Und er betete zu dem Herrn und sprach: Ach, Herr, war das nicht mein Wort, als ich noch in meinem Land war? Darum bin ich erst nach Tarsis geflohen {w. Darum kam ich zuvor, indem ich nach Tarsis floh}; denn ich wusste, dass du ein gnädiger und barmherziger Gott {hebr. El} bist, langsam zum Zorn und groß an Güte, und der sich des Übels gereuen lässt: Hatte Jona nicht kurz zuvor eine wunderbare Errettung am eigenem Leib erfahren? Dachte Jona nun, nachdem Gott ihn ein zweites Mal nach Ninive sandte, dass er die Stadt tatsächlich richten würde?
Er betete: Wer zornig ist, sollte besser nicht beten. Allerdings betet er zum Herrn. Er kennt Gott als den Retter seines Volkes. Doch er will nicht, dass die Gnade, die das Volk Israel empfangen hat, auch den Völkern zuteilwird. Jona betet und macht Gott einen Vorwurf. Nun kommt er zurück auf sein freches Verhalten vor seiner Rettung aus dem Bauch des Fisches und rechtfertigt sein früheres Tun. Das ist der Gipfel der Frechheit. Gottes Gnade und Barmherzigkeit sind für Jona der Anlass, sehr zornig zu werden. Hier wird deutlich, wie der stolze, religiöse Mensch einen Abscheu davor hat, dass Gott Gnade und Barmherzigkeit übt. Das ist die Gesinnung des gottlosen Juden (1Thes 2,14-16). Solche Menschen würden Gott am liebsten vorschreiben, wo Er zu wirken und Gnade zu üben hat. Leider wird diese Gesinnung auch bei wiedergeborenen Menschen gefunden, wenn sie vom Fleisch beherrscht werden.
Sechsmal sagt Jona in diesem kleinen Gebet „Ich“. Je besser wir uns selbst kennenlernen, umso besser lernen wir Gott kennen.
Gnädig und Barmherzig: Jona gebraucht hier eine Beschreibung Gottes, der wir auch in 2. Mose 34,6 begegnen (vgl. 2Chr 30,9; Neh 9,17; Ps 86,15; 103,8; 111,4; 112,4; 116,5; 145,8; Joel 2,13). Sicher war Jona sich der kritischen Situation im Volk Gottes bewusst. Wie kann Gott sich angesichts der Sünde so verhalten? Mose durfte Gott von hinten sehen. Die Lösung des Geheimnisses liegt im Kreuz von Golgatha (vgl. Ps 85,10). Jona gebraucht diese Worte in einem völlig anderen Sinn, als Mose das tat. Mose nimmt die Schuld auf sich und tritt für das Volk ein. Elia klagte das Volk Gottes an. Darin gleicht Jona Elia.
Elia musste neu die Gnade kennenlernen (auf dem Berg Horeb), und zwar die säuselnde Stimme, nicht das Feuer, auch nicht den Donner oder das Erdbeben. Die Gnade ist sanft und erquickend. – Mose hat die Lektion auf dem Horeb gut verstanden, wie aus 4. Mose 14,11-20 deutlich wird.
Einige Jahrhunderte später sehen wir, wie der Überrest sich auf die Gnade Gottes beruft (Neh 9,17; siehe auch Ps 103,7.8). Was für einen Lobgesang Gottes drücken alle diese Stellen aus. Wie merkwürdig nimmt sich da das Gebet Jonas aus.