Einleitung
Das Abfassungsdatum ist nicht bekannt. Prophetisch werden hier die Nöte und Bedrängnisse der Treuen in der Zeit der großen Drangsal beschrieben.
Es ist möglich, dass David diesen Psalm geschrieben hat, nachdem er mit Bathseba gesündigt und ihren Mann ermordet hatte.
Die Psalm 38 und 39 tragen, wie bereits gesagt, einen besonderen, deutlich ausgeprägten Charakter. Bisher haben wir gesehen, wie die Aufrichtigen nach Rettung ausschauten und verlangten, und dass ihnen die Vergebung der Sünden als Segnung gewährt wurde. In diesen beiden Psalmen jedoch liegt die Vergeltung vonseiten der Regierung Gottes für die Sünden schwer auf dem Überrest. Er empfindet, warum er von der Hand Gottes leidet. In Psalm 6 flehten die Gläubigen, dass Er sie nicht in seinem Zorn strafen möge; sie fürchteten, dass dies vielleicht ein Teil der Trübsal sei, die zu ihrer Stellung gehöre. Aber hier befinden sie sich völlig unter der Strafe um der Sünde willen: Die Rute hat die Herde von außen, doch auch innerlich getroffen. Es handelt sich um jeden einzelnen persönlich, obwohl es immer der Überrest ist.
Die Freunde schrecken vor einer solchen Plage zurück; die Feinde sind ohne Mitgefühl und verbünden sich gegen den Gläubigen und trachten nach seinem Leben. Dennoch ist der Gerechte vor dem Herrn mit all seinem Begehr und seinem Seufzen. Sein Herz ist aufrichtig vor Gott und erkennt Ihn an, aber vor den Menschen ist er wie ein Stummer. Die Trübsale kommen für ihn vom Herrn; und zu Ihm wendet er sich, und das zurecht (V. 13–16). Er beugt sein Haupt und unterwirft sich. Seine Feinde sind tätig und stark. Doch obwohl der der Herr den Gläubigen schlägt, vertraut er auf Ihn; denn der demütige Gläubige erkennt an, dass die Strafe gerecht ist. Doch er darf erwarten, dass er von seinen Feinden befreit werden wird. Sie freuten sich, wenn sein Fuß wankte. Er aber bekennt seine Ungerechtigkeit und erkennt seine Sünde an: Er beschönigt seine Sünde nicht und verbirgt sie nicht vor Gott. In Ihm ruft er zu Gott, dass Er ihm zu Hilfe eilen möge.
Dieser Psalm ist, was ihren inneren Zustand betrifft, überaus schön. Der Geist Gottes hat für jeden Fall vorgesorgt, sogar für den Fall, dass der Aufrichtige gefehlt hat, was vielleicht eine schwere Züchtigung über ihn bringt und die Veranlassung wird, dass die Gottlosen sich über ihn freuen. Aber der Aufrichtige nimmt die Strafe für seine Ungerechtigkeit an und stellt sich aufrichtig vor Gott hin, er erkennt seine Sünde an, aber zugleich vertraut er im Blick auf seine Feinde auf Ihn. Wie traurig ein solcher Fall auch sein mag, so bringt doch nichts die Aufrichtigkeit vor Gott und das Vertrauen auf Ihn mehr zum Vorschein. Wie soll man seine Sünde bekennen und Hilfe von Gott erwarten, wenn man untreu gewesen ist, Ihn verunehrt hat und der Feind nun darüber frohlockt? Da gibt es keine Entschuldigung, kein Versuch, etwas zu verbergen – nichts von alledem. Der Gläubige erkennt alles an und übergibt sich den Händen Gottes. Ohne das würde die Schilderung des Überrests nicht vollständig gewesen sein, ebenso wenig wie die Unterweisungen der Gnade für jede Gläubigen zu aller Zeit.
Nun kommt die Frage auf: Wie weit tritt der Geist Christi in den hier geschilderten Zustand ein? Ich glaube, völlig, obwohl Christus persönlich selbstverständlich nie darin gewesen sein kann. Ohne Zweifel ist der Psalm eine Antwort auf eine ernste Züchtigung des Schreibers, einer Züchtigung, die vor allen offenbar war. Solche Fälle mögen in ihrem ganzen Umfang unter dem Überrest vorkommen. Der Grundsatz ist allgemein anwendbar. Bei Christus konnte natürlich nichts sein, weshalb Er hätte gezüchtigt werden können, aber weil Er die Sünde in ihrer ganzen Tragweite vor sich hatte und auf seinem Weg der ganzen Trübsal, die das Volk treffen wird, begegnete, konnte Er, obwohl Er das grüne Holz war, in das gesamte Gericht hineingehen, das über das dürre Holz kommen wird.28 Er konnte das sagen nicht, was hier gesagt wird, aber Er kann völlig mit denen empfinden, die es sagen müssen. Er hat die passenden Worte vorbereitet, die das durch seinen Geist in ihren Herzen ausdrücken werden. Wenn Er nicht den ganzen Zorn gerade für diese Sünden, die auf ihrem Gewissen lasten, getragen hätte, diesen Zorn, dem sie (in seinem ganzen Umfang) als Grimm betrachtet entrinnen, so würde nicht nur Züchtigung nötig gewesen sein, in der sie vor dem Herrn ihr Herz ausschütten. Daher kann Christus, wenn die Trübsal diesen Charakter trägt, mehr tun, als sie empfinden. Er hat von all den schmerzlichen Umständen den größten Teil getragen (JND).
Einteilung
Überschrift (V. 1)
David erkennt seine Sündhaftigkeit (V. 2‒11)
Die nahen Verwandten stehen fernab (V. 12)
Feine wollen David ermorden (V. 13)
David ist sehr gebeugt (V. 14.15)
Vertrauen auf Gott, die Feinde, seine eigene Ungerechtigkeit, Bitte um Rettung (V. 16‒23)
Vers 1
Ein Psalm von David zum Gedächtnis: Wollte David sich mit diesem Psalm auch später an seine Erfahrungen erinnern? Es ist auch gut, dass jeder Gläubige sich an die wichtigen Belehrungen dieses Psalms erinnert.
28 Obwohl das dürre Holz im vollen Sinn des Wortes das leblose Israel ist, werden doch die Gläubigen des Überrests, die so lange Jesus, den Messias, verworfen haben, da sie mit der Nation vermengt sind, in ihrem Herzen und Ihrem Geist ebenfalls die Trübsale durchmachen, die über die Nation kommen, mit Ausnahme des Endgerichts vonseiten Gottes. Das hat Christus für sie getragen; Er starb für die Nation. Aber mit Ausnahme dieses Gerichts gehen sie durch alles, und empfinden in bitterem Schmerz und großer Angst in gewisser Beziehung vorher mehr, als wenn das Gericht kommt, weil sie das Empfinden der Sünde haben, die es verursacht. Daher konnte Christus, der die Ursache des Gerichts kannte und das Gericht voraussah, durch das Er gegangen ist, völlig in ihre Lage eintreten. Er ging durch die Bedrängnis, ohne irgendwelche Befreiung zu sehen, weil die Stunde gekommen war, in der Er unter die Gesetzlosen gerechnet werden musste. Obwohl Er in Liebe in ihre Lage eintrat, stand doch die Gerechtigkeit vor Ihm, die Israel bedrohte.↩︎