Behandelter Abschnitt Off 22,10
„Und er spricht zu mir: Versiegle nicht die Worte der Weissagung dieses Buches; denn die Zeit ist nahe“ (22,10).
Dieses Wort steht im Gegensatz zu Daniel 12,4, wo der Prophet den Auftrag erhält, sein Buch zu versiegeln. Warum musste dieser sein Buch versiegeln, Johannes das seine aber nicht? Ganz einfach, Daniels Weissagung war für „die Zeit des Endes“ bestimmt, und diese war damals noch in weiter Ferne. Wegen Israels Untreue musste seine Segnung noch viel weiter hinausgeschoben und zuerst noch das Erlösungswerk des Heilandes am Kreuz von Golgatha vollbracht werden. Außerdem lag es in Gottes Ratschluss, aufgrund desselben zuerst ein anderes Volk Gottes – die Ekklesia – aus allen Nationen zu sammeln. Deshalb musste Daniels Buch bis zur Vollendung dieser Dinge verschlossen bleiben; auch konnte es bis zur Vollendung des ganzen Wortes Gottes nicht richtig gedeutet werden (vgl. Apg 1,7-8).
Johannes dagegen sah die Vollendung der Ekklesia, des neutestamentlichen Volkes Gottes, der Versammlung. Die Geschichte der christlichen Kirche geht weiter bis zum Ziel in der Ewigkeit, und Johannes vollendete mit seinen Schriften das Wort Gottes. Darum brauchte, ja durfte sein Offenbarungsbuch nicht versiegelt werden. Und heute stehen wir dicht vor der Zeit, von der diese Offenbarung redet, und nicht nur das, auch die Geschichte Israels als Volk Gottes ist wieder in Gang gekommen, d. h. die erneute Sammlung und Rückkehr Israels in sein Land hat vor unseren Augen begonnen, so dass jetzt auch Daniels Weissagung entsiegelt werden kann. Darum gilt es jetzt im Gegenteil, das Buch zu öffnen und darin zu forschen. In früheren Zeiten war es ja für das Verstehen größtenteils verschlossen, weil es noch nicht an der Zeit war und die nötigen Anknüpfungen nicht vorhanden waren. Heute aber, besonders seit den Weltkriegen, hat die Entwicklung eine ganz deutliche Wendung in dieser Richtung gemacht, was leicht zu erkennen ist. Darum ist das ernste Wort: die Zeit ist nahe, als hochwichtige Mahnung beigefügt.