Vers 2: „Maria aber war, die den Herrn gesalbt hat mit Salbe und Seine Füße getrocknet mit ihrem Haar; derselben Bruder Lazarus war krank. Da sandten seine Schwestern zu Ihm und ließen Ihm sagen: Herr, siehe, den du lieb hast, der liegt krank." Das dürfen wir alle sagen; denn für uns alle gilt das Wort: „Also hat Gott die Welt geliebt, daß Er Seinen eingebornen Sohn gab, auf daß alle, die an Ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben." Jenes kleine Heim in Bethanien war sozusagen das irdische Heim unseres Heilandes. Er hatte nicht, wo Er Sein Haupt hinlegte, aber in Bethanien war Er zu Hause, und Er war ja nicht nur Gottes-, sondern auch Menschensohn, und nichts rein Menschliches war Ihm fremd. Als Mensch stand Er dieser Familie näher denn anderen, während Er als Gottessohn allen gleich nahe steht. Eins schließt das andere nicht aus, so wenig Jesu Menschheit Seine Gottheit ausschließt — und umgekehrt.
Mit den Worten: „Herr, siehe, den du lieb hast, der liegt krank", appellieren die Schwestern an Seine Liebe und zugleich an Seine Treue. Wenn man uns die Botschaft bringen würde, daß jemand, den wir sehr lieb haben, der uns besonders nahesteht — Vater, Mutter, Bruder, Schwester, Kind oder Herzensfreund — schwer krank darnieder liegt, würden wir wohl alles liegen und stehen lasten und zu dem Betreffenden eilen. Der Herr Jesus aber hat nichts getan ohne göttliche Leitung. Er konnte auch die Allernächsten in Gottes, Seines Vaters Hand lassen, in der felsenfesten Überzeugung, daß ihnen nie besser gedient ist, als wenn Er des Vaters Winken folgt und auf des Vaters Auftrag wartet. Wo wir vorauseilen in sonst anerkennungswertem, warmen Liebestrieb, bringen wir dem Nächsten keinen wirklichen Nutzen, ja wir verschlimmern unter Umständen die Lage sogar. Es gilt darum warten und eilen — bereit, alles zu verlassen, wenn der Herr ruft, aber ebensowohl bereit, sich trotz Stürmen und Drängen der Nächsten und Liebsten nicht von der Stelle zu rühren, solang der Herr an Ort und Stelle noch etwas für uns zu tun hat. Der Herr braucht menschliche Werkzeuge, aber Er braucht sie nicht unumgänglich notwendig — und wohl uns, wenn wir Ihm für jeden einzelnen Fall zur Verfügung stehen, sei es zum Stillesein und Warten, sei es zu sofortigem Dienste!
„Herr, siehe, den du lieb hast, der liegt krank." So dürfen auch wir zum Herrn sagen und an Seine Liebe und Treue appellieren, wenn die Unseren irgendwie von Gefahr bedroht sind oder leiden. An Sein Heiland Herz dürfen wir appellieren, und an das große Vaterherz unseres Gottes dürfen wir uns wenden — bei Ihm können wir unser Herz allezeit stillen. Er vergißt niemand; Er übereilt nichts und versäumt auch nichts.