Behandelter Abschnitt Nehemia 5,14-15
„Auch von dem Tag an, als er mich bestellt hatte, um ihr Statthalter im Land Juda zu sein, vom zwanzigsten Jahr bis zum zweiunddreißigsten Jahr des Königs Artasasta, zwölf Jahre lang, habe ich mit meinen Brüdern die Speise des Statthalters nicht gegessen. Aber die früheren Statthalter, die vor mir gewesen waren, hatten das Volk beschwert und Brot und Wein von ihnen genommen, dazu vierzig Sekel Silber; auch ihre Diener herrschten willkürlich über das Volk. Ich aber tat nicht so, aus Furcht vor Gott“ (5,14–15).
Von Vers 14 bis zum Ende des Kapitels wird Nehemia dahin geführt, eine Beschreibung seines eigenen Verhaltens als Statthalter zu geben. Wenn wir diesen Abschnitt betrachten, können wir menschlich gesehen den Eindruck eines Eigenlobs oder der Selbsterhöhung erlangen. Doch es sollte nie vergessen werden, dass wir das Wort Gottes lesen und es daher vom Heiligen Geist geleitet ist, dass diese Beschreibung zu unserer Belehrung aufgezeichnet wurde.
Die Lektion ist, wie bereits erwähnt, dass die Hirten, die Gott für sein Volk erweckt, immer „Vorbilder der Herde“ sein sollen (siehe 1Pet 5,1-3). Wenn wir dies im Gedächtnis behalten, sollten wir in der Lage sein, von der Darstellung des Verhaltens Nehemias einen Nutzen zu ziehen. Zunächst beschreibt er uns, dass in den zwölf Jahren, in denen er Statthalter war, weder er noch seine Brüder die Speise des Statthalters gegessen hatten, wie es seine Vorgänger getan hatten. Das heißt, er hatte das Volk nicht „beschwert“, wie er erläutert. Sein Amt hätte ihm das Recht gegeben, dies zu tun, doch in dieser Hinsicht nutzte er seine Autorität nicht. Wieder werden wir an den Apostel Paulus erinnert, der den Korinthern schrieb: „Wenn wir euch das Geistliche gesät haben, ist es etwas Großes, wenn wir euer Fleischliches ernten? Wenn andere dieses Rechtes an euch teilhaftig sind, nicht viel mehr wir? Aber wir haben von diesem Recht keinen Gebrauch gemacht, sondern wir ertragen alles, um dem Evangelium des Christus kein Hindernis zu bereiten“ (1Kor 9,11-13, siehe auch Apg 20,33; 1Thes 2,9).
Auch erlaubte er, anders als die früheren Statthalter, seinen Dienern nicht, über das Volk zu herrschen. Selbst in der Versammlung Gottes gibt es keinen häufigeren Missbrauch als den hier angedeuteten. Zum Leidwesen der Heiligen und in Umkehrung der göttlichen Ordnung kann beispielsweise oft beobachtet werden, dass die Verwandten derer, die zurecht den Platz als Vorsteher einnehmen, deren Rang und Autorität für sich in Anspruch nehmen und erwarten, aufgrund ihrer Verwandtschaft anerkannt zu werden. Wie im Fall Nehemias ist es auch in der Versammlung so, dass ein Amt an eine Person gebunden ist, denn Fähigkeiten oder Gaben sind von Gott geschenkt und können nicht auf andere übertragen werden. Sogar Samuel versagte in dieser Hinsicht, als er seine Söhne zu Richtern machte – und schließlich war es ihr Verhalten, welches das Volk Israel dazu verleitete, einen König zu wünschen (siehe 1Sam 8,15).
Hiervor wurde Nehemia bewahrt, indem er vor Gott wandelte und handelte. „Ich aber tat nicht so“, schreibt er, „aus Furcht vor Gott“. Dies enthüllt uns einen Mann, dessen Gewissen empfindlich und in ständiger Übung war. Ein Mann, der über seine eigenen Wege und sein Verhalten wachte, damit er nicht durch Eigenwillen oder seinen eigenen Vorteil anstatt dem Wort Gottes gesteuert werden würde. Er pflegte eine gewohnheitsmäßige Ehrfurcht sowohl gegenüber Seiner Gegenwart als auch Seiner Autorität und trachtete immer danach, sich selbst Gott zu empfehlen, wobei er sich eine heilige Furcht in seiner Seele bewahrte. Dies war sowohl das Geheimnis seiner Aufrichtigkeit als auch seiner Hingabe, denn er kann sagen, dass er gewillt war, sich für den Dienst des Herrn einzusetzen und eingesetzt zu werden.