Einleitung
Dieses Kapitel ist der „noch weit vortrefflichere Weg“, die Ausübung aller Gaben in der Kraft der Liebe. Das vollkommene Vorbild ist der Herr Jesus als Diener. Dieses Kapitel ist das Kapitel der Gesinnung des Dienstes. Daher sind alle Eigenschaften der Liebe hier persönlicher Art.
Eine Überschrift könnte sein: Johannes 13,34.35; 1. Johannes 3,11. In 2. Timotheus 1,7 wird der Geist Gottes der Geist der Kraft (1Kor 12), der Liebe (1Kor 13) und der Besonnenheit (1Kor 14) genannt.
Dieses Kapitel ist vielleicht das bekannteste in diesem Brief. Die Gefahr besteht, dass man deshalb kaum auf den Zusammenhang achtet, in dem dieses Kapitel steht. Es gehört unlösbar zum Vorhergehenden und Nachfolgenden (vgl. 12,31 mit 14,1). Wir lesen auch hier von den drei Gaben, die im vorigen Kapitel unsere Aufmerksamkeit gefunden haben: Sprachen (V. 1), Prophezeiung und Erkenntnis (V. 2). Alle drei werden noch einmal in Vers 8 genannt.
An anderer Stelle lesen wir, dass die Liebe aus Gott ist und dass jeder, der liebt, aus Gott geboren ist und Gott kennt (1Joh). Liebe ist das sichere Kennzeichen dafür, dass göttliches Leben vorhanden ist. Wir sind nicht nur Gegenstände dieser Liebe, sondern entsprechen auch völlig dieser Liebe. Die Liebe Gottes ist in unsere Herzen ausgegossen worden, um sich nun von dort aus weiter zu ergießen (vgl. Joh 7,38: Ströme lebendigen Wassers). Dann sind wir Nachahmer Gottes (Eph 5,1).
Echte Liebe ist nicht abhängig vom Verhalten anderer. Andererseits bleibt, dass wir immer nach der Liebe streben müssen (1Kor 14,1). – Menschliche Liebe ist wie ein Segelflugzeug. Es muss hochgezogen werden und es braucht Thermik. Sonst kann das Flugzeug nicht fliegen. Andernfalls stürzt es ab. Die göttliche Liebe ist wie ein Flugzeug mit Motor.
Einteilung
Der Wert und die Bedeutung der Liebe in der Ausübung der Gaben (V. 1–3)
Die Natur, Art und Eigenschaften der Liebe (V. 4–7)
Der bleibende Charakter der Liebe (V. 8–13)
Vers 1
Wenn ich mit den Sprachen der Menschen und der Engel rede, aber nicht Liebe habe, so bin ich ein tönendes Erz geworden oder eine schallende Zimbel: Der Beweggrund zur Ausübung jeder Gabe muss die Liebe sein, sonst ist alles umsonst. Es ist nicht so, dass ein Gegensatz zwischen den Gaben und der Liebe besteht. Es geht darum, auf welche Weise jemand seine Gabe ausübt. Paulus spricht in den Versen 1–3 immer in der Ichform. Wie leicht denken wir bei Ermahnungen vor allem an andere.
Wir finden hier die Liebe in Verbindung mit der Versammlung Gottes und dem Wirken des Heiligen Geistes in ihr ... Sie ist der Lebensodem der Kirche. Wo die Liebe nicht die alles bestimmende Macht im Geist ist, die besondere Nähe der Gläubigen zueinander und die Wirksamkeit der Gaben, bestehen die größten Gefahren (WK).
Sprachen der Menschen: Der Apostel beginnt mit dem Sprachenreden, weil es einen solch hohen Stellenwert in der Rangskala der Gaben bei den Korinthern einnahm. War es für sie die bedeutendste Gabe wie heute bei den Charismatikern? Jemand konnte die Sprachen der Menschen (d. h. alle Sprachen) sprechen. Doch die Fragen, die man sich stellen muss, sind:
Geschieht die Ausübung zum Nutzen der Versammlung?
Geschieht die Ausübung aus Liebe zu den Geschwistern?
Geschieht die Ausübung aus Liebe zum Herrn?
Sprachen der Engel: Die Korinther dachten wohl, dass sie in den Sprachen der Engel reden würden, also in Sprachen, die im Himmel gesprochen werden. Das muss nicht bedeuten, dass es Sprachen der Engel gab. Wieso dann Sprachen der Engel? Im Himmel hat es keine Sprachverwirrung gegeben. Da, wo Engel gesprochen haben, haben sie in menschlichen Sprachen gesprochen (1Mo 16; 2Mo 3; Ri 13,1-5; 2Kön 1,3; Sach 1,9ff; Mt 1; 2; Lk 1; 2; Apg 8,26; 10,3; 12,7).
Liebe [ajgavph]: Dieses Wort wurde zu der Zeit selten gebraucht. Es führte ein Schattendasein. Es war dadurch auch nicht mit allerlei Nebengedanken beladen. Die Bedeutung dieses Wortes lehrt uns der Heilige Geist (1Kor 2). Liebe ist Gottes Natur, sein Wesen (1Joh 4,8.16).
Die wichtigsten drei Wörter für Liebe sind eros, phileo, agape. Eros ist in der griech. Mythologie der Name des Gottes der Liebe, der Sohn der Aphrodite – im klassischen Griechisch für die Liebe zwischen den Geschlechtern, der Verliebten, der Liebe zwischen Mann und Frau. Phileo ist die Liebe zu Freunden, die Zuneigung, Liebe der Eltern zu den Kindern und umgekehrt, auch die Liebe der Bewohner zu ihrem Land. Agape ist die gebende Liebe, die einen Menschen ganz bestimmt.
Tönendes Erz – schallende Zimbel: Das sind beides Musikinstrumente, die im Orchester eine untergeordnete Rolle spielen. Sie fallen durch einen lauten Klang auf. Hier geben sie keinen Ton ab, sondern geben lediglich störende Geräusche von sich. Die Gabe behält ihren Wert, doch die Person, die sie ausübt ist bedeutungslos. Diese Instrumente spielten in der Götzenmusik seinerzeit eine wichtige Rolle, einfach, weil sie laut waren.
Alle drei Fälle hier sind hypothetisch, es gibt weder einen Menschen, der in allen Sprachen reden kann, noch einen, der alle Erkenntnis hat.
Nicht Liebe habe: Die Beispiele sind Extrempunkte. Wie oft mögen gemischte Motive vorliegen.