Behandelter Abschnitt Gal 6,14-18
„Von mir aber sei es fern, mich zu rühmen, als nur des Kreuzes unseres Herrn Jesus Christus, durch den mir die Welt gekreuzigt ist, und ich der Welt. Denn weder Beschneidung noch Unbeschnittensein ist etwas, sondern eine neue Schöpfung. Und so viele nach dieser Richtschnur wandeln werden – Friede über sie und Barmherzigkeit, und über den Israel Gottes!
Fortan mache mir keiner Mühe, denn ich trage die Malzeichen des Herrn Jesus an meinem Leib. Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus sei mit eurem Geist, Brüder! Amen“ ( Gal 6,14-18).
Andere mögen sich in fleischlichen Unterscheidungen zu rühmen suchen, doch der Apostel wollte sich nur in dem Kreuze Christi rühmen, dem großen Gleichmacher aller fleischlichen Unterscheidungen. Was war es, das den Apostel von seiner geglaubten Überlegenheit über seine Altersgenossen herunterholte (1,14)?
Die Lehre des Kreuzes. Was hatte ihn gelehrt, den Platz des größten Sünders einzunehmen und zu erkennen, dass er es als eine religiöse Pflicht angesehen hatte, „gegen den Namen Jesu, des Nazaräers, viel Widriges tun zu müssen“ (Apg 26,9)? Es war das sehen der Herrlichkeit, die Gott dem gegeben hatte, den Menschen, religiöse Menschen, verworfen und gekreuzigt hatten. Was hatte den Apostel den Grundsatz gelehrt, auf dem er vor anderen so beharrte: Wo die Sünde überströmend geworden ist, die Gnade überreichlicher geworden? Das Kreuz Christi. Was hatte den Apostel von dem aufreibenden Joch der Gebote befreit?
Das Kreuz Christi (siehe Kol 2,14.15). Doch das Kreuz Christi hatte noch mehr für ihn getan. Es hatte ihm die Welt in ihrem wahren Charakter gezeigt, die die Gegenwart Gottes in sich nicht ertragen konnte. Es hatte bewiesen, dass die weltliche Kultur und Religion Gott gleichermaßen entgegengesetzt waren – denn alle führenden Autoritäten in der Welt, ob politische Mächte oder religiöse Führer, oder die führenden Denker der Zeit, haben sich in der Kreuzigung des Herrn der Herrlichkeit miteinander verschworen (1Kor 2,8).
Durch das Kreuz war die Welt dem Apostel gekreuzigt. Er konnte sie nicht mit Wohlbehagen ansehen, denn er sah ihre wahre Feindschaft gegen das Gute selbst in der Person des Sohnes Gottes. Sehen wir die Welt durch dieselbe Brille, nämlich das Kreuz Christi? „Jesus Christus ist derselbe gestern, heute und in Ewigkeit“ (Heb 13,8). Prüfe die führenden Autoritäten dieser Zeit mit diesem unveränderlichen Test, und es ist immer noch dieselbe Welt – die Welt, die den Herrn der Herrlichkeit gekreuzigt hat. Doch der Apostel kannte das Kreuz nicht getrennt von der Auferstehung des Herrn Jesus Christus; und daher konnte er in Verbindung mit Ihm als dem Auferstandenen auf die Welt als das niederblicken, von dem er befreit worden war.
Wir müssen die Kraft der Auferstehung Christi kennen, um ein richtiges Urteil über die Welt zu fällen (1Joh 5,19). Und was war der Apostel in den Augen der Welt? „Eine Pest“ (Apg 24,5), ein „Schwätzer“ (Apg 17,18), gegen den die weisen Männer der damaligen Zeit ihren Spott erhoben (Apg 17,32). Er war in der Tat gekreuzigt – jemand, auf den die Welt leicht verzichten konnte und sogar froh darüber gewesen wäre, ihn los zu sein. Paulus hatte die Welt und ihre Bestrebungen und Interessen hinter sich gelassen und war ihr gekreuzigt.
Die wahre Kraft der Lehre des Kreuzes ist es, die Welt in ihrem wahren Licht als verurteilte Welt zu offenbaren, aus der der Gläubige nach der wunderbaren Gnade Gottes errettet worden ist (1,4). Daher muss er, wenn er dieser Lehre treu bleiben will, der Welt gekreuzigt sein – nicht nur wie jemand, der ihre Interessen und Ziele nicht mehr mitverfolgt, sondern als jemand, der ihren Interessen und Zielen im Weg steht. Es könnte jemand einwenden: „So sind die Christen nicht; die Welt nimmt doch sowohl ihre Hilfe an und hilft ihnen auch im Gegenzug.“ Und warum? Weil Christen dem Kreuz Christi nicht treu sind. Die blicken die Welt nicht durch das Mittel des Kreuzes an. Sie sehen sie, und alles was in ihr ist, als „nicht von dem Vater“ (1Joh 2,16) und folglich Jesus genauso entgegenstehend an wie Judas, der Ihn mit einem Kuss verriet.
Lasst uns ehrlich sein und uns selbst prüfen. Ist uns die Welt gekreuzigt, weil wir uns im Kreuz Christi rühmen, und durch das Kreuz in eine Herrlichkeit blicken, die alle Herrlichkeit dieser Welt in den Schatten stellt?
Eine neue Schöpfung tut sich uns auf, wenn wir unseren Platz durch das Kreuz einnehmen und darin das Gericht Gottes über die alte Schöpfung sehen. Er, der am Kreuz hing, sagte: „Es ist vollbracht“ (Joh 19,30). Und dieselbe gesegnete Person ruft vom Thron aus: „Siehe, ich mache alles neu“ (Off 21,5). „Diese Worte sind gewiss und wahrhaftig“ (Off 22,6). „Es ist geschehen“ (Off 21,6). Die alte Schöpfung ist vergangen und eine neue eingeführt, in der „der Tod wird nicht mehr sein [wird], noch Trauer, noch Geschrei, noch Schmerz wird mehr sein; denn das Erste ist vergangen“ (Off 21,4).
Dies ist die neue Schöpfung, die uns erwartet; und wir sollen schon jetzt nach ihren Regeln leben. Nur diejenigen, die das Ende der alten Schöpfung im Kreuz und Jesus als das Haupt der neuen Schöpfung in der Auferstehung sehen, können den Platz als das Israel Gottes einnehmen. Sie haben Kraft mit Gott und Menschen, weil das Fleisch vergangen und beiseitegesetzt sein wird. Und sie haben Leben im Geist, das ihre Bedürfnisse stillt aus der Fülle, die in Christus Jesus ist. Sie wandeln „im Geist“ (5,16). Friede und Barmherzigkeit sei mit ihnen.
Die falschen Lehrer bestanden sehr auf das äußere Zeichen der Beschneidung; doch der Apostel sagt, dass er die Zeichen Christi an seinem Leib trug. Geißelungen, Verhaftungen, Kälte und Blöße – Leiden durch die Verkündigung des Evangeliums der Gnade Gottes gegenüber Sünden – hatten ihre Spuren am Leib des Apostels hinterlassen. Mit diesen Zeichen des Leidens für Christus und für das Evangelium war es geradezu eine Dreistigkeit, ihn mit Fragen bezüglich der Beschneidung oder anderen ebenso in sich bedeutungslosen Dingen zu bemühen.
Der Apostel kannte ein Gegenmittel für ihren Fall, eine Antwort auf alle ihre Fragen, und dies drückt er in seinem ernsten Gebet für sie aus: „Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus sei mit eurem Geist, Brüder! Amen.“