Vers 5: „Erfahrung aber bringt Hoffnung; Hoffnung aber lässt nicht zu Schanden werden.“ Es handelt sich nicht um eine schwärmerische, abenteuerliche Hoffnung, sondern um etwas Sicheres, um etwas viel Sicheres, als was vor Augen ist. Eher könnten uns unsere Augen trügen als ein Wort aus der heiligen Schrift. Eher würde ich meinen fünf Sinnen misstrauen, als einem einzigen Worte, dass mein Heiland mir gesagt hat.
Die Hoffnung von der hier die Rede ist, beschämt nicht und ein Pfand dafür haben wir im heiligen Geist. „Denn die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen durch den heiligen Geist, welcher uns gegeben ist.“ So gewiss wir versiegelt sind durch den Geist, so gewiss stellen uns Wort und Geist nichts in den Horizont, was nicht in Erscheinung trete. Weiss man das einmal, so macht man es nicht wie Schüler, die nicht abwarten können, bis der Unterricht vorüber ist, und sie wieder ihre Freiheit haben.
Unsere Freiheit wird durch den heiligen Geist da ausgewirkt, wo man sich unter das tägliche Leben mit Seinen Lasten und Pflichten hinunterstellt, ohne sich beständig zu fragen, wie lange es wohl noch dauern wird. Gott verschwendet keine Zeit und verrechnet sich nicht mit der Zeit. Er lässt das Gold nicht eine Minute länger im Schmelztiegel, als nötig ist zur Umbiegung und Ausglättung jeder Falte in unserem Charakter und Wesen, für jedes Zurückbleiben hinter dem Bilde Christi.
Wo der Herr etwas in Angriff nimmt, lässt Er nicht wieder los. Er bleibt dabei, bis wieder ein neuer Zug des Bildes Christi an Stelle des alten, adamitischen Charakterzuges getreten ist, bis wieder ein Zug unseres natürlichen Wesens der umgestaltenden Macht des Wortes Gottes Raum gemacht.
Zum drunterbleiben braucht es göttliche Macht und Ausrüstung; denn mit dem Falle ist uns das Gegenteil das Davonlaufen eingegraben. Nur durch Drunterbleiben kommt es zur Bewährung, nur durch Drunterbleiben, werden wir zu Christen, die ihre Schule und die verschiedenen Schulen, durch die der Herr sie führt, durchmachen ohne immer auf die Uhr zu sehen, und bei denen die Geduld unvermischt ist mit Ungeduld. Es gilt, auszuharren unter dem Joche, sonst kann der Herr nicht sein Ziel erreichen und der heilige Geist kann nicht ausarbeiten. Das braucht Zeit, das geht nicht von einem Tag auf den anderen. Bewährung, Erprobung schafft etwas Durchschlagendes, löst immer mehr vom Druck der Sichtbarkeit und öffnet neue Horizonte in der unsichtbaren Welt des Glaubens, Hoffens und Liebens.
Von Bewährung zu Bewährung gestaltet sich das zukünftige Herrlichkeitsgebiet. Alles, was uns von Herrlichkeit verbürgt ist, gewinnt Gestalt. Und die Leiden der Sichtbarkeit verlieren an Druck und Gewicht. Wir werden immer freier, eingetaucht in die christliche Hoffnung der Wiederkunft Jesu Christi, die allem Leid ein Ende macht.
Diese Hoffnung beschämt nicht, lässt - wie gesagt - nicht zu Schanden werden. Wie viel irdische Hoffnungen werden begraben! Man hofft auf bessere Zeiten, ein leichteres Dasein, einen ebneren Weg und es ist allzumal nichts. An Stelle des früheren Drucks kommt ein anderer. Es ist nichts gewonnen - im Gegenteil - es wird schwerer als es vorher gewesen ist. Mit der christlichen Hoffnung verhält es sich anders. Da öffnet sich der Blick weiter und weiter. Die Wahrheiten der heiligen Schrift gewinnen Gestalt; es ist nicht mehr so ein unklares, seelisches: „Wenn ich nur selig werde, wenn ich nur aus der Not und dem Jammer herauskomme“, sondern die Welt der Herrlichkeit, der wir entgegen gehen, gewinnt Gestalt, in dem sich die Herrlichkeit in die Quellen unseres Lebens hineinsenkt.
Von Natur sind die Quellen unseres Lebens beschmutzt und getrübt, da kann keine klare, lebendige Hoffnung emporwachsen. Ist aber einmal die Liebe Gottes in unsere Herzen ausgegossen, von der der Apostel in Vers 5 schreibt, so werden unsere Herzen anders. Unter dieser Liebe ist zunächst nicht die Liebe zu Gott zu verstehen. Zuerst muss Gott Seine Liebe ausgiessen, die Liebe, die der Mensch mit dem Fall verloren hat und an deren Stelle dann die Selbstliebe, Kreaturenliebe, Weltliebe getreten ist. Die Gottes Liebe wird nur ausgegossen in die Erlösten, in die mit dem Blute Jesu Losgekauften. Dort allein ist Raum für die Liebe Gottes, für die Liebe mit der Gott Seinen Sohn und uns geliebt hat. Diese Liebe Gottes hat jetzt weiten Raum und kommt nun nicht mehr nur tropfenweise.
Auch in die Welt und in das Herz eines gefallenen Menschen fallen nun Lichtstrahlen dieser Liebe und bahnen dessen Umkehr an. Bei dem Erlösten aber ist es noch ganz anders. Da öffnet sich der Himmel, da wird die Liebe Gottes ausgegossen, ausgeschüttet, die Liebe mit der Gott liebt. Wo die Liebe bei einem erlösten Gotteskind nur tropfenweise vorhanden ist, ist mit dem Alten noch nicht völlig aufgeräumt, da kann sich die Liebe noch nicht ausgiessen wie ein Strom. Diese Liebe brauchen wir nicht zu fühlen. Ist die Liebe einmal ausgegossen, so haben Herz und Geist eine andere Richtung. Dann kommt Gott in den Mittelpunkt, alles beherrschend, regulierend und durchdringend. Dann wird uns erst durch den heiligen Geist unsere Erlösung aufgeschlossen. Das ist ein ganz neues Licht, das am Horizont aufgeht und sich allmählich verbreitet über alle Gebiete unseres inneren uns äusseren Lebens bis in die verborgensten Beweggründe, Gedanken und Hintergedanken unseres Herzens und Wesens.
Damit, dass Gott uns Seinen heiligen Geist gegeben hat, hat Er uns eine neue Natur gegeben und es kommt nur noch darauf an, dass wir dem Geist Gottes, der in uns ist, nun auch das Regiment ganz und ungeteilt überlassen zur Umgestaltung des Charakterbildes Jesu Christi in unserem Wesen. Das tut Gott und dafür haben wir ein Unterpfand in der grossen Heilstatsache, auf der unser Glaube, unsere Liebe und unsere Hoffnung beruhen.
Auszug aus seinem Buch „Aus Glauben in Glauben“)
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