Vers 9: „Da sie aber das hörten, gingen sie hinaus, von ihrem Gewissen überführt, einer nach dem andern, von den Ältesten an bis zu den Geringsten; und Jesus ward gelassen allein, und das Weib in der Mitte stehend." Jesu ganze Erscheinung mag ihnen nahegelegt haben, daß vor Seinen Augen nicht nur die äußere Tat, sondern die innere Gesinnung verdammungswert ist. „Wer ein Weib ansieht, ihrer zu begehren, hat schon mit ihr die Ehe gebrochen in seinem Herzen." Seid ihr schuldlos in diesem Punkt? fragt der Herr. Seid ihr nicht etwa auch Ehebrecher, wenn auch nur der Gesinnung nach? Habt ihr euch nie vergangen durch Wort oder Blick oder Gedanke? Nein — nicht nur die äußere Tat straft der Herr, sondern die innerste Gesinnung. Da geht es dann auf diesem Gebiete wie auf allen andern Gebieten tiefer und immer tiefer hindurch zur Lösung, und wo uns heute noch etwas zu schaffen machen mag — sei es im Tun oder in der Gesinnung unserm Gott und dem Nächsten gegenüber —, da bedürfen wir eines tieferen Einblicks in die lösende Macht des Blutes Christi, die uns nicht nur von aller Sünde reinigt, sondern auch löst. Diese reinigende und lösende Macht kannten allerdings die Juden damals noch nicht; aber wir kennen sie und dürfen uns ihrer getrösten. Wie schon oft erwähnt, ist ja zwischen Waschen und Lösen nur ein kleiner Unterschied, und es gibt eine Stelle in der Offenbarung, wo sich nicht einmal leicht feststellen läßt, w i e man lesen muß — ob „waschen" oder „lösen". Es ist eben beides. Es muß zu einer inneren Lösung bei uns kommen, und das geht stufenweise.
Während die Pharisäer hinausgingen, bückte sich Jesus wiederum nieder und schrieb auf die Erde. Er hat die Fragesteller nicht mit Seinen Blicken verfolgt. Er kann uns einen ernsten Blick zuwerfen, ohne dann den Blick auf uns ruhen zu lassen. Er begnügt sich damit, uns zu richten, von Sünde zu überzeugen, uns innerlich zu strafen, übt aber keine zwingende Macht auf uns aus. Wenn wir uns nicht sagen lassen, kann Er auch schweigen, nachdem Er etwas wiederholt, dringend wiederholt hat. Unter Umständen wartet Er dann, bis Er uns durch äußere Lebensführungen innerlich mürbe gemacht, wodurch dann der Geist Gottes wieder Raum bekommen hat, in uns zu wirken und Seine strafende und lösende Arbeit wieder in uns aufzunehmen. Das geht alles organisch und stufenweise vor sich. Schon durch Sein Schweigen hatte Jesus Seine Gegner sozusagen in Anklagezustand versetzt — nach Seinem: „Wer unter euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein auf sie" hat Er ihnen Zeit gelassen, sich zu besinnen. Und da tat das Gewissen seine Arbeit; es überführte sie, so daß sie es nicht mehr aushielten in Jesu Nähe. Sie gingen hinaus einer nach dem andern, anfangend mit den Ältesten, die, wie schon erwähnt, ein längeres Stück Vergangenheit hinter sich hatten und sich vielleicht aus der Jugend oder aus späterer Zeit einer Schuld bewußt waren, die ihnen nicht gestattete, andere auf irgendeinem Gebiete zu verurteilen. „Wer von euch ohne Sünde ist" — nicht sündlos —, „der werfe den ersten Stein auf sie." Dieses Wort hatte zum Resultat, daß das Weib mit seinem Heiland allein zurückblieb; denn gerade für solche, wie sie war, war Er zum Heiland und Erretter gekommen. Darauf hatte Jesus gewartet. Dahin muß es mit uns allen kommen, daß wir endlich allein sind mit Jesu. Er allein kann uns in Seinem Lichte das Licht zeigen — kein übertriebenes, aber auch kein flackerndes — sondern ein klares, deutliches Licht, das hell genug ist, um aufzudecken und an den Tag zu ziehen, was an den Tag gehört.