Behandelter Abschnitt Off 2,15
„So hast auch du solche, die in gleicher Weise die Lehre der Nikolaiten festhalten“ (2,15).
Durch diese wurde dieser Fehlzustand noch untermauert. Bei Ephesus werden bereits Werke der Nikolaiten erwähnt, die aber damals noch abgelehnt worden waren. Hier in Pergamus aber begegnen wir dem Festhalten einer eigentlich kristallisierten, ausgebauten Lehre, d. h. dieses gottwidrige klerikale System war nunmehr zu einer direkten, gesetzlich geordneten Hierarchie geworden, zu einer Priesterherrschaft, wobei das übrige Volk völlig aus dem Priestertum verdrängt worden war.
Der Bischof von Rom erhob sich mehr und mehr über die anderen, vor allem seit Leo I (440–461 n. Chr.). das Dogma von Petrus, als erstem Bischof von Rom, dessen Statthalterschaft Christi und gesetzmäßige Nachfolge der römischen Bischöfe (fälschlicherweise auf Mt 16,18.19 gestützt), zur Geltung gebracht hatte. Daraus folgerten Leos Nachfolger immer weitergehende Ansprüche, wie z. B. den obersten Entscheid in kirchlichen Dingen. Die Verleihung des Titels Papst (= Vater) durch Kaiser Justinian bildete dann den logischen Abschluss dieser Entwicklung in der Pergamus-Periode.
Lasst uns bedenken, dass dieses Sendschreiben auch als ernste Mahnung zur Selbstprüfung an uns gerichtet ist. Auch wir stehen in derselben großen Gefahr, unser Fleisch und unsere Gedanken nach unserem Willen wirken zu lassen und dadurch auf die grundsätzlich gleich schiefen Wege zu geraten. Kommt es nicht auch oft vor, dass wir anderen durch ein Verhalten und allerlei Gewohnheiten, die dem Wort Gottes und der Gesinnung von Jesus Christus keineswegs entsprechen, Ärgernisse und Anstoß bereiten?
Gibt es nicht auch in unserer Mitte manche Dinge, sog. „geistlichen Betrieb“, Liebhabereien, eigene Interessen, die unsere Herzen gefangen nehmen und uns zu Götzen werden, oder einseitig erfasste Lehren, wodurch wir Anlass zu Unruhe und Spaltungen geben? O, nicht umsonst mahnt der alte Apostel Johannes am Schluss seines ersten Briefes: „Kinder, hütet euch vor den Götzen!“ Und wie nahe liegt es uns oft, mit der Welt zu liebäugeln, wie Bileam auf beiden Seiten zu hinken, um beides – Christus und die Welt – zu genießen. Müssen wir nicht über viel Weltförmigkeit klagen? Ist aber andererseits nicht auch für uns die Gefahr groß, ebenfalls in einer kraftlosen Gewohnheitsform zu erstarren? O, lassen wir uns doch nicht über unseren Zustand täuschen und vergessen wir nicht, wie der Feind gerade in solchen Dingen immer hinter uns her ist! Darum lasst uns sorgfältig Rechenschaft über uns selbst geben und den Herrn bitten, uns die Augen offen zu halten, denn diese Gefahren sind ernster, als wir gewöhnlich denken.