Behandelter Abschnitt Nehemia 13,4-31
Einleitung
Die Bestimmung der chronologischen Einordnung der Ereignisse dieses Kapitels ist nahezu unmöglich. Uns wird nur gesagt, dass Eljaschib sich „vorher“ mit Tobija verbunden hatte und eine große Vertrautheit mit ihm hatte. Zudem lesen wir, dass Nehemia während dieser Zeit nicht in Jerusalem war (V. 6). „Vorher“ meint wohl vor der Absonderung von dem Mischvolk (V. 3), sodass sich die Einweihung der Mauer vermutlich durch die Abwesenheit des Herrschers verzögert hatte. Wenn dies der Fall ist, dann fanden die hier beschriebenen Ereignisse vor den mit der Einweihung der Mauer verbundenen Diensten statt. Dies ist jedoch von geringer Bedeutung, denn wie bereits erwähnt, müssen wir nach der moralischen und nicht nach der historischen Reihenfolge schauen. Es ist nicht schwer, den Zusammenhang hier zu deuten, denn was war der Grund für Nehemias Reise nach Jerusalem? Die Mauern der Heiligen Stadt aufzubauen (Neh 3 und 6), und durch die gute Hand Gottes über ihm konnte er das Werk vollenden, zu dem er berufen worden war. Die Mauer war errichtet worden, und er und das Volk hatten das Ereignis mit großer Freude gefeiert. Unter dem Eindruck dieses Tages hatte das Volk das Haus Gottes in Ordnung gebracht und erkannt, dass es ein für den Herrn abgesondertes Volk war.
Und was finden wir als nächstes? VERSAGEN – Versagen in allem, wozu das Volk sich verpflichtet hatte und woran es sich unter Fluch durch ein ernstliches Gelübde gebunden hatte (siehe Neh 10). Die Lektion des Auftrags Nehemias ist daher die Lektion jeder Haushaltung: Was auch immer Gott der menschlichen Verantwortung anvertraut, endet in Versagen. Ja, sogar mehr, denn wir sehen, dass das menschliche Versagen genau zum Zeitpunkt großer Segnung und Gnade Gottes zum Vorschein tritt. Adam zum Beispiel wurde ungehorsam, sobald er als Haupt und gesegneter Stellung eingesetzt worden war. Ebenso sündigte Noah, sobald er die erste Frucht seines Weingartens auf der neuen Erde einsammeln konnte. Israel fiel ab, bevor überhaupt die Gesetzestafeln das Lager erreichten. Und David lud kurz nach der Aufrichtung seines Königreiches Blutschuld auf sich.
Auch in der Geschichte der Kirche ist es nicht anders. Am Ende von Apostelgeschichte 4 sehen wir die vollkommene Antwort auf das Gebet des Herrn, dass „sie alle eins seien“ (Joh 17,21), denn „die Menge derer aber, die gläubig geworden waren, war ein Herz und eine Seele“ (Apg 4,32). Und dann, in Apostelgeschichte 5, finden wir die Sünde von Ananias und Saphira, und in Apostelgeschichte 6 das Murren einer Gruppe von Jüngern gegen die andere. Auch mit den Aufträgen Einzelner verhält es sich so. Man nehme zum Beispiel den Apostel Paulus. Lange bevor er seine Reise beendet hatte, sah er das äußerliche Versagen der Versammlung, indem „alle, die in Asien sind“, sich von ihm abgewandt hatten (2Tim 1,15).
Diese Beispiele erklären die bedeutungsvolle moralische Einordnung der Erzählung Nehemias. Das Echo der Freude Jerusalems darüber, dass es wieder von seiner Mauer der Absonderung umgeben war (12,43), war kaum verklungen, als all das Böse, das das Volk bis hierhin geplagt hatten und der Grund für die lange Zeit ihrer Verbannung waren, wieder auftauchte. Das Buch schließt mit dem Bericht über Nehemias Kampf mit den Übertretern in Israel und seinen unermüdlichen Bemühungen, die Herrschaft Gottes in der heiligen Stadt zu erhalten.
„Und vorher hatte Eljaschib, der Priester, der über die Zellen des Hauses unseres Gottes gesetzt war, ein Verwandter des Tobija, diesem eine große Zelle gemacht, wohin man vorher die Speisopfer legte, den Weihrauch und die Geräte und den Zehnten vom Getreide, Most und Öl, das für die Leviten und die Sänger und die Torhüter Gebotene, und die Hebopfer der Priester“ (13,4–5).
Das erste, was erwähnt wird, ist die Sünde Eljaschibs. Eljaschib war der Enkel Jeschuas, der mit Serubbabel zurückgekehrt war. Er hatte die Stellung des Priesters inne und war „über die Zellen des Hauses unseres Gottes gesetzt“. Dennoch hatte er sich in Missachtung des Wortes Gottes mit Tobija, dem Ammoniter, verbunden und ihm sogar „eine große Zelle gemacht, wohin man vorher die Speisopfer legte, den Weihrauch und die Geräte und den Zehnten vom Getreide, Most und Öl, das für die Leviten und die Sänger und die Torhüter Gebotene“. Diese Zelle war „in den Höfen des Hauses Gottes“ (13,5.7).
Dies bedeutete Verderben beim Oberhaupt und Stellvertreter des Volkes vor Gott. Wen wundert es bei einem solchen Vorbild, dass das Volk seinen Schritten folgte, mit denen er sich schuldig machte? Es ist ein schrecklicher Fall der verhärtenden Wirkung der Vertrautheit mit heiligen Dingen, wenn das Herz vor Gott nicht aufrichtig ist. Eljaschib war ständig im Einsatz für die Arbeit seines hohepriesterlichen Dienstes im Heiligtum, und so war er abgestumpft und gleichgültig geworden gegenüber dem Charakter des Gottes, vor dem er erschien, sowie gegenüber der Heiligkeit seines Hauses. Sein Dienst war in seinen Augen ein Dienst, und nichts weiter – und so nutzte er ihn für seine eigenen Absichten und zum Vorteil seiner Freunde. Ach, ein Muster, das sich schon so häufig wiederholt hat, sogar in der Versammlung Gottes.