Behandelter Abschnitt Mt 18,27-33
Vers 27: „Da jammerte den Herrn desselbigen Knechtes, und dir Schuld erliess er ihm auch. Da ging derselbe Knecht hinaus, und fand einen seiner Mitknechte, der war ihm hundert Groschen schuldig; und er griff ihn an und würgte ihn und sprach: Bezahle mir, was du mir schuldig bist." Der Mitknecht war ihm nur eine Bagatelle schuldig im Vergleich zu der grenzenlosen Schuld, die ihm sein Herr vergeben hatte — er war ihm nur etwa hundert Frank schuldig. Dieser Mitknecht weigerte sich durchaus nicht, die Schuld anzuerkennen, sondern fällt ihm zu Füssen und sagt: „Habe Geduld mit mir: ich will dir's alles bezahlen." Das war offenbar aus aufrichtigem Herzen gesprochen. Er will seine Schuld nicht leugnen, die Last nicht abschütteln, aber er kann jetzt nicht bezahlen.
Der andere wollte ihm nicht vergeben, wollte nicht warten, sondern er wirft ihn ins Gefängnis. Das war nicht der Weg, um die Schuld bezahlt zu bekommen. Wenn er im Gefängnis liegt, kann er nicht bezahlen, und dadurch, dass man auf andere drückt, kommt man nicht zum Ziel. „Wartet aufeinander." Der Herr hat lange auf uns gewartet. Wenn man das erkannt hat, wartet man gern auf andere, steht ihnen nicht mehr fordernd gegenüber, sondern in tragender Fürbitte und Liebe, und was der andere jetzt nicht zahlen kann, das wird ihm gutgeschrieben; er reift dadurch, kommt tiefer hinein in das Meer göttlicher Gnade, um daraus zu schöpfen Geduld, Langmut, zuwartende Liebe. „Ich will dir alles bezahlen", sagt der Mitknecht, aber der andere will nicht, wirst ihn ins Gefängnis.
Das hat nun mit Recht eine tiefe Betrübnis im Kreise der Mitknechte hervorgerufen. Sie wurden nicht erbittert, sondern betrübt. Wohl uns, wenn uns die Handlungsweise anderer nicht mehr erbittert, sondern betrübt, zu Herzen geht! Sie kamen zu ihrem Herrn und berichteten ihm die ganze Geschichte. Da sprach sein Herr zu ihm: „Du böser Knecht . . ." Ja, das war böse. Nicht, dass er ihm gegenüber so verschuldet war, wirft er ihm vor, sondern dass er seinem Mitknecht nicht vergeben und ihm die Schuld nicht erlassen hat.