Behandelter Abschnitt Ruth 2,-13
Die Gnade kann nicht ruhen, bis sie sich zu erkennen gibt. So kommt Boas von Blicken und Fragen zu Worten und spricht mit der Fremden. „Hörst du nicht meine Tochter? Geh nicht hin, um auf einem anderen Feld zu sammeln.“ Das erste Wort ist nicht nur ein Willkommensgruß für das, was sie vielleicht schon gesammelt hat, sondern die positive Aufforderung, dort weiterzumachen, wo sie begonnen hat.
Die Jünger mögen versuchen, die suchende Seele wegzuschicken, aber der Herr tut das niemals. Ganz gleich, wie scheinbar erfolglos sie ist und wie entmutigt sie ist, ganz gleich, wie lange die Suche anhält, das erste Wort ist: „Geh nicht auf ein anderes Feld.“ Es gibt viele Versuchungen, dies zu tun, sowohl für die suchende Seele jetzt, als auch für den Überrest am kommenden Tag. Wie gerne würde der Feind die Seele vom Wort Gottes, den Feldern der Gnade, weglocken oder vertreiben.
Es gibt andere und leichtere Wege, um Frieden zu bekommen: glückliche Gefühle, religiöse Bekenntnisse – es werden Tausende von Alternativen für den einfachen Weg Gottes angeboten. Oder die Seele ist erschrocken, es gibt keine Hoffnung für einen so schuldigen und verhärteten Menschen, der Tag der Gnade ist vorbei, warum auch nur die wenigen Tage, die vom Leben übrig bleiben, in vergeblichen Bemühungen vergeuden, um etwas zu bekommen, was niemals unser sein kann? Keiner, der schon einmal in seelischen Übungen war, kann vergessen, wie oft die Versuchungen aufkamen, auf ein anderes Feld zu gehen! Und wie aufmunternd ist dieses Wort von dem Herrn des Feldes, dort zu bleiben, wo wir sind, nichts zu erwarten, außer von Ihm selbst.
Wir erinnern uns auch daran, welche furchtbaren Verlockungen dem Überrest vorgehalten werden, und welche Drohungen, wenn sie nicht nachgeben. Als Jerusalem belagert wurde und scheinbar kurz vor der Einnahme durch die Assyrer stand, bedrohte der spöttische Rabsake nicht nur das angsterfüllte Volk, sondern stellte besondere Anreize in Aussicht, wenn sie sich seinem Herrn beugen würden. Aber weder Drohungen noch Überredungskünste konnten sie von ihrer Treue zu ihrem König abbringen (2Kön 18).
In den letzten Tagen wird der Großteil des Volkes die Herrschaft des böswilligen Königs akzeptieren, alle menschliche Klugheit wird den wenigen, die ihm ausgeliefert sind, dasselbe diktieren. Der große Herrscher, dessen Bild angebetet werden muss, wird als einziger anerkannt werden, und der sichere Tod droht denen, die sein Zeichen nicht in der Hand oder auf der Stirn haben? Aber Gott sei Dank, der Glaube wird immer auf das eine Wort dessen hören, den er vielleicht nur schemenhaft kennt, und sich weigern, auf ein anderes Feld zu gehen.
Sollte es nicht auch für uns, die wir unseren gesegneten Herrn kennen und lieben, gut sein, uns daran zu erinnern, wie töricht es ist, anderswo als bei Ihm und Seinem Wort unsere Nahrung oder Hilfe zu suchen? Viele der Seinen vergessen dies leider und müssen bitterlich die vergeudeten Tage der Nachlese auf den für das Kind Gottes wohl immer unfruchtbaren Feldern bedauern. Wie vieles, was als notwendige Abwechslung und Erholung angepriesen wird, ist nur eine Schlinge, um uns von dem Einen wegzuziehen, in dem wir alle unsere Ruhe und unseren Frieden finden sollen.
Es gibt noch andere außer uns, die auf den Feldern der Gnade tätig sind, und es ist in der Tat selten, dass die Seele keine Hilfe von denen bekommt, die weiter fortgeschritten sind als sie selbst. Ruth folgt denen, die mit dem Haushalt des Boas verbunden sind, und genießt den Schutz vor allen Belästigungen, bewirkt durch seine Autorität.
Wenn die Suchende im Hohelied Salomos fragt, wo ihr Geliebter seine Herden weidet und wo sie mittags ruhen, weil sie sich fürchtet, sich zu einer anderen Herde zu wenden, ist die Antwort ähnlich: „Wenn du es nicht weißt, o du Schönste unter den Frauen, so geh deinen Weg hinaus an den Fußspuren der Herde und weide deine Kinder neben den Zelten der Hirten“ (Hld 1,7-8).
Wenn es nur wenige auf dem schmalen Weg sind, können wir mit diesen wenigen ausreichend Gemeinschaft finden. Und während der Glaube nicht nachahmen kann, kann er dem Glauben derer folgen, die Christus lieben. Es ist immer gefährlich, wenn eine Seele den Geschmack für echte Gemeinschaft mit denen verliert, die ein Herz für den Herrn haben.
Auch die liebevolle Fürsorge Boas sorgt schon für mehr, als sie sammeln kann. Sie braucht nicht nur Getreide, sondern auch zu trinken. Dazu lädt er sie nun ein: „Wenn du durstig bist, geh zu den Gefäßen und trinke von dem, was die jungen Männer geschöpft haben“. Seine Diener tragen auch Sorge für ihre Bedürfnisse, ihre Arbeit für ihre Erfrischung.
Wie ist der Dienst des Lebenswassers, der für das Volk Gottes bestimmt ist, auch für jede suchende Seele. Wie oft erhält der Fremde eine Erfrischung, ohne die er vor Verzweiflung ohnmächtig geworden wäre.
Unser Herr weiß das wohl, und oft lädt Er die durstige Seele – in allen Zeitaltern und Zeiten – ein, zu kommen und zu trinken.
Wen da dürstet, der komme zum Wasser“ (Jes 55,1).
„Wen da dürstet, der komme zu mir und trinke“ (Joh 7,37).
„Wer will, der nehme das Wasser des Lebens umsonst“ (Off 22,17).
Die göttliche Barmherzigkeit wird niemals das Wasser verweigern, solange es eine Seele gibt, die danach verlangt. Erst in der Ewigkeit auf der anderen Seite der „großen Kluft“ wird der Schrei nach einem Tropfen Wasser vergeblich sein (Lk 16,19-31). Wie verschlimmert dies die Schuld derer, die die Angebote der Gnade und das Flehen der Liebe verachten.
Eine solche Gnade, die so unerwartet kommt, bewegt Ruth zu tiefster Dankbarkeit. Sie fällt ihm zu Füßen und fragt, warum er einer Fremden wie ihr eine solche Freundlichkeit erweist. Seine Antwort zeigt, wie vertraut er mit ihrer Geschichte ist, die er als weit mehr als kindliche Freundlichkeit gegenüber ihrer trauernden Schwiegermutter interpretiert. Sie ist gekommen, um unter den schützenden Flügeln des Gottes Israels Schutz zu finden, und ihre Hingabe an Noomi kann davon nicht getrennt werden.
Und hat das Herz nicht oft eine ähnliche Frage an unseren Herrn gestellt? Er hat irgendeinen besonderen Gedanken uns gegenüber geäußert, hat unsere durstigen Seelen erfrischt, und wir fragen uns, warum das so ist. Ist seine Antwort nicht darin zu finden, dass Er unseren Weg vorgezeichnet und die Anfänge des Glaubens gesehen hat, den Er jetzt belohnt? Nein, ist nicht der Glaube selbst die Frucht seiner eigenen souveränen Gnade? Setzt Er nicht nur das Siegel auf sein eigenes göttliches Werk? Er kennt die, die er zu sich gezogen hat (Hos 11,4).
Ruth veranschaulicht sehr schön die Demut, die das Kennzeichen des jungen und frischen Glaubens ist: „Lass mich Gnade finden vor deinen Augen, mein Herr; denn du hast mich getröstet und zum Herzen deiner Magd geredet, obwohl ich nicht wie eine deiner Mägde bin.“ Wie Mephiboseth war sie gedemütigt, als David ihr Gnade erwies. Sie zweifelte nicht an der Gnade, noch viel weniger lehnte sie sie ab, aber sie bekennt ihre völlige Unwürdigkeit. Wahre Demut zweifelt nicht.
Wie seltsam ist es doch, dass man es für ein Kennzeichen der Demut gehalten hat, die Aufrichtigkeit der erwiesenen Gnade in Frage zu stellen. Natürlich wird es nicht so ausgedrückt, aber das Ergebnis ist dasselbe: Gott wird angezweifelt und die Seele wird nicht gesegnet. Eine solche Haltung soll bei ihrem richtigen Namen genannt werden, das ist keine Demut, sondern die schlimmste Form des Stolzes, der den Mantel der Armut trägt, um seinen Anspruch auf Reichtum zu begründen.
Die Demut bekennt ihre Unwürdigkeit, betont aber die Gnade Gottes, indem sie mit dankbarem Herzen annimmt, was Er so frei anbietet.
Wir sehen nun, wie die Gnade das Prinzip „wer da hat, dem wird gegeben werden“ (Mt 13,12), veranschaulicht, obwohl Boas nur seine frühere Güte fortsetzte. Die Gnade führt die Seele durch Segen weiter. So wird ihr nun Nahrung, Wein und geröstetes Korn angeboten – so viel sie will.
Unser Herr lässt eine suchende Seele niemals hungern. In der Versorgung von Ruth mit Erfrischungen sehen wir seine großzügige Hand, selbst für eine, die die Fülle seiner Gnade kaum erkennt. Sie ist eingeladen, ihren Bissen in den Essig zu tauchen, um mit ihrem schwachen Verständnis, ihrem Stückchen Brot, die Kraft und Erfrischung zu empfangen, die der Wein suggeriert.
Haben wir nicht in gleicher Weise in den Tagen der Anfänge unseres Glaubens unser kleines Scherflein der Wahrheit, unseren kleinen Blick auf Christus mitgebracht und die Erfahrung gemacht, dass es zu einer köstlichen Stärkung wurde durch eine Liebe, die wir selbst nicht mitgebracht hatten. Sicherlich muss dieser Wein von Ihm sprechen, dessen Liebe „besser als Wein“ (Hld 1,2) ist, und der jeden in Seiner Nähe diese Liebe erfahren lässt.