Behandelter Abschnitt Joh 4,14-19
So antwortet Er ihr denn Vers 14: „Wer von diesem Wasser trinkt, den wird wieder dürsten: wer aber des Wassers trinken wird, das ich ihm gebe, den wird ewiglich nicht dürsten; denn das Wasser, das ich ihm geben werde, wird in ihm ein Brunnen des Wassers werden, der in das ewige Leben quillt." Er ist dann nicht mehr an eine besondere Quelle gebunden, sondern es ist ihm ein Brunnquell vom Heiligen Geiste geöffnet, der in das ewige Leben quillt. Mit Seiner Antwort tritt der Herr als Heiland vor das Weib hin — Er, das große Ich, das allein groß ist, in dem allein Rettung ist. Das Ich und das Nicht sind im Grundtext unterstrichen. Es hängt alles an der Person — Er steht im Mittelpunkt. Das lebendige Wasser — das ist den Heiligen Geist — gibt Jesus und stillt damit den Durst aus ewig. Hier aber gilt, was Johannes 7 gesagt ist: „Der Heilige Geist war noch nicht da; denn Jesus war noch nicht verklärt." Das Weib hat den Herrn nicht verstanden; dennoch führt Er sie von einer Schwierigkeit zur andern, von einem Einwand zum andern dem Verständnis näher, bis sie endlich sagt: „Nun ja, so gib mir dieses Wasser!" Es ist mir ganz recht, wenn ich nicht alle Tage den weiten Weg hierherkommen muß, um Wasser zu schöpfen. Vielleicht ist bei Jesu Worten etwas in dem Weibe aufgewacht, und sie hat den Eindruck gewonnen, daß sie vor einem Manne stand, wie sie noch keinem begegnet war. Der Herr mußte ihr zuerst als Prophet begegnen, ehe Er sich ihr als Hoherpriester und König offenbaren konnte. Anknüpfend an das, was Er Vers 14 gesagt hatte, spricht Er zu ihr: „Gehe hin, rufe deinen Mann und komm her." Er legt den Finger auf den schwarzen Flecken ihres Lebens und gibt ihr zu verstehen, daß Er ihre Geschichte kennt. Um ihr Verlangen nach dem Lebenswasser wachrufen zu können, muß der Herr die Frau zuerst durch Buße und Selbsthingabe führen — durch Gericht und Darangabe des Alten. „Geh' hin, rufe deinen Mann und komm'", sagt Er. Was für ein Pfeil war das in das Herz des Weibes! Der Herr zieht ihre Vergangenheit ans Licht, und so macht er es heute noch, wenn wir uns dazu hergeben, damit alles unter das Blut des Lammes gebracht werden kann. „Ich habe keinen Mann", antwortet die Frau. Da spricht Er zu ihr: „Du hast recht gesagt: ich habe keinen Mann. Fünf Männer hast du gehabt, und den du nun hast, der ist nicht dein Mann; da hast du recht gesagt." Du lebst jetzt in wilder Ehe. Der Herr Jesus hat es zart ausgedrückt, aber es war doch so, und das hat das Weib gefühlt und hat dann nicht mehr mit frecher Stirne, sondern offen und ehrlich — und ich denke — gebeugt, gesagt: „Herr, ich sehe, daß du ein Prophet bist", und auch ihren Mitbürgern gegenüber bekannt: „Er hat mir gesagt alles, was ich getan habe." Sie mußte wahr sein vor dem Manne, der keine Finsternis duldet. Wohl uns, wenn wir uns dem Herrn ausliefern wie jene Samariterin! Früher oder später muß uns der Meister einmal sagen können, was wir getan haben. Und Er muß es uns so sagen, wie nur Er es sagen kann — im rechten Augenblick und im rechten Ton, so daß wir gebeugt und doch nicht zerschmettert werden — aber auch so, daß wir nicht entschlüpfen können. Das Weib hatte alle möglichen Schwierigkeiten gemacht, und nun ist Jesus ohne Schwierigkeit Herr geworden über die Schwierigkeiten dieses Menschenherzens. Wo hat Er je irgendwo Schutt wegräumen können, ohne auf Schwierigkeiten gestoßen zu sein, ohne daß wir zuerst versucht hätten, zuzudecken? Und warum das? Warum die Schwierigkeiten? „Ach, daß du erkenntest die Gabe Gottes!" Gott hat niemals kleine oder geringe Gaben. „Und daß du erkenntest, wer der ist, der zu dir sagt: Gib mir zu trinken . . ." Du weißt gar nicht, was die gegenwärtige Stunde für eine Bedeutung hat, noch wer es ist, der mit dir redet. Auch wir sollen nicht auf den Prediger hören, er möge heißen, wie er wolle — es ist ein Anderer auf dem Plan — es ist ein Anderer, der uns nahe tritt. Gäbest du dir davon immer Rechenschaft, so würdest du keine Schwierigkeiten machen. Du bätest Ihn, und Er gäbe dir lebendiges Wasser. Das lebendige Wasser ist besonders begehrenswert im Orient — der Herr aber hat noch begehrenswerteres, frischeres Wasser — nur sind die Augen des Weibes immer noch gehalten. O, wie lange gehen wir oft mit gehaltenen, gebundenen Augen einher und ahnen kaum die Herrlichkeit dessen, was uns geboten wird, weil es durch unscheinbare Menschengestalten geht. Man merkt da nicht, daß eine Stunde kommt, wo das alte Wort bis in die Tiefen unseres Wesens ein Neues schafft. Nur gilt es, aufzupassen, anstatt immer dreinzureden, wie das Weib am Jakobsbrunnen getan hat. Der Herr war unaussprechlich geduldig mit der Frau und hat ihr auf alle ihre Einwände geantwortet, bis sie endlich merkt: „Es ist ein Prophet, der da vor mir steht." Da hatte Er gewonnen. Da war sie überwunden. Der Herr hat gewonnen von der Stunde an, wo wir alles liegen und stehen lassen, keine Einwände mehr machen, sondern die Waffen strecken und uns für Zeit und Ewigkeit dem Einen ausliefern, der Quellwasser hat und auch uns und in uns durch Seinen Geist eine Quelle öffnet, die immer frisch sprudelt, wenn man sie nicht versiegen oder im Sande verlaufen läßt. Das ist der Heilige Geist. Es gilt auch hier, was der Herr von dem Heiligen Geiste sagt, welchen bekommen sollen, die da glauben. Und wie es sich bald nach Pfingsten ausgewiesen hat, waren auch die Samariter nicht ausgeschlossen, nur sollte die Gabe dort ausnahmsweise nicht durch das Wort mitgeteilt werden, sondern es mußten die Apostel kommen und denen, die gläubig geworden waren, die Hände auflegen, damit der Streit zwischen den Juden und Samaritern aufhöre und Samaria und Juda zusammengebunden würden unter die Autorität der zwölf Apostel. Die Kirchengeschichte hat ja den Beweis geliefert, daß immer wieder Spaltungen vorkommen. Darum hat der Herr vorgebeugt, daß die Unterschiede, welche Anlaß zu Spaltungen und Trennungen geben, endlich aufhören. Des Herrn Worte hatten die Frau ins Herz getroffen. Sie hat sich gebeugt — aber doch nicht ganz, sondern sie benützt schnell die Gelegenheit, um aus Prophetenmund die Erklärung über eine alte Streitfrage zu bekommen.