wir sehen Ihn nicht nur als Retter, Herr, Hirte, sondern finden unsere Ruhe an Seinem Schoß, die Geliebten Seines Herzens, und bilden mit allen Erlösten dieses Zeitalters die Braut, die Seine Gefährtin sein wird während des nie endenden Tages Gottes. „Damit er in den kommenden Zeitaltern den überschwänglichen Reichtum seiner Gnade in Güte gegen uns erwiese in Christus Jesus.“
Nicht sofort begreift die Seele diese wunderbare Beziehung; ach, wie schwach antworten wir auf seine Liebe. Aber wenn die Seele unter der Führung des Geistes Gottes weitergeht, wird sie sicher ihren Platz zu den Füßen dessen finden, der in der Tat „ein naher Verwandter“ ist, „der sich nicht schämt, uns Brüder zu nennen.“