Behandelter Abschnitt Hld 2,17
„Bis der Tag sich kühlt und die Schatten fliehen, wende dich, sei, mein Geliebter, gleich einer Gazelle oder einem Jungen der Hirsche auf den zerklüfteten Bergen!“ (Hld 2,17).
Die volle Gewissheit Seiner Liebe und der selige Genuss Seiner Selbst im Glauben vermehren das Verlangen der Braut nach dem Tag Seiner Herrlichkeit. Dann werden „alle Schatten fliehen“. Indem alle Schatten und Vorbilder bei Seiner Erscheinung ihre Erfüllung finden, verschwinden sie für immer. Jetzt sehen wir durch einen Spiegel dunkel und trübe; dann von Angesicht zu Angesicht. Wir werden zwar keinen anderen Jesus sehen als jetzt, aber das trübe Glas wird nicht mehr sein. „Wir werden ihn sehen, wie er ist“ (1Joh 3,2). Für Israel wird die aufgehende Sonne der Gerechtigkeit für immer alle Finsternis verscheuchen und den langen, öden Winter in einen herrlichen Frühling verkehren. Die Blumen werden erscheinen, die Vögel ihren Gesang beginnen, und die ganze Schöpfung wird mit Freude erfüllt sein.
Bis zum Anbruch dieses glücklichen Tages bittet die Braut den Geliebten, bei ihr zu bleiben. Sie verlangt sehnlich nach Seiner Gegenwart und dem Trost Seiner Liebe, bis Er Selbst in Herrlichkeit erscheint. Sie hängt an der Person ihres Geliebten. „Wende dich, sei, mein Geliebter, gleich einer Gazelle oder einem Jungen der Hirsche auf den zerklüfteten Bergen!“ Sie ist noch in der Wüste. Ihre Prüfungen sind mannigfaltig. Der Pfad ist rau und schwierig. Deshalb sehnt sie sich nach der Ankunft ihres Geliebten in Macht und Herrlichkeit, mit der Schnelligkeit einer Gazelle oder eines jungen Hirsches auf den zerklüfteten Bergen. Was sind Felsen und Klüfte für eine flüchtige Gazelle? Nichts. Was sind alle die Schwierigkeiten der vollen Wiederherstellung Israels für den Herrn? Nichts. Ein Strahl Seiner zukünftigen Herrlichkeit wird Schrecken in den Herzen Seiner Feinde verbreiten und den Weg ebnen für die Befreiten des Herrn, die „zurückzukehren und nach Zion zu kommen mit Jubel und ewige Freude wird über ihrem Haupt sein; sie werden Wonne und Freude erlangen, und Kummer und Seufzen werden entfliehen“ (Jes 35,10).
Dann „wird jedes Tal erhöht, und jeder Berg und Hügel erniedrigt werden, und das Höckerige soll zur Ebene werden, und das Hügelige zur Talebene. Und die Herrlichkeit des Herrn wird sich offenbaren, und alles Fleisch miteinander wird sie sehen“ (Jes 40,4.5). Aber bis zum Anbruch dieses lange ersehnten Augenblicks bittet die Braut, in dem Genuss Seiner Liebe erhalten zu bleiben. Liebliche Früchte der Gnade: ein Glaube, der das Wort erfasst, eine Hoffnung, die nach dem ersten Dämmern des Tages ausschaut, und ein Bitten um den Genuss Seiner Gegenwart! Die Braut streckt sich aus nach dem Ziel, und kein Hindernis kann sie aufhalten. Sie verlangt, bei Ihm zu sein.
Ist es auch so mit uns, geliebter Leser? Haben wir Glauben an das Wort des Herrn? schauen wir aus nach Ihm, verlangen und erwarten wir Seine Rückkehr? Und ist es unser beständiges Flehen, in Seiner Gemeinschaft erhalten zu bleiben, „bis Er kommt“? Die Stunde, die dem Tagesanbruch unmittelbar vorangeht, gilt als die kälteste und finsterste Stunde der Nacht. So wird es mit Israel sein am Ende der Tage. „Wehe! denn groß ist jener Tag, ohnegleichen, und es ist eine Zeit der Drangsal für Jakob! Doch wird er aus ihr gerettet werden. Denn es wird geschehen an jenem Tag, spricht der Herr der Heerscharen, dass ich sein Joch von deinem Hals zerbrechen und deine Fesseln zerreißen werde“ (Jer 30,7.8).
Die Morgendämmerung jenes Tages wird dem harrenden, betenden Überrest Befreiung und ihren stolzen Bedrängern Verderben bringen. Und was die Kirche betrifft, so schreibt der Apostel Paulus an Timotheus: „Dies aber wisse, dass in den letzten Tagen schwere (oder gefahrvolle) Zeiten eintreten werden.“ (2Tim 3,1). Glücklich ist jeder, der einfältig und treu an Seinem Wort festhält, dem Herrn nachfolgt und auf Sein Kommen wartet! Die letzte Stunde der Nacht mag in der Tat kalt und finster sein; aber lass dich nicht beirren, mein Leser, wache und bete, der Morgen wird bald anbrechen. Glückselig alle, die mit wachen Augen das erste Aufleuchten des Morgensterns erblicken.
„Ihr aber, Geliebte, euch selbst erbauend auf euren allerheiligsten Glauben, betend im Heiligen Geist, erhaltet euch selbst in der Liebe Gottes, indem ihr die Barmherzigkeit unseres Herrn Jesus Christus erwartet zum ewigen Leben“ (Jud 20.21).