Einleitung
Dieser Psalm leitet über zum vierten Psalmbuch, zum König des Reiches, das bald in Erscheinung treten wird.
Wir müssen in diesem Psalm zwischen verschiedenen Bündnissen Gottes unterscheiden:
dem Bund, den Gott mit Noah und der Erde geschlossen hat – dieser Bund geht einseitig von Gott aus (1Mo 9)
dem Bund, den Gott mit Abraham geschlossen hat – dieser Bund geht ebenfalls einseitig von Gott aus (1Mo 22)
dem Bundes des Gesetzes, der auf der Verantwortung des Menschen ruht (2Mo 20-24)
dem Bund, dem Gott mit David geschlossen hat – wobei die gewissen Gnaden Davids unbereubar sind, der Bund mit seinen Nachkommen, sich aber auf die Verantwortung des Menschen gründet – Salomo hat den Bund übertreten (vgl. V. 4).
dem neue Bund, der sich auf die Treue Gottes gründet (Jer 31-33)
Wir haben gesehen, dass Psalm 88 Israel in der Gegenwart des Herrn (beladen mit der Schuld, Ihm treulos gewesen zu sein) und unter dem Gericht des Herrn darstellt, indem es das Bewusstsein seines Zorns hat und doch Glauben an den Herrn selbst offenbart. Das ist eine Stellung, die Christus in ganz besonderer Weise eingenommen hat, obwohl natürlich für andere, insbesondere für Israel, aber nicht für Israel allein. Psalm 89 beschäftigt sich mit der anderen Seite der Beziehung des Herrn zu Israel (nicht zu der Nation, dem Israel unter dem Gesetz), mit den Verheißungen, die der Herr David gegeben hatte. Man beachte, dass hier nicht die Schuld im Vordergrund steht (gewiss war sie in beiden Fällen die Ursache des besprochenen Zustandes), sondern der Zorn, anstatt des Heils. Denn der Herr war Israels Heiland gewesen, und so betrachtete der Glaube Ihn noch, und dennoch verließ Er Israel, anstatt die David gegebene Verheißung zu erfüllen. Hier findet man keine Spur von Sündenbekenntnis.
Im vorigen Psalm klagt der Überrest über den Tod und den Zorn; hier, wo die Güte auf ewig gebaut werden sollte, sehen wir, dass der Bund verworfen und die Krone entweiht ist. Der Prophet Jesaja rechtet mit Israel, um es von seiner Schuld zu überzeugen: Erstens haben sie sich gegen den Herrn verschuldet, weil sie Götzenbilder hatten (Jes 40-48); zweitens haben sie Christus verworfen (Jes 49-57). Aber hier haben wir Israels Klage gegen den Herrn selbst, nicht, denke ich, in unheiliger Weise als Tadel, sondern als eine Berufung auf Ihn selbst aufgrund dessen, was Er für Israel gewesen war. Wie wir gesehen haben, ist der Herr hier damit beschäftigt, diese Beziehungen wiederherzustellen.
Israel ist Israel und es befindet sich im Land (siehe Ps 85). Die Nationen sind da – alles ist nicht wiederhergestellt; das letzte Bündnis der Völker ist in Sicht, aber es richtet sich gegen Israel. „Gott steht in der Gemeinde Gottes, inmitten der Götter richtet Er“ (Ps 82,1). Der Herr hat seiner früheren Gnadenerweisungen gedacht (Ps 81,9-15). Die Bundeslade wird erwähnt, und es wird gesagt, dass Gott zwischen den Cherubim wohnt, wie einst in der Wüste (Ps 80). Mit einem Wort, das ganze Buch zeigt die Lage eines Volkes, das zwar im Land wiederhergestellt ist, aber angegriffen wird und zerstreut ist, während der wiederaufgebaute Tempel verwüstet und abgebrochen ist (Ps 74-76; 79). Es ist nicht nur ein jüdischer Überrest, der über die antichristliche Bosheit von Menschen klagt, mit denen er äußerlich verbunden oder von denen er vertrieben ist, sondern es ist Israel, das Volk (repräsentiert durch den Überrest), umgeben von Feinden, die zerstören, was ihm wertvoll ist.
Es wird ermuntert durch Prophezeiungen bezüglich des endgültigen Ausgangs und unterwiesen betreffs der in David verliehenen unumschränkten Gnade, als es in seiner Treue als Volk gefehlt hatte (Ps 88 und 89); es ist das Volk, das zu Gott (Elohim), im Gegensatz zum Menschen, emporblickt zu dem Höchsten, aber mit Gebet zum Herrn zurückkehrt (da es von Ägypten her sein Eigentum ist) und bittet, dass seine Hand auf dem Menschensohn sein möge, dem Reis,9 das Er sich gestärkt hatte (Ps 80). Mit einem Wort, das ganze Buch zeigt uns Israel, wie es die Grundlage eines Volkes einnimmt, sich tatsächlich im Land befindet und einen Tempel hat, wie es durch den Glauben in die Beziehung des Bundes eintritt, aber zerstörenden Einfällen feindlicher Mächte ausgesetzt ist – Einfällen des Assyrers und seiner Verbündeten, zu denen, weil sie Erfolg haben, das Volk sich hinwendet (Ps 73,10); denn Jesaja 10,5-23 ist noch nicht erfüllt (vgl. Jes 18, besonders die V. 5–7).
Die beiden letzten Psalmen des Buches stellen den ganzen Druck vor, den diese Sachlage auf den Geist der Treuen ausübt. Statt eines gesegneten Volkes finden wir Verlassensein unter dem Zorn. Dennoch ist der Herr der Gott ihrer Rettung. Der Thron ist zur Erde gestürzt und entweiht, obwohl unveränderliche Verheißungen, dass er durch Fehltritte nicht beseitigt werden solle, dem David gegeben worden waren. Das Ergebnis zeigt sich in dem folgenden Buch in der Offenbarung des Herrn, in der Einführung des Eingeborenen in die Welt. In diesem ganzen Buch befinden wir uns auf prophetischem Boden im Blick auf Israel, es beschreibt nicht die besondere Lage, in die der Überrest infolge der Verwerfung Christi hinsichtlich des Antichrists kommen wird. Daher treten dessen Leiden weit weniger hervor als da, wo von dieser Lage die Rede ist. Dies war im ersten und zweiten Psalmbuch der Fall. Wir finden darum auch in den folgenden Büchern bei den Gläubigen die Erkenntnis, dass der Herr ihre Wohnung gewesen ist von Geschlecht zu Geschlecht. Ihre Geschichte endet mit der Erscheinung des Herrn-Messias in Herrlichkeit.
Schließlich noch einige Worte über die Einzelheiten in Psalm 89. Er redet von den Gütigkeiten des Herrn (seiner Huld für Israel) und ihrer Unveränderlichkeit – von den sicheren (o. zuverlässigen Gnaden Davids – Jes 55,3; Apg 13,34). Es war Glaube vorhanden, um zu sagen: „In Ewigkeit wird die Güte gebaut werden“ (V. 3), denn das war Gnade. Daher konnte man sich auch auf Gott berufen, wie vorhin erwähnt. Bis wann sollte es anders sein? Ja, anscheinend auf immer! Der Herr war treu; denn der Gläubige hatte im Glauben gesagt: Die Huld, die offenbarte Güte, wird auf ewig gebaut werden; und die Treue war da festgestellt, wo nichts sie antasten konnte.
Und so wird es sein, wenn Satan aus dem Himmel hinabgeworfen ist. Es ist die wahre Beschreibung des Tausendjährigen Reiches. Danach berichtet der Psalmist von dem Bund, der ursprünglich mit David geschlossen worden war und der Ausdruck der Güte ist, dem gegenüber dem Herrn treu sein musste: die sicheren Gnaden Davids. Dann beginnt er von neuem, den Herrn zu preisen (V. 6–19), indem er an die frühere Errettung aus Ägypten erinnert und daran zurückdenkt, dass das Lob des Herrn notwendigerweise hervorkommt aus dem, was Er ist, und aus der Segnung des Volkes, das den Jubelschall kennt. In seinem Namen würden sie den ganzen Tag frohlocken, und durch seine Gerechtigkeit (denn wir befinden uns hier auf der Grundlage der Gnade) erhöht werden. Er ist die Zierde ihrer Stärke, und durch seine Gunst wird ihr Horn erhöht werden.
Das ist die Segnung, die in der Verbindung mit dem Herrn in Gunst gefunden wird. Doch diese Segnung beruhte in den sicheren Gnaden Davids. Und wie soll diese erfüllt werden? Der Herr, der Heilige (kodesch) Israels, ist ihr König. Aber dann hatte Gott nicht von einem kodesch, sondern von einem Frommen (chasid) geredet, in dem all die Gnaden (chasdee) vereinigt sein würden (dasselbe Wort im Plural wie chesed, Gnaden), alle Barmherzigkeiten wären in Ihm konzentriert, in dem die unwandelbare Treue gezeigt würde – die sicheren Gnaden Davids. Lies „zu deinen Frommen“ (chasid) in Vers 20. Dann kehrt der Psalmist zu dem Bund zurück, der mit David geschlossen war, der niemals geändert werden würde (V. 35–38). Doch alles war anders. Und da war Glaube, gegründet auf diese Verheißung, zu sagen: „Bis wann, Herr?“ Wenn Er sich für immer verbirgt, und sein Grimm brennt wie Feuer, was ist der Mensch, um das zu ertragen und nicht in den Tod hinabzusinken (V. 48)?
Der Treue beruft sich auf die früheren Gütigkeiten gegenüber David, insofern sie sich auf David selbst bezogen. Ich zweifle jedoch ich nicht daran, dass die Verse 51 und 52 auf alle Treuen anwendbar sind. Der Geist Christi tritt hier allerdings ein, wie Er es auch bei dem Zorn tat, um die ganze Wirklichkeit der Last auf sich zu nehmen. An jenem Tag wird Er natürlich nichts leiden, aber Er hat diesen Tag der Leiden im Voraus empfunden, damit sein Geist in seinem Volk reden könne wie mit seiner Stimme; denn der Hohn der Mächtigen und Abtrünnigen wird an jenem Tag die Fußstapfen des Gesalbten Gottes verhöhnen. Und wenn die Treuen in diesen Fußstapfen wandeln, so werden sie von dem Hohn seitens der Feinde des Herrn ihr Teil zu tragen haben. Das wird dann ihre Lage sein – sie wandeln in den Fußstapfen des Herrn, sie warten auf die israelitische Segnungen des Bundes, sie empfinden den Zorn, jedoch im Glauben, aber sie blicken auf die David in Gnade gegebene Verheißung (die an sich selbst schon nichts als Gnade war, denn die Bundeslade war fort, und Israel war Ikabod, das ist Nicht-Herrlichkeit, geworden) und erwarten die Antwort. Diese findet sich im folgenden Psalmbuch. Wir befinden uns hier, wie bereits gesagt, in prophetischen Zeiten, inmitten der von Jesaja beschriebenen Ereignisse, die mit dem Assyrer und einem verwüsteten Tempel in Verbindung stehen. Die Bösen sind da: Das Volk strömt ihnen zu, weil sie Gedeihen haben. Wenn wir diese Umstände im Buch Daniel suchen, so müssen wir uns Daniel 8 zuwenden, nicht Daniel 7! Das Tier und der Antichrist sind nicht auf dem Schauplatz; es geht um das Land, um das schuldige Israel und die Verheißungen, nicht aber um die Verwerfung Christi. Mit diesem Psalm schließt das dritte Psalmbuch (JND).
Einteilung
Überschrift (V. 1)
Die Gnade und Treue Gottes und Davids ewiger Thron (V. 2‒5)
Der Thron, der über Davids Thron steht (V. 6–19)
Die sicheren Gnaden Davids (V. 20–38)
Wo sind die sicheren Gnaden Davids? (V. 39–46)
Die Hoffnung der Auferstehung (V. 47‒53)
Vers 1
Ein Maskil {d.i. viell. Unterweisung (o. Lehrgedicht)}. Von Ethan, dem Esrachiter: Wie Heman war auch Ethan ein Levit, und zwar ein Esrachiter, das heißt ein Sohn Serachs (1Chr 2,6), ein von David bestellter Sänger im Heiligtum.
9 Vergleiche die Verbindung und den bemerkenswerten Gegensatz zwischen dieser Stelle und Johannes 15.↩︎
Die Gütigkeiten des Herrn will ich besingen in Ewigkeit, von Geschlecht zu Geschlecht mit meinem Mund kundmachen deine Treue: Gottes Güte (oder Gnade) und Treue will der Psalmist besingen und kundmachen. Dieser Psalm zeigt uns etwas völlig anderes, als der vorhergehende Psalm 88, wo der Psalmist unter einer schweren Last seufzte, unter der richtenden Hand Gottes. Psalm 89 ist ein Lobgesang des gnädigen Handelns mit dem Volk Israel.
Gütigkeiten: Die Güte oder die Gütigkeiten, oder die Gnade des Herrn ist so unendlich groß, dass sie nur in alle Ewigkeit besungen werden kann. Fast ist man geneigt, dass auch das noch nicht ausreicht.
Ewigkeit / ewig: Kommt achtmal in diesem Psalm vor (V. 2.3.5.29.30.37.38.53).
Deine Treue: Kommt in diesem Psalm siebenmal vor (V. 2.3.6.9.25.34.50). Der Herr ist absolut zuverlässig, unendlich langmütig, ein vergebender Gott.
Von Geschlecht zu Geschlecht: Dieser Gesang findet bereits jetzt auf der Erde seinen Anfang und geht weiter über alle Gottesfürchtigen Geschlechter.
Es ist Gottes ausdrücklicher Wille, dass wir dankbar sind (1Thes 5,18); der Herr Jesus hat uns zu Anbetern seines Vaters gemacht (Joh 4,23-24).