Vers 22: Der Anweisung, sich vom Bösen abzusondern, folgt die ebenso wichtige Aufforderung: „. . . die jugendlichen Begierden aber fliehe“. Nachdem wir uns von dem Verderben in der Christenheit getrennt haben, müssen wir aufpassen, dass wir nicht durch die verdorbene Natur zu Fall kommen. Der Ausdruck „jugendliche Begierden“ bezieht sich nicht nur auf die verwerflichen Begierden des Fleisches, sondern auf alle Dinge, welche die gefallene Natur mit der ungestümen Heftigkeit und dem Eigenwillen der Jugend begehrt.
Nie sind wir in größerer Gefahr, fleischlich zu handeln, als wenn wir in Treue dem Herrn gegenüber gehandelt haben. Jemand hat gesagt: „Durch Selbstzufriedenheit über unsere kirchliche Absonderung könnten wir zu sittlicher Erschlaffung verführt werden“. Wie zeitgemäß ist daher die Ermahnung: „. . . die jugendlichen Begierden aber fliehe“; und wie passend ist, dass sie im Anschluss an das Gebot steht, von der Ungerechtigkeit abzustehen und sich von den Gefäßen zur Unehre zu reinigen.
Nach der Absonderung von dem Bösen in der Christenheit und der Ablehnung alles dessen, was unserer verdorbenen Natur entspringt, werden wir ermahnt, gewissen großen sittlichen Eigenschaften nachzustreben, die dem Weg ein positives Gepräge geben. Wir werden nicht aufgefordert, irgendeinem berühmten Lehrer nachzueifern, obwohl wir jede Gabe dankbar anerkennen sollen, wenn sie uns auf dem Pfad, der diese Kennzeichen trägt, eine Hilfe ist. Die Eigenschaften, nach denen wir streben sollen, sind „Gerechtigkeit, Glauben, Liebe, Frieden“.
Gerechtigkeit steht notwendigerweise am Anfang, denn hier geht es um den Weg des Einzelnen. Nachdem wir uns von der Ungerechtigkeit abgesondert haben, müssen wir unsere Wege beurteilen und darauf achten, dass alle unsere praktischen Verbindungen – sei es in Verbindung mit der Welt oder mit dem Volk Gottes – in Übereinstimmung mit der Gerechtigkeit sind.
Nun folgt der Glaube, der den Pfad noch weiter begrenzt, denn der Glaube hat mit Gott zu tun, und nicht jeder gerechte Weg ist ein Weg des Glaubens. Praktische Gerechtigkeit gegenüber den Menschen, d. h. ehrlichen Umgang miteinander, kann es auch ohne Glauben an Gott geben. Gottes Weg für die Seinen durch diese Welt erfordert fortwährend aktiven Glauben an den lebendigen Gott. Wir brauchen nicht nur einen Weg, den wir gehen können, sondern auch Glauben, um darauf zu gehen.
Dann folgt die Liebe. Wenn wir uns in unseren praktischen Beziehungen zu anderen richtig verhalten und im Glauben an Gott vorangehen, werden unsere Herzen bereit sein, anderen in Liebe zu begegnen. Dem „Glauben an den Herrn Jesus“ folgt die „Liebe zu allen Heiligen“ (Eph 1,15; Kol 1,4).
Der Friede kommt zuletzt, und zwar am richtigen Platz als die Folge von Gerechtigkeit, Glauben und Liebe. Die Gerechtigkeit führt die Liste an und der Friede beschließt sie, denn: „Die Frucht der Gerechtigkeit in Frieden aber wird denen gesät, die Frieden stiften.“ (Jak 3,18). Ohne Bewahrung durch die vorangegangenen Eigenschaften wird das Streben nach Frieden in Gleichgültigkeit gegenüber Christus und in das Einwilligen in Böses entarten.
So finden wir hier also klare Anweisungen für unseren persönlichen Weg in den Tagen des Verfalls. Die Belehrungen hören aber mit diesen persönlichen Anweisungen nicht auf, denn an diesem Punkt geht der Apostel von dem persönlichen Aspekt auf den gemeinschaftlichen Aspekt über. Er sagt, dass wir diesen Eigenschaften „mit denen, die den Herrn anrufen aus reinem Herzen“, nachstreben sollen. Die Worte „mit denen“ betonen deutlich das Gemeinschaftliche.
Dies ist von höchster Wichtigkeit, denn ohne diese Belehrung könnten wir fragen, auf welche Schriftstelle wir den gemeinsamen Weg mit anderen in den Tagen des Verfalls gründen. Hier finden wir die Begründung: wir sind nicht zur Isolation oder zur Abkapselung bestimmt. Es wird immer noch andere geben, die in den Tagen des Niedergangs den Herrn aus reinem Herzen anrufen. „Den Herrn anrufen“ ist der Ausdruck der Abhängigkeit vom Herrn und scheint besonders in Zusammenhang mit Tagen des Abweichens vom Herrn zu stehen. In den bösen Tagen Seths lesen wir: „Damals fing man an, den Namen des Herrn anzurufen“ (1Mo 4,26).
Etwas später lesen wir von Abraham, als er aus seinem Land, aus seiner Verwandtschaft und aus seines Vaters Haus hinausging, dass er „den Namen des Herrn anrief“ (1Mo 12,8). So haben wir eine Gruppe von Menschen, die sich in Treue dem Herrn gegenüber von der Verdorbenheit der Christenheit abgesondert hat und die außerhalb des Lagers in Abhängigkeit vom Herrn mit einem reinen Herzen den Weg vorangeht. Ein reines Herz ist nicht eines, das den Anspruch erhebt, rein zu sein, sondern es ist vielmehr ein Herz, das unter den Augen des Herrn nach Gerechtigkeit, Glauben, Liebe und Frieden strebt.
Folglich finden wir im Wort Gottes für die Tage des Verfalls einen deutlichen und eindeutigen Weg vorgezeichnet:
Erstens ist dieser Weg durch Absonderung von dem Verderben der Christenheit gekennzeichnet;
zweitens ist dieser Weg durch Absonderung von dem Verderben des Fleisches gekennzeichnet;
drittens ist dieser Weg durch das Streben nach gewissen sittlichen Eigenschaften gekennzeich- net; und
viertens durch die Gemeinschaft mit denen, die den Herrn aus reinem Herzen anrufen.
Wenn sich nun einige nach diesen klaren Richtlinien zusammenfinden, dann mag wohl die Frage aufkommen, von welchen Grundsätzen sie sich in ihrer Anbetung, beim Gedächtnismahl für den Herrn, in ihren Zusammenkünften zur Auferbauung, in ihrem Dienst, und in ihrem Verhalten untereinander und der Welt gegenüber leiten lassen sollen.
Die Antwort ist einfach. Im ersten Brief an die Korinther und in anderen Abschnitten des Neuen Testamentes werden sie alle Grundsätze finden, die ihnen zur Regelung jeder Einzelheit in der Versammlung Gottes dienen. Und diese Grundsätze können durch keinen Verfall in der Kirche beiseite gesetzt werden. Nachdem sie sich von allem Bösen in der Christenheit abgesondert haben, stellen diese Gläubigen zudem fest, dass viele Grundsätze und Richtlinien für die praktische Verwaltung der Versammlung sehr einfach angewendet werden können, was in den menschlichen Systemen kaum möglich wäre. So werden jene, die in den Tagen des Verfalls den von Gott bezeichneten Weg annehmen, feststellen, dass es immer noch möglich ist, im Licht der Versammlung, wie sie am Anfang gebildet wurde, voranzugehen.
Sie werden keineswegs behaupten, die Versammlung zu sein, oder auch nur ein Muster der Versammlung zu sein, denn sie sind höchstens ein paar wenige, die sich von dem Verderben der Christenheit abgesondert haben und daher, wenn sie ein Zeugnis sind, nur ein Zeugnis gegenüber dem verdorbenen Zustand der Kirche in diesen letzten Tagen sind – und nicht ein Muster der Kirche in ihren Anfangstagen.