Einleitung
In den Psalm 16 und 17 finden wir den Herrn Jesus, in Psalm 17 auch den Überrest. In Psalm 18 singt der Messias prophetisch das Lied des Jubels dafür, dass Gott Ihn aus der Bedrängnis und dem Tod errettet hat.
Dieser Psalm zeigt uns die Verbindung Christi mit der ganzen Geschichte Israels, und insbesondere Christus, wie Er in die Leiden des Todes eintrat; jedoch nicht in die sühnenden Leiden, diese finden wir in Psalm 22. Wir sehen die Befreiung Israels und das Gericht, das zugunsten Israels am Ende der Tage auf der Erde ausgeübt wird, und zwar in seiner Verbindung mit dem Recht, das Christus auf die Ausführung hat. Natürlich war hierzu die Versöhnung unumgänglich nötig; doch unter diesem Gesichtspunkt werden die Leiden Christi hier nicht betrachtet. Gott hat sein Wohlgefallen an Ihm. Er antwortet Ihm nach der Reinheit seines Herzens und errettet den leidenden Überrest, in dessen Leiden Christus eingetreten ist. Mit einem Wort: Christus ist der Mittelpunkt der Rettungen Israels. Er ist die Ursache ihrer Rettung aus Ägypten und auch ihrer völligen und endgültigen machtvollen Erlösung in den letzten Tagen. Zugleich ist Er ihr persönlicher Erretter. Er ist abhängig vom Herrn, Er wird erhört, und seine Leiden werden uns beschrieben. Doch am Ende führt Er durch die Macht des Herrn die Rettung seines Volkes herbei, und dann ist Er der treue Zeuge der Güte Gottes an „seinem Gesalbten, David und seinen Nachkommen in Ewigkeit“ (V. 51). Die Güte, von der hier die Rede ist, ist nicht einfach göttliche Barmherzigkeit, wie wir sie Sündern vorstellen würden, sondern vielmehr eine offenbarte und genossene Gunst und Gnade, so dass dieser Ausdruck sogar zur Bezeichnung der Frömmigkeit im Menschen gebraucht wird.
Diese Güte wird besonders in Psalm 89 besungen, wo das Wort auf Christus persönlich angewandt wird, weil all diese Gütigkeiten in Ihm ihren Mittelpunkt finden. Er ist der Fromme (V. 20). Darum werden die Segnungen, die Israel am Ende zuteilwerden (und nicht nur Israel, sondern auch all denen, die sie dann genießen werden), mit demselben Wort bezeichnet, nämlich: „Die sicheren Gnaden Davids“ (Jes 55,3), bestätigt durch einen ewigen Bund, und wie der Apostel zeigt, tatsächlich durch die Auferstehung Christi sichergestellt (Apg 13,34). Durch die letztgenannte Stelle wird die in Psalm 18 hervortretende Verbindung dieser Gnade mit den Leiden Christi im Tod sehr deutlich gemacht.
Dieser Psalm versieht uns auch unmittelbar mit einem schriftgemäßen Muster und Beispiel eines sehr wichtigen Grundsatzes, der für alle Psalmen, was ihre Natur betrifft, zutrifft, und gibt uns dadurch einen Schlüssel in die Hand zum Verständnis des allgemeinen Charakters und der Form der Psalmen. Wir sehen nämlich in 2. Samuel 22, dass David diesen Psalm bei Gelegenheit seiner Rettung aus der Hand aller seiner Feinde und aus der Hand Sauls gesungen hat.
Es ist aber klar, dass die Worte des Psalms sich keineswegs auf irgendwelche Ereignisse aus dem Leben Davids beschränken, oder dass der Geist Gottes hauptsächlich das vor Augen hat, was dem schon gesalbten Dulder begegnete, der die Veranlassung zu dem Psalm war. Der Geist Gottes benutzt vielmehr die Umstände (die ein augenblickliches persönliches Interesse für den haben, den Er nur als Prophet gebraucht) als eine Gelegenheit, um den viel ausgedehntere Szene vor uns zu enthüllen, deren Mittelpunkt allein Christus sein kann, wodurch Er uns zugleich die Erklärung des ganzen Psalms gibt. Angesichts dieser weitergehenden Anwendung des Psalms bilden die unmittelbaren Umstände nur ein Bindeglied (wenn auch vielleicht von großem Interesse) in der Kette, die hinaufreicht bis zu der vollen Offenbarung Gottes und dem herrlichen Endergebnis seiner Wege.
So war es mit allen Propheten, nur dass diese mehr persönlich weissagten. Der feindliche Einfall Sanheribs diente beispielsweise als Veranlassung, den Assyrer der letzten Tage herbeizuführen (Jes 37). So fanden die Prophezeiungen allerdings eine höchst wichtige Anwendung auf die damalige Zeit und wurden das Werkzeug der damaligen Regierung Gottes. Doch sie waren zugleich die Offenbarung jener Ereignisse der letzten Tage, die hier auf der Erde stattfinden werden inmitten derselben Völker und Nationen, unter denen die Regierung Gottes völlig und endgültig offenbart werden wird. Die Weissagungen sind nicht „von eigener Auslegung“ (2Pet 1,20), sondern bilden einen Teil des allgemeinen Planes der Regierung Gottes.
In den Psalmen verschwinden der Schreiber und die unmittelbare Veranlassung zuweilen fast ganz, nie bilden sie das Hauptthema, obwohl sie in solchen Stellen nicht unbeachtet bleiben dürfen, wo die Worte des Psalms der Ausdruck persönlicher Empfindungen und nicht die Offenbarung objektiver Tatsachen sind. Im letzten Fall finden die Umstände, in denen sich der Schreiber befand, nur geringe Anwendung. Die Psalmen lassen notwendigerweise den Redenden mehr hervortreten, als dies in anderen Teilen der Prophezeiung der Fall ist. Wir werden jedoch finden, dass der Heilige Geist sich der Gefühle des Redenden bedient, um dadurch für andere eine Hilfsquelle zu breiten. Obwohl Er diese Gefühle beherrscht, in dem Schreiber wirkt und ihn durch seine Macht weit über das hinausführt, was die Umstände ihm hätten in den Mund legen können. Diese Gefühle, die in ihrer Natur den Umständen entsprechen, die den Psalm hervorgerufen haben, waren für den Heiligen Geist nur eine Gelegenheit, um durch ihn ein göttliches Instrument zu schaffen, durch das den Gefühlen in künftigen Tagen die richtige Leitung gegeben wird, oder die Empfindungen Christi, indem Er die Sache seines Volkes auf sich nahm, offenbart werden sollten. Diese Empfindungen konnten auch die des Schreibers sein, wie es oft der Fall war, wenn es sich einfach um Frömmigkeit handelte. Doch in allen Fällen sind die Worte, die uns mitgeteilt werden, durch den Heiligen Geist vorbereitete Vorsorge für künftige Tage, oder aber eine Weissagung, die sich auf Christus selbst und seinen Anteil an den Wegen Gottes mit Israel bezieht, und die – wenn wir das Buch der Psalmen im Ganzen betrachten –, sich bis auf die völlige und unverhüllte Verherrlichung der Endergebnisse erstreckt.
Psalm 18 behandelt, wie schon gesagt, die ganze Geschichte Israels und redet in einer Weise, als ob die Befreiung vom Druck der feindlichen Macht bereits vollbracht sei; besonders aber verherrlicht er den Herrn selbst, den Retter, betont jedoch dabei immer die Abhängigkeit des Redenden vom Herrn. Das ist das Thema dieses Psalms. Dann erwähnt er, wie es gewöhnlich in den Psalmen geschieht, alle Umstände, die den Gläubigen zu dem geführt haben, was in den ersten Versen verkündet wird. Christus wird uns vorgestellt: Er ist umgeben von den Leiden des Todes und bedrängt von der Rotte der Übeltäter; die Fesseln des Scheols umringen Ihn, die Falltricke des Todes ereilten Ihn. Ich zweifle nicht daran, dass wir wörtlich hier das ausgedrückt finden, was David empfunden hat, wie es auch Vers 51 zeigt. Doch, wie oben gesagt, dient es nur als Anlass zu dem Psalm; sein Inhalt bezieht sich auf Christus. Wie in Gethsemane geht Er durch die Schrecken des Todes. Das ist die Grundlage von allem Übrigen.
Dann folgen die Ausdrücke der Abhängigkeit und des Flehens. In seiner Bedrängnis ruft Er zum Herrn und schreit zu seinem Gott. Der Herr hört seine Stimme als der, der in der Mitte Israels wohnt, und sein Schreien kommt vor Ihn. Dann werden uns die Folgen dieser Erhörung vorgestellt. Christus stellt hier nur Israel vor; mit der Versammlung haben wir hier nichts zu tun. Die Verse 7–16 zeigen uns die Befreiung Israels aus Ägypten durch die mächtigen Taten des Herrn. Aber für Israel gab es noch andere Schwierigkeiten: Die Macht seiner Feinde, die ihm dem Fleisch nach weit überlegen waren, musste zerstört werden. Auch das ist geschehen, und Israel wurde in ein reiches Land gebracht.
Dies führt uns zu einem anderen Thema, nämlich zu der Gerechtigkeit, an der Gott Wohlgefallen hat, und die, obwohl sie vollkommen und unbeschränkt nur bei Christus als Mensch auf der Erde zu finden war, doch auch den treuen Überrest Israels kennzeichnen wird, indem die Liebe zum Gesetz Gottes in ihre Herzen eingeprägt sein wird. Dieses Thema wird vom Ende von Vers 19 bis Vers 26 behandelt. Christus ist die Grundlage von alledem, doch nimmt Er hier seinen Platz in Verbindung mit dem Zustand und den Leiden seines Volkes ein. Er ist Israel im Geist, und deshalb müssen wir uns auf den Standpunkt des Überrests und Davids selbst stellen, während der ganze Wert seiner Vollkommenheit für die Gläubigen vor den Augen Gottes ist, seine Vollkommenheit, dessen ganzes Leben in seiner Beziehung zum Überrest vor Gott wohlgefällig war. Denn wenn auch Christus in der Ihm eigenen Vollkommenheit in diese Stellung des Überrests eintrat, um ihnen den Wert dieser Vollkommenheit vor Gott zu geben, damit auch sie vor Ihm angenehm seien, ist doch der Zustand derer, denen diese Vollkommenheit zugerechnet werden soll, so, wie er uns in diesem Psalm vor Augen gestellt wird.
Daher finden wir hier den Ausdruck: „Ich … hütete mich vor meiner Ungerechtigkeit“ (V. 24). Dieser Ausdruck ist, wenn es sich um die Frage des buchstäblichen Gebrauchs der Psalmen handelt, sehr wichtig. Christus hätte sagen können: „Ich … hütete mich vor Ungerechtigkeit“, aber nicht im persönlichen Sinn: „vor meiner Ungerechtigkeit“. Doch der Geist der Gottesfurcht (der Geist Christi), der so in den Treuen des Überrests wirkt, bewahrt sie davor, dem Fleisch zu folgen. Sie erkennen an, dass, wenn Israel abgewichen ist (und das Volk in seiner Gesamtheit ist abgewichen), diese Bosheit grundsätzlich die Ihre ist, so sind sie in sich selbst. Allerdings sind sie davor behütet worden, und das ist Wahrheit im Innern, gerade das, was Gott sucht.
Die Regierung Gottes wird uns hier in ihren unwandelbaren Grundsätzen klar vorgestellt (V. 26.27). Da nun Christus sich der Sache des Überrests angenommen hat, indem Er sich mit diesen Herrlichen der Erde einsmachte, so ist der ganze Wert dessen, was Gottes Wohlgefallen an Ihm hervorrief und was sich durch die Gnade in ihnen wieder zeigt, der Grund ihrer Annahme bei Gott, obwohl der eigentliche Grund ihre Versöhnung ist. In den Gläubigen offenbaren sich allerdings diese Rechtschaffenheit und diese göttliche Natur darin, dass sie vor ihrem natürlichen Weg bewahrt bleiben. Daneben gibt es einen anderen Teil dieser Regierung, nämlich die zärtliche Fürsorge für die Elenden, wodurch diese gerettet werden und aller Stolz des Menschen erniedrigt wird (V. 28). Die Finsternis wird erhellt werden; ja, für den Gerechten geht das Licht in der Finsternis auf.
Ein anderes Bild entfaltet sich jetzt vor uns: Macht tritt auf den Schauplatz zugunsten des Überrests. Und wie Christus im Anfang des Psalms an der Drangsal teilnahm und wir dann die Gläubigen in ihrer eigenen Stellung sahen, worin jedoch Christus nicht von ihnen getrennt ist, soweit es seine Anteilnahme und seine Beziehung zu ihnen betrifft (denn es handelt sich hier nicht um das Einssein; das ist das Teil der Versammlung), so muss auch hier Christus in Person die Macht ergreifen, ähnlich wie wir Ihn im Markusevangelium sowohl mit dem Säen als auch mit der Ernte beschäftigt sehen, während die dazwischenliegende Zeit vergeht, ohne dass sein persönliches Eingreifen oder seine offensichtliche Fürsorge sichtbar wird, obwohl Ihm die Ernte immer gehörte. Gottes Wort hat sich durch alles hindurch als fest erwiesen, und der Herr selbst ist allen ein Schild gewesen, die auf Ihn trauen. Jetzt aber gibt Er seinem Gesalbten Kraft und Sieg für Israel (V. 30) bis zum Ende des Psalms. Ohne Zweifel ist es die Sprache Davids, aber in Wirklichkeit haben wir hier die Einführung des Reiches Christi.
Wenn der allgemeine Charakter des letzten Teiles unseres Psalms verstanden ist, genügen wenige Bemerkungen, um die Einzelheiten hervorzuheben. Der Hauptzug dieses Teiles ist Sieg, ein Sieg, dem nichts zu widerstehen vermag. Nur in Vers 44 sind einige Besonderheiten zu beachten. Hier werden drei Klassen von Personen erwähnt: (1) das Volk, aus dessen Streitigkeiten Christus errettet ist; (2) die Nationen, zu deren Haupt Er gesetzt ist; und dann (3) ein bis dahin unbekanntes Volk, mit dem Er, weil Er sich in Israel befand, noch nicht in Beziehung stand, das Ihm dienen wird. Das heißt, der Messias ist aus den Streitigkeiten der aufrührerischen, gottlosen Juden errettet, Er ist zum Haupt der Nationen gesetzt, und dann wird ein bis dahin unbekanntes Volk Ihm dienen, weil es Ihm nunmehr als Volk angehört. Die Unterwerfung wird unmittelbar erfolgen, so überwältigend werden seine Macht und Herrlichkeit dann sein. Sogar diejenigen, die nicht wirklich aufrichtig sind oder wenigstens keinen Beweis davon gegeben haben, werden Ihm ohne weiteres gehorchen; jedes Knie wird sich vor Ihm beugen. So wird es im Tausendjährigen Reich sein; der Herr wird wieder anerkannt werden.
Nachdem wir Israel, oder doch die Juden, durch alle Schwierigkeiten des Weges begleitet haben, befinden wir uns jetzt gleichsam wieder vor dem ursprünglichen Thema unseres Psalms. Den Antichrist finden wir darin nicht; der einzige Ausdruck, der sich vielleicht auf ihn beziehen könnte, ist das Wort „Mann der Gewalttat“ in Vers 49. Ich denke jedoch, dass es sich um einen auswärtigen Feind handelt, weil der Befreite des Herrn unter den Nationen lobt, während er die Ausrottung des Antichrists unter den Juden feiern würde.
Es ist beachtenswert, dass Christus hier, obwohl Er von Gott mit Kraft bekleidet ist, als der abhängige Mensch auf der Erde gesehen wird, sowohl in seinen Leiden als auch in seinem Sieg. Wir finden Ihn anfänglich (in den Versen 5–7) in seinen Leiden und Trübsalen, und dann von Vers 38 an als Sieger; denn obwohl dieser Teil des Psalms auch wohl auf David angewandt werden kann, ist es in Wirklichkeit doch der Messias, der uns hier vorgestellt wird. Dazwischen, von Vers 8–32, haben wir Israel, zuerst befreit als Nation und dann in Trübsal und Bedrängnis. Dann werden die Grundsätze der Regierung Gottes vorgestellt, und die Befreiung wird eingeführt. Es ist von großem Interesse zu sehen, nachdem uns die Person des Messias und seine Verbindung mit dem gläubigen Überrest vor Augen gestellt ist, wie die ganze Geschichte Israels, von Anfang bis zu Ende, von seiner Teilnahme für sie abhängt, von seinem Eintreten in ihre Drangsal, indem Er „in all ihrer Bedrängnis bedrängt war“ (JND).
Einteilung
Geschichtlicher Hintergrund – Errettung Davids von den Feinden und aus der Hand Sauls (V. 1)
Das Lob Gottes (V. 2–4)
Davids ausweglose Lage und sein Rufen zu Gott (V. 5–7)
Gott greift ein – das Gericht (V. 8–16)
Die Errettung Davids (V. 17–20)
Davids Untadeligkeit (V. 21–27)
Davids Zuversicht der Errettung (V. 28–35)
Gottes Handeln in der Vergangenheit (V. 36–46)
Das Lob Gottes für die Errettung (V. 47–51)
Vers 1
Dem Vorsänger. Von dem Knecht des Herrn, von David, der die Worte dieses Liedes zu dem Herrn redetet an dem Tag, als der Herr ihn errettet hatte aus der Hand aller seiner Feinde und aus der Hand Sauls: Das erste Kennzeichen hier ist, dass David der Knecht des Herrn ist. So wie er ist es für uns lebensnotwendig Knechte zu sein. Das war auch ein Ehrentittel, den die Apostel immer wieder in ihren Briefen gebrauchten: Knecht Jesu Christi. Alle Feinde sind die Feinde, die David während seiner Königsherrschaft geschlagen hat.
Der Herr ihn errettet: Die Errettung kommt immer ausschließlich von Gott.
Saul: Saul ist ein Bild des Antichrists.