Behandelter Abschnitt Nehemia 1,11
„Ach, Herr, lass doch dein Ohr aufmerksam sein auf das Gebet deines Knechtes und auf das Gebet deiner Knechte, die Gefallen daran finden, deinen Namen zu fürchten; und lass es doch deinem Knecht heute gelingen und gewähre ihm Barmherzigkeit vor diesem Mann! – Ich war nämlich Mundschenk des Königs“ (1,11).
Es sollte bemerkt werden, dass Nehemia sich mit anderen in seinem Gebet verbindet. Dies war auch stets beim Apostel Paulus der Fall. Wenn wir vom Geist Gottes geleitet werden, dann identifizieren wir uns zwangsläufig mit allen, in deren Herzen Er auch am Wirken ist, ob im Dienst oder in Danksagungen oder im Gebet. Das Volk Gottes ist derart eins, dass Isolation im Geist unmöglich ist. Und folglich ist Nehemia, als er sich in seiner Trauer über den Zustand Israels und in seinem Verlangen nach ihrer Befreiung und Segnung vor Gott niederbeugt, sicher, dass jeder gottesfürchtige Israelit in seinem Flehen mit ihm vereint ist.
Sein Gebet ist sehr einfach. Er betet um „Barmherzigkeit vor diesem Mann“. Denn er wusste, dass sein Verlangen nur durch die Erlaubnis des Königs erfüllt werden konnte. Nachdem das Zepter der Erde infolge der Sünde und Rebellion seines auserwählten Volkes von Gott selbst an die Nationen weitergegeben worden war, würde Gott nun in Bestätigung der Autorität, die Er selbst bestimmt hatte, nur mittels des heidnischen Königs wirken. Nehemia war also in seinem Gebet in Übereinstimmung mit den Gedanken Gottes. Während er die Stellung der Untergebenheit unter die heidnische Autorität verstand, in die er und sein Volk gebracht worden waren, fällt doch ebenso auf, dass der König in der Gegenwart Gottes nichts war als „diese[r] Mann“.
Ein Monarch eines fast erdumfassenden Königreiches verlor sich in Nichtigkeit vor den Augen des Glaubens und war nichts als ein Mann, ausgestattet mit einer kurzzeitigen Autorität zur Durchsetzung der Absichten Gottes. Während der König der eingesetzte Kanal war, durch den die erforderliche Erlaubnis an Jerusalem erlangt werden musste, erkennt der Glaube doch, dass dies alles nicht vom König abhing, sondern vom Handeln Gottes an dessen Gesinnung, um Nehemias Wunsch zu gewähren.
Dann fügt Nehemia die Erklärung hinzu – „Ich war nämlich Mundschenk des Königs“ –, um zu zeigen, wie er menschlich gesprochen dem König sowohl völlig untergeben als auch völlig von ihm abhängig war. Damit schließt das Kapitel. Nehemia hat sein Herz vor Gott ausgeschüttet, sein Anliegen kundgetan. Jetzt muss er viele Tage warten in Erwartung der Antwort auf sein Flehen. Ein Gebet kann in völliger Übereinstimmung mit dem Willen Gottes und die Frucht der Vereinigung mit seinen Gedanken sein und dennoch nicht sofort beantwortet werden. Dies sollte gut verstanden werden, sonst kann die Seele ohne Grund in Verzweiflung und Unglauben fallen. Ein Gebet wird oft gehört und gewährt, doch Gott wartet in seiner unendlichen Weisheit auf den passenden Moment, um die Antwort zu geben. So war es auch bei Nehemia.