Behandelter Abschnitt Off 2,6
„Aber dieses hast du, dass du die Werke der Nikolaiten hassest, die auch ich hasse“ (2,6).
Wer waren diese Nikolaiten? Man könnte da an eine Sekte denken, die nach ihrem Führer genannt worden ist und moralisch Böses mit dem Namen Jesus verbunden hat. Aber man hat keinen bestimmten Nachweis von einer besonderen Sekte dieses Namens. Im Übrigen hat es damals eine ganze Anzahl solcher gnostischer Irrtümer gegeben, die das Christentum mit heidnischen Gebräuchen verquickten. Da kann doch der Herr schwerlich eine Einzelne als besonders hassenswert hervorgehoben haben, denn Er verurteilt alles Böse gleich. Vielmehr muss es sich hier um etwas weit Schwerwiegenderes, das ganze Zeugnis Gefährdendes, handeln.
Nicht umsonst braucht der Herr den starken Ausdruck:
„Die auch ich hasse“. Nun, da ja bekanntlich die Sprache in der Offenbarung eine fast durchweg symbolische ist, hat ohne Zweifel auch dieser Name eine symbolische Bedeutung. Der Name „Nikolaiten“ kommt von „Nikolaus“ = Sieger oder Herrscher, und „laios“ = Volk (Laien); also „Nikolaiten“ = Volksbesieger oder Volksbeherrscher. Dies weist uns auf etwas hin, das sich in der Folge als Ursache zum größten Verderben des Zeugnisses erwiesen hat, nämlich die Ausscheidung eines besonderen, bevorzugten und bevorrechteten Priesterstandes, der sich die Ausübung des Dienstes Gottes als sein alleiniges Recht anmaßt. In der Tat wurde die Masse des Volkes durch den Klerus immer mehr beherrscht und unterdrückt, und es wurden grobe Irrtümer in die Kirche eingeführt, die sie völlig verdarben. Dies sollte genügen, um uns dieses scharfe Urteil des Herrn begreiflich zu machen.
Aber wie steht es heute mit der Gefahr des „Nikolaitismus“? Nun, der heutige kirchliche Zustand ist dessen Endentwicklung. Aber begehen wir nicht einen Irrtum, wenn wir nur in der kirchlichen Form die Wurzel des Nikolaitismus sehen? Lasst uns diese Wurzel vielmehr im Menschenherzen suchen, für das diese Neigung zu äußerer Form, zur Gesetzlichkeit und zur Erhebung über die Mitmenschen typisch ist. In der Tat finden wir diese Neigung verschiedentlich im Wort Gottes angedeutet; denken wir zum Beispiel an die Spaltungen in Korinth, an Diotrephes im 3.Johannesbrief, der der Erste in der Versammlung sein wollte, also ein Trachten danach, zu herrschen und zu glänzen. In solchen Tendenzen liegen die Anfänge des Papsttums, und die äußere Form desselben, wie sie sich uns heute zeigt, ist aus dieser Wurzel erwachsen. Daher tun wir gut, vorerst uns selbst sorgfältig zu prüfen, ob auch bei uns solche Neigungen zu finden sind.