Vers 46: „Ich bin gekommen in die Welt ein Licht, auf daß, wer an mich glaubet, nicht in der Finsternis bleibe." Durch das Evangelium ist ein Licht in die Welt hereingestellt worden, das sich ausbreitet und vertieft. Es kommt nur darauf an, daß man sich ihm öffnet, daß man sich von diesem Lichte strafen läßt über die eignen Werke, alles eigne Wesen, die alte Natur, und daß man mit seinem ganzen Denken und Fühlen, Dichten und Trachten ans Licht kommt, anstatt in der Finsternis zu bleiben. Niemand, der sich dem Lichte der Welt anvertraut, bleibt in Finsternis — das Licht bricht durch alles hindurch und geht siegreich seinen Gang in jedem Kinde Gottes, bis alles neu geworden ist unter dem Glanz des neuen Morgenrots.
„Ich bin als Licht in die Welt gekommen, auf daß jeder, der an mich glaubt, nicht in der Finsternis bleibe." In diesem Bilde kommt der Glaube vor allem darin zum Ausdruck, daß man sich dem Lichte öffnet, habe ich gesagt. Wer lange in der Dunkelheit gelebt hat, fühlt sich geblendet, wenn er plötzlich ins Licht kommt, und er macht unwillkürlich die Augen zu. Das Licht Jesu Christi war verhüllt in Seiner Menschheit. Man konnte an Ihm vorübergehen, ohne geblendet zu werden; wer aber aus der Wahrheit war, fand, sobald er Ihm näher trat, etwas, was er sonst nirgends fand, wie schon im Tempel die alten, ergrauten Häupter des jüdischen Volkes erstaunten über der Wahrheit, die ihnen aus den Fragen des zwölfjährigen Knaben entgegentrat. Der Herr ist ein Licht, das seine Strahlen in alle Gebiete menschlichen Lebens wirft — und zwar durch dw Jahrhunderte hindurch. Es gibt kein Dunkel, keinen Irrweg, der von diesem Lichte, von seinem Worte, nicht erleuchtet wurde. Es gibt keinen Irrweg, aus dem man nicht durch das Licht des Wortes Gottes herauskommen könnte. Und dieses Licht straft nicht nur, sondern rettet zugleich. Das zeigt uns eben jenes Wort in Vers 46: „Ich bin gekommen in die Welt, auf daß, wer an mich glaubet, nicht in der Finsternis bleibe" — daß jeder, der sich dem Lichte ausliefert und sich damit als Lichteskind ausweist, nicht in der Finsternis bleibe und darin untergehe. Durch ihre Worte, ihren Wandel, ihr Beispiel können auch Menschen dann und wann Licht in unsere Nacht werfen und uns strafen, ohne es gesucht zu haben — aber sie können uns nicht die Kraft geben, aus der Nacht herauszukommen. Mit der Erkenntnis, daß wir in Nacht und Gebundenheit dahingehen, haben wir noch nicht Macht, herauszukommen. Der Herr hingegen stellt nie ein Menschenleben, einen Charakterzug, Tun und Lassen, Reden und Schweigen eines Menschen ins Licht, ohne daß Er Gnade zur Umwandlung darreichte. Wir wollen uns das merken, damit wir nicht unser Lebenlang Gedanken, Eindrücke und Stimmungen mit uns Herumschleppen, die nicht aus dem Lichte sind. Das aber geht nicht auf einmal, sondern stufenweise. Da sind immer wieder neue Gebiete des Herzens und Lebens, in welche das Licht fällt. Es muß alles ins Licht, und bei jedem Glaubenden muß die Macht der Finsternis dem Lichte weichen. Das geschieht durch Gottes Wort und Seinen Geist.