Behandelter Abschnitt Dan 9,9-15
Dieses detaillierte Bekennen vor Gott, indem man nichts als bereits gewährt oder bekannt voraussetzt, ist auch uns zu empfehlen. Es ist ein unfehlbares Zeichen eines aufrichtigen Herzens und der Lauterkeit der Seele vor Gott und damit eines Werkes des Heiligen Geistes in Herz und Gewissen. Wenn auch – so wie Daniel es erneut bekennt – das Angesicht jeder Schicht oder Klasse im Volk Gottes wegen ihrer Sünden beschämt ist, so fährt er doch damit fort, dass dem Herrn „die Erbarmungen und die Vergebungen“ sind, „denn wir haben uns gegen ihn empört“ (Vers 9). Sie haben seiner Stimme durch die Propheten nicht gehorcht. Ganz Israel hat das Gesetz des Herrn, ihres Gottes, verachtet und ist deswegen unter den Fluch und die Strafe ihrer Sünden gekommen, wie es im Gesetz Moses aufgeschrieben wurde (Verse 9–11).
Mit diesem einen Satz: „. . . des Herrn, unseres Gottes, sind die Erbarmungen und die Vergebungen“ hatte Daniel das einzige Fundament ergriffen, auf das er sich in seiner Fürbitte stellen konnte. Hätte er nur das Gesetz gekannt, hätte er nicht darauf hoffen können, erhört zu werden Aber er kannte den Herrn, seinen Gott, auch im Blick auf den Reichtum seiner Gnade, in der Er bereits sowohl Mose (2. Mose 34,6.7) als auch David und Salomo in 1Chr 21 und 2Chr 6,36-39 in Verbindung mit dem Bau des Tempels auf dem Berg Zion offenbart wurde. Daher richtet sich der Prophet hier an Gott, dessen Gnade bekannt ist. Und nur das Bewusstsein dieser Gnade ermöglicht es dem Herzen, sich in der Gegenwart Gottes seiner Sünden und Sorgen zu entledigen.
Daniel verbirgt und beschönigt auch im weiteren Verlauf seines Gebets nichts. Während Gott nur sein eigenes Wort erfüllte, indem Er so ein großes Unheil über sein Volk brachte (und es gab niemals ein größeres Unglück unter dem Himmel als das, welches über Jerusalem gekommen war), und während das Unglück ganz genauso über sie kam, wie es im Gesetz Moses aufgeschrieben war, „flehten“ sie trotzdem „den Herrn, unseren Gott, nicht an, dass wir von unseren Ungerechtigkeiten umgekehrt wären und Einsicht erlangt hätten für deine Wahrheit“ (Vers 13). Das Ergebnis von all diesem bösen Verhalten stand nun fest: „Und so hat der Herr über das Unglück gewacht und es über uns kommen lassen. Denn der Herr, unser Gott, ist gerecht in allen seinen Taten, die er getan hat; aber wir haben seiner Stimme nicht gehorcht“ (Vers 14).
Im Folgenden zeigt er, dass es ihre Schuld noch weiter verschärfte, dass sie gegen den gesündigt und gottlos gehandelt hatten, der sie mit mächtiger Hand aus dem Land Ägypten erlöst und ihnen einen Namen gemacht hatte. Daniel begibt sich auf den absoluten Tiefpunkt und besieht alle Sünden seines Volkes im Licht der Heiligkeit Gottes. Dadurch rechtfertigt er Ihn und anerkennt, dass das Gericht, welches über Jerusalem, Juda, Israel, Könige, Fürsten und das ganze Volk kam, nichts anderes als ihre gerechte Strafe war. Daher ist dies ein vorbildliches Bekenntnis für alle Zeiten, egal ob für Gläubige oder Sünder, wobei man bedenken sollte, dass uns mehr von der Gnade offenbart wurde (vergleiche 1. Johannes 2,1.2 sowie 1. Johannes 1,9). Aber wenn uns mehr bekannt ist, so sollte dies ein zusätzlicher Ansporn sein, gründlich und offenherzig zu bekennen.
Nachdem Daniel die Sünden und Ungerechtigkeiten seines Volkes bekannt hat, bittet er auf bemerkenswerte Weise. Daniel hatte die Gerechtigkeit Gottes in der Züchtigung seines Volkes völlig anerkannt. Jetzt wendet er sich an den Herrn in all seiner Gerechtigkeit, dass Er doch seinen Ärger und seinen Zorn von seiner Stadt Jerusalem, seinem heiligen Berg, abwende. Außerdem bringt Daniel vor den Herrn, dass Jerusalem und das Volk des Herrn durch ihre Sünden und Ungerechtigkeiten.