Behandelter Abschnitt Joh 16,19-22
Joh 16,19-22: 19 Jesus erkannte, dass sie ihn fragen wollten, und sprach zu ihnen: Darüber fragt ihr euch untereinander, dass ich sagte: Eine kleine Zeit, und ihr schaut mich nicht, und wieder eine kleine Zeit, und ihr werdet mich sehen? 20 Wahrlich, wahrlich, ich sage euch, dass ihr weinen und wehklagen werdet, aber die Welt wird sich freuen; ihr werdet traurig sein, aber eure Traurigkeit wird zur Freude werden. 21 Die Frau, wenn sie gebiert, hat Traurigkeit, weil ihre Stunde gekommen ist; wenn sie aber das Kind geboren hat, denkt sie nicht mehr an die Bedrängnis um der Freude willen, dass ein Mensch in die Welt geboren ist. 22 Auch ihr nun habt jetzt zwar Traurigkeit; aber ich werde euch wiedersehen, und euer Herz wird sich freuen, und eure Freude nimmt niemand von euch.
Der Herr sieht ihren Wunsch, nach der Bedeutung seiner Worte zu fragen, und wirft nicht nur weiteres Licht auf das, was Er gesagt hat, sondern Er erklärt ihnen auch, wie ihre Herzen durch die nahe bevorstehenden Dinge sowohl von Kummer als auch von Freude bewegt würden. Die Worte des Herrn sprechen klar von zwei kurzen Zeitabständen und deuten an, dass die Jünger Ihn bald nicht mehr sehen und dass sie Ihn kurz nachher wieder sehen würden. Können wir im Licht der Ereignisse, die folgen, nicht sagen, dass diese Worte darauf hinweisen, dass in jenem Augenblick nur noch wenige Stunden blieben, bis der Herr seine Jünger verlassen würde, um aus dem Blickfeld des Menschen zu entschwinden, indem Er in die Dunkelheit des Kreuzes und des Grabes trat? Dann, nach einer zweiten „kleinen Weile“, sollten die Jünger den Herrn wiedersehen, doch nicht wie vorher in den Tagen seines Fleisches, sondern im Zustand der Auferstehung. Wenn sie Ihn dann auch nicht mehr so sahen wie in den Tagen seiner Erniedrigung, so sollten sie Ihn doch für immer im neuen und herrlichen Zustand der Auferstehung sehen, jenseits von Tod und Grab. Es würde aber der gleiche Jesus sein, der unter ihnen gelebt, der ihre Schwachheiten mitgetragen, ihren Glauben gestützt und ihre Herzen gewonnen hatte, der dann in ihre Mitte kommen und sagen würde: „Sehet meine Hände und meine Füße, dass ich es selbst bin.“
Weiter kündigt der Herr seinen Jüngern an, wie diese alles verändernden Ereignisse sich in
Kummer und Freude auf sie auswirken würden. Die kleine Weile, während der sie Ihn nicht sehen konnten, würde eine Zeit überwältigenden Kummers für die Jünger sein, eine Zeit des Weinens und Klagens um einen Toten, dessen Grab das Ende all ihrer irdischen Hoffnungen war. Die Welt hingegen würde sich freuen und meinen, den besiegt zu haben, dessen Gegenwart das Böse ihrer Taten bloßstellte. Doch sollte die Trauer der Jünger nach einer kleinen Weile zur Freude werden.
Um den Herzen der Jünger diese kommenden Ereignisse klarzumachen, gebraucht der Herr das Bild einer Frau, die ein Kind zur Welt bringt. Die plötzliche Traurigkeit, der Wandel von Schmerz in Freude und die Geburt des Kindes sind ein passendes Bild von dem plötzlichen Schmerz, der die Jünger überfallen würde, wenn der Herr in den Tod gehen würde, sowie von dem plötzlichen Wandel von Betrübnis zu Freude, wenn sie den auferstandenen Herrn als den Erstgeborenen aus den Toten wiedersehen würden. Indem der Herr nun seine Illustration anwendet, führt Er seine Worte weiter aus. Er hatte bereits gesagt: „Ihr werdet mich sehen“; nun fügt Er hinzu: „Ich werde euch wiedersehen.“ Die Welt würde Ihn nicht mehr sehen, und auch Er wollte die Welt nicht mehr sehen. Es sind die Seinen, zu denen Er kommen wollte. Und so geschah es später, wie wir lesen: „Jesus stand in der Mitte und spricht zu ihnen: Friede euch! Und als er dies gesagt hatte, zeigte er ihnen seine Hände und seine Seite. Da freuten sich die Jünger,als sie den Herrn sahen“ (Joh 20,19.20).
Das Sehen, von dem der Herr hier spricht, kann kaum beschränkt werden auf die flüchtigen Besuche während jener vierzig Tage nach der Auferstehung. Es ist treffend gesagt worden: „Der auferstandene und lebendige Herr zeigte sich dem Sinnesauge, damit Er vor dem Auge des Glaubens verbliebe, nicht als eine Erinnerung sondern als einer, der gegenwärtig ist“, und weiter: „Es war ein Sehen, das niemals verlorengehen oder verdunkelt werden konnte, sondern im Gegenteil immer klarer wurde, je mehr es geistlich erfasst wurde.“ Während der Zeit seiner Abwesenheit, während der wir noch auf der Erde sind und Er in der Herrlichkeit ist, werden die Worte des Herrn immer wahr sein: „Ihr werdet mich sehen“, und: „Ich werde euch wiedersehen.“ Stephanus, der unverwandt in diese Herrlichkeit schaute, konnte sagen: „Siehe, ich sehe die Himmel geöffnet, und den Sohn des Menschen zur Rechten Gottes stehen.“ Darüber hinaus kann der Schreiber des Hebräerbriefes sagen: „Wir sehen aber Jesus … mit Herrlichkeit und Ehre gekrönt.“
Es ist dieser besondere Anblick von Christus, der die Freude des Gläubigen sicherstellt. Der lebende Herr ist die Freude seines Volkes; und weil sein Leben ewig ist, bleibt ihre Freude dauerhaft und sicher. Und so kann der Herr sagen: „Eure Freude nimmt niemand von euch.“