Behandelter Abschnitt Ps 119,1-3
Die Erfahrungen eines gottesfürchtigen Menschen als Ergebnis davon, dass das Gesetz in sein Herz geschrieben ist
Der Schreiber dieses Psalms ist ein Knecht des HERRN (Ps 119,17), ein Genosse derer, die den HERRN fürchten (Ps 119,63), und ein Fremder im Land (Ps 119,19). Er ist umgeben von Treulosen, die seinen Geist betrüben (Ps 119,158), und von Feinden, die ihn bedrücken (Ps 119,134). Fürsten bereden sich gegen ihn (Ps 119,23) und verfolgen ihn grundlos. Die Stolzen verspotten ihn (Ps 119,51), haben Lügen gegen ihn erdichtet (Ps 119,69) und ihm Gruben gegraben, damit er stürzt (Ps 119,85). Die Bösen haben seinen Füßen Fallen gestellt (Ps 119,110) und lauern ihm auf, um ihn zu vernichten (Ps 119,95). Man bringt ihm Hohn und Verachtung entgegen (Ps 119,22), in den Augen der Welt ist er gering und verächtlich (Ps 119,141). Er wird durch inneres Begehren und durch Eitelkeiten von außen versucht (Ps 119,36.37). In der Vergangenheit war er in die Irre gegangen (Ps 119,67) und irrte umher wie ein verlorenes Schaf (Ps 119,176). Er war durch Leiden gegangen (Ps 119,71) und hatte sein Leben in die Hand genommen (Ps 119,109). Zuweilen ist seine Seele schwermütig, kurz vor dem Zusammenbruch (Ps 119,28.81), und erfährt Not und Qual.
Aber in all seinem Versagen und seinen Versuchungen, durch all seine wechselnden Erfahrungen hindurch ist doch das Wort Gottes die unfehlbare Quelle seiner Seele; es ist seine Freude und sein Trost, der Gegenstand seiner Gebete und das Thema seines Lobpreises. Es ist Leuchte seinem Fuß und Licht für seinen Pfad. Es ist seinem Gaumen süßer als Honig und ist ihm lieber als Tausende von Gold und Silber. Durch das Wort Gottes wird er in seiner Seele wiederhergestellt, in seiner Schwachheit gestärkt und in seinem Verstand erleuchtet. Durch dieses Wort wird sein Weg bereitet, entkommt er der Versuchung und antwortet seinen Widersachern.
So ist also das Wort Gottes das große Thema dieses Psalms; es wird im Herzen gehegt, im Leben ausgedrückt und mit den Lippen bezeugt. Unter verschiedenen Namen gibt es in jedem Vers einen Bezug zum Wort Gottes, mit Ausnahme von Psalm 119,122 und 119,132.
Prophetisch zeigt dieser Psalm die Erfahrungen der Gottesfürchtigen in Israel während der Trübsalszeit; diese geht ihrer Befreiung von ihren Feinden voraus, die durch das Kommen Christi bewirkt wird, um zu herrschen. Der Psalm ist weiterhin reich an moralischer Belehrung, was das praktische Leben der Gottesfürchtigen zu allen Zeitaltern betrifft.
Entsprechend der Anzahl der Buchstaben und ihrer Reihenfolge des hebräischen Alphabets ist der Psalm in 22 Abschnitte eingeteilt. Jeder Abschnitt besteht aus acht Versen, wobei jeder Vers mit dem jeweiligen Buchstaben des Alphabets beginnt.
Es fällt auf, dass das Gesetz bzw. die Offenbarung Gottes mit zehn unterschiedlichen Begriffen mit ganz verschiedenartigen Bedeutungen benannt wird:
Gesetz (torah): 25-mal; bezeichnet das Gesetz Mose als Ganzes
Gebote (mitsvah): 22-mal; die Zehn (moralischen) Gebote
Zeugnisse (edal oder eduth): 23-mal; das Gesetz als Zeugnis Gottes
Vorschriften (piqqud): 21-mal; das Gesetz als Forderung an den Menschen
Satzungen (choq): 22-mal; das dauerhaft geschriebene Gesetz im Gegensatz zu geltenden ungeschriebenen Gesetzen
Rechte (mischpat): 20-mal; etwas, was mit Autorität bestimmt ist
Weg (orach): 5-mal: ein gewöhnlicher Pfad (Ps 119,9.15.101.104.128)
Weg (derek): 13-mal; ein ausgetretener Pfad
Wort (dabar oder logos): 23-mal; das Wesen / die Substanz des Gesagten
Wort (imrah): 19-mal; das aktuell Gesagte / die Rede
(Ps 119,11.38.41.50.58.76.82.103.116.123.133; Ps 119,140.148.154.158.162.170.172)
Teil 1 (Alef): Psalm 119,1-8
Der Segen derer, die im Weg untadelig sind
Ps 119,1-3: 1 Glückselig, die im Weg untadelig sind, die da wandeln im Gesetz des HERRN! 2 Glückselig, die seine Zeugnisse bewahren, die von ganzem Herzen ihn suchen, 3 die auch kein Unrecht tun, in seinen Wegen wandeln!
Die einleitenden Verse präsentieren das Thema des ganzen Psalms: des Gesegnetsein derer, die in dem vom HERRN vorgegebenen „Weg“ gemäß seinem Gesetz auf dem Weg durch diese Welt gehen, die seine Zeugnisse bewahren und Ihn von ganzem Herzen suchen.
Das im Herzen bewahrte Gesetz führt zu einem praktischen Wandel, in welchem die Ungerechtigkeit abgelehnt wird. So werden die Gottesfürchtigen von ihrem Eigenwillen befreit, um Gottes Willen zu tun.