Behandelter Abschnitt Gal 5,25 - 6,1
„Wenn wir durch den Geist leben, so lasst uns auch durch den Geist wandeln. Lasst uns nicht voll eitler Ruhmsucht sein, indem wir einander herausfordern, einander beneiden.
Brüder, wenn auch ein Mensch von einem Fehltritt übereilt würde, so bringt ihr, die Geistlichen, einen solchen wieder zurecht im Geist der Sanftmut, wobei du auf dich selbst siehst, dass nicht auch du versucht werdest“ ( Gal 5,25 - 6,1).
Wie wenig kennen die meisten von uns von der wahren geistlichen Freude. Uns sind gewiss „die Messschnüre . . . in lieblichen Örten“ gefallen (Ps 16,6), denn der Heilige Geist ist „das Unterpfand unseres Erbes“ (Eph 1,14). Dennoch leben wir nicht so im Geist, wie wir es könnten. Christus ist der Gegenstand und die Quelle unseres Lebens; und mit Ihm auferstanden, sind wir berufen, unsere Zuneigungen auf die himmlischen Dinge zu richten. Wenn wir nicht mit dem Himmel im Kontakt sind, werden wir nicht im Geist wandeln.
Der Himmel, der unser Teil ist, ist gegenwärtig, weil Christus dort ist. „Wie das Himmlische ist, so sind auch die, die himmlisch sind.“ Wir sind Teilhaber einer himmlischen Berufung. Wenn wir uns nur auf den Genuss des Himmels in der Zukunft freuen, werden wir jetzt keine geistliche Freude haben. Unser Wandel wird dann unserem Zustand entsprechen – ein vergeblicher Versuch, Gott und dem Mammon zu dienen. Wenn wir im Geist wandeln, dann treten wir jetzt in das ewige Leben ein – „wir haben ewiges Leben“ – und unser Wandel wird dem entsprechen, was wir besitzen.
Ein Christ sollte nicht nur vor und mit Gott wandeln, sondern so mit diesen geistlichen und ewigen Freuden beschäftigt sein, dass er in der Lage ist, anderen, die vergeblich mit den vielen Formen menschlichen Versagens kämpfen, zu helfen und sie zu erfreuen. Wir wandeln nicht im Geist, wenn wir eitle Ehre begehren. Wir begeben uns dann auf eine niedrigere Stufe und vergleichen uns mit anderen, anstatt in dem Genuss der himmlischen Realitäten zu leben, die uns in Christus gehören. Wer im Geist lebt, lebt nah bei Gott und hat es nötig, streng im Selbstgericht zu sein, sodass er wenig Mut hat, andere zu richten. Ein gesetzlicher Geist hingegen bindet uns immer an die Welt und setzt uns auf den Richterstuhl, anstatt uns vor den Gnadenstuhl zu bringen.
Es liegt eine erneuernde Kraft in der Gnade des Evangeliums, zu der das Gesetz unfähig ist. Das Gesetz kann verdammen, aber es hat keine Kraft zu erneuern. Es gibt nichts, worin Christen sich gesetzlicher zeigen als im Umgang mit einem Menschen, der „von einem Fehltritt übereilt“ wurde. Sie richten ihn, als wären sie in Treue zu Christus dazu verpflichtet; doch tun sie es mit einem Blick auf Erneuerung?
Der geistliche Mensch weiß zu erneuern. Der natürliche Mensch mag überführen und sich selbst über den Fall des anderen erheben, aber er kann nicht wiederherstellen. Wie tief sind die Christen gefallen, wie wandeln sie als Menschen, die andere richten, anstatt auf sich selbst zu sehen, dass nicht auch sie versucht werden. Wie wunderbar übereinstimmend ist die Lehre der Schrift: „. . . indem du auf dich selbst siehst“.
Kein Christ sollte sich selbst als unfähig zu fallen beurteilen, wie treu er auch sein mag. Es ist gefährlich, uns auf unsere Treue zu verlassen, doch wir sind in Sicherheit, wenn wir uns selbst beurteilen und (wegen unseres Empfindens für das unveränderlich Böse des Fleisches) demütig, aber vertrauensvoll in der Treue Gottes ruhen. Wir alle kennen unser persönliches Bedürfnis nach erneuernder Gnade, und so sollten wir dieselbe Gnade für die Erneuerung eines gefallenen Bruders suchen.