„Fangt uns die Füchse, die kleinen Füchse, welche die Weinberge verderben; denn unsere Weinberge sind in der Blüte“ (Hld 2,15).
In lieblicher Weise verbindet sich hier der Geliebte mit Seiner Braut in der Pflege des Weinbergs. „Fangt uns die Füchse – denn unsere Weinberge sind in der Blüte. Der Weinberg muss sorgfältig gehütet werden. Die kleinen Füchse haben scharfe Zähne; und obwohl sie klein sind, so sind sie doch schlau und richten leicht großen Schaden an. Im Winter, wenn die Zweige kahl sind, finden sie kein Versteck. Sobald aber der Frühling wiederkehrt, bietet ihnen das Land hinreichenden Schutz, um ihre zerstörende Arbeit beginnen zu können. Wache deshalb, mein Leser, über den Zustand deines Herzens. Wache besonders über die täglichen Sorgen des gegenwärtigen Zeitlaufs und die tausenderlei kleinen Dinge, die dem Fruchtbringen so leicht hindernd in den Weg treten. Bleibe in dem wahren Weinstock, ziehe deine Nahrung aus Seinen Wurzeln, so wirst du viel Frucht tragen zur Verherrlichung des Vaters. „Seid um nichts besorgt, sondern in allem lasst durch Gebet und Flehen mit Danksagung eure Anliegen vor Gott kund werden; und der Friede Gottes, der allen Verstand übersteigt, wird eure Herzen und euren Sinn bewahren in Christus Jesus“ (Phil 4,6.7).
In Zeiten der Erquickung von Seiten des Herrn und großer Erweckungen ist doppelte Wachsamkeit nötig. Es ist wahrhaft erfreulich zu beobachten, wie die Knospen aufbrechen und die Blüten sich entfalten, und dabei dem lieblichen Gesang der Vögel zu lauschen. Aber der Weingärtner hat mehr als das zu tun; er hat zu wachen über den schlauen Verderber, der zwischen dem grünenden Laub der Reben lauert, um ihre Wurzeln zu unterwühlen und ihre Frucht zu rauben. Wie manche gute Rebe haben wir im Laufe der Jahre kränkeln sehen infolge der verführerischen Ränke des Feindes, der stets auf der Lauer liegt.
Wie bitter sind solche Enttäuschungen. Der Winzer gibt sich alle Mühe, die Reben zu bewässern, zu pflegen und zu beschneiden. Schön und viel versprechend verlässt er sie am Abend; aber ach, welch ein Anblick bietet sich ihm am nächsten Morgen. Während er der Ruhe pflegte, hat der Fuchs sein verderbliches Werk getan. Seine scharfen Zähne haben den Stamm bis aufs Mark abgenagt, den Boden umgewühlt, die zarten Triebe abgerissen. Ach, in einer Nacht, in einer bösen Stunde ist die herrliche Pflanze, die einen so reichen Herbst verhieß, ein Opfer des Feindes geworden. Mit traurigen Blicken betrachtet der Winzer seine arme Rebe. Sie ist dahin. – Für immer dahin? Nein, Gott sei Dank! die Wurzel ist geblieben. Denn selbst die Füchse der Hölle vermögen nicht die Wurzeln einer Pflanze, die der himmlische Vater gepflanzt hat, auszurotten. Aber der Schaden ist geschehen; auf lange Zeit hinaus wird die einst so hoffnungsvolle Rebe nur wenig Frucht bringen.
Die Anwendung des Bildes ist nicht schwierig. In der stillen Einsamkeit der göttlichen Gegenwart lasst uns unsere Lektion lernen, mein Leser! Hat Gott dir Liebe zu den Seelen gegeben? Hat Er dir das Herz eines Hirten geschenkt? O suche dann Seelen für Christum zu gewinnen, suche sie zu schützen und zu ernähren, und wache mit Fleiß über die Schafe und Lämmer Seiner Herde! „Hütet die Herde Gottes, die bei euch ist, indem ihr die Aufsicht nicht aus Zwang führt, sondern freiwillig . . . Und wenn der Erzhirte offenbar geworden ist, so werdet ihr die unverwelkliche Krone der Herrlichkeit empfangen“ (1Pet 5,2-4).