Behandelter Abschnitt Pred 7,1-9
Einleitung
Der zunehmend sprichwörtliche Charakter der folgenden Kapitel macht es notwendig, sie mehr im einzelnen zu betrachten.
Dieses 7. Kapitel führt einen neuen Gegenstand ein, den man betiteln könnte: Das Verhalten der Weisheit in einer von der Sünde verdorbenen Welt, also inmitten von Eitelkeit, Kummer und Torheit.
Verse 1 9
Es gibt in dieser Welt gewisse Dinge, die besser sind als andere. Trotz Unordnung und Ruin will der Weise sich bemühen, sie zu ergründen, und er wird dabei seinen Gewinn haben. Einen ähnlichen Gedanken fanden wir bereits in Kapitel 4,9–14. Hier stehen die vorzüglicheren Dinge in direktem Gegensatz zu dem, was die Welt schätzt und bevorzugt. Der Weise ist notwendigerweise abgesondert in einer Welt, wo der Tod, der Lohn der Sünde, herrscht. Aber selbst dieser Schauplatz bietet ihm „bessere Dinge“; es sind sieben, eine vollkommene Zahl.
„Besser ein guter Name als gutes Salböl.“ In Sprüche 22,1 ist ein guter Name unter den Menschen vorzüglicher als großer Reichtum. Hier wird er mit den Augen Gottes betrachtet, und er ist vor Ihm besser als das Salböl, mit dem die Priester gesalbt wurden, um ihren Dienst zu verrichten (2. Mose 30,23-33). Hiermit beginnt die Tätigkeit des Weisen.
„Und der Tag des Todes als der Tag, da einer geboren wird.“ Dieser Gedanke bildet die Fortsetzung des vorhergehenden. Der Tag des Todes ist, nachdem man ein Gott geweihtes Leben geführt hat, besser als der Tag des Eintritts in diese Welt. Dies hat in dem Weisen zweimal in seinem Leben den Wunsch aufkommen lassen, niemals geboren worden zu sein (Kap. 4,3; 6,4–5).
„Besser, in das Haus der Trauer zu gehen, als in das Haus des Gelages zu gehen, indem jenes das Ende aller Menschen ist; und der Lebende nimmt es zu Herzen.“ In dieser Welt, wo der Tod regiert, ist das Haus, in dem die Trauer eingezogen ist, besser als eines, in dem die Freude herrscht. Es geziemt sich für den Weisen, im ersten ein- und auszugehen, weil er sich dort in der Gegenwart der Wirklichkeit, des Endes aller Menschen, befindet als Folge der in dieser Welt herrschenden Sünde. Der Lebende nimmt es zu Herzen, indem er das Ende und das Ziel aller Arbeit des Menschen unter der Sonne sieht. Er nährt nicht Pläne und Hoffnungen, die der Tod zerstören kann.
„Besser Bekümmernis als Lachen; denn bei traurigem Angesicht ist es dem Herzen wohl. – Das Herz des Weisen ist im Hause der Trauer, und das Herz der Toren im Hause der Freude.“ Bei Bekümmernissen anderer zugegen zu sein und Tränen fließen zu sehen, ist für das Herz des Menschen besser, stimmt es zu Mitgefühl und veranlaßt es, Worte des Trostes zu spenden. Dies gilt nicht nur dem, der leiden sieht, sondern auch für den, der selbst leidet. Durch die Traurigkeit des Angesichts wirkt Gott an dem Herzen des Menschen, um ihn bessere Dinge finden zu lassen. So zubereitet, ist das Herz des Weisen im Hause der Trauer, an dem Ort, wo Mitleiden geübt werden kann. Das Herz der Toren kennt nichts von diesen Segnungen; die Freude eines Augenblicks genügt ihnen. Und was bleibt ihm dann noch? Bildet das nicht gerade den Inhalt des Predigers? Der Trauernde wird von dem Herrn glückselig gepriesen, denn er wird getröstet werden (Mt 5,4). Für den Christen kommt ein Segen herab von dem Gott alles Trostes, und dieser Trost ist ewig (2Thes 2,16).
„Besser das Schelten der Weisen zu hören, als daß einer den Gesang der Toren hört. Denn wie das Geknister der Dornen unter dem Topfe, so das Lachen des Toren. Auch das ist Eitelkeit.“ Die Weisen benutzen die gemachten Erfahrungen dazu, ihre Mitmenschen auf den richtigen Weg zu bringen. Sie haben sich das Recht erworben, zu tadeln und zurechtzuweisen. Es ist besser, sie zu hören und aus dem Tadel Gewinn zu ziehen, als den Gesang der Toren, dem Ohr wohlklingende Laute, zu hören, in welchem aber nicht mehr Verstand ist als in jenen, die ihn ertönen lassen. Das Lachen des Toren ist nicht von Dauer, es erlischt schnell wie ein Dornenfeuer unter dem Topfe; es knistert und flackert nur einen Augenblick, und dann ist es wieder totenstill. Auch das ist Eitelkeit.
„Denn die Erpressung macht den Weisen toll, und das Bestechungsgeschenk richtet das Herz zu Grunde. Besser das Ende einer Sache als der Anfang.“ Für den Weisen bestehen zwei Gefahren in dieser Welt. Zunächst ist es die Erpressung, die ihn toll macht und zum Aufruhr reizt, wenn er alle die Ungerechtigkeiten sieht, die unter der Sonne ausgeübt werden (vgl. Kap. 4,1 bis 3), und dann eine noch größere Gefahr, das Geschenk, durch welches er sich bestechen und zu den ärgsten Taten verleiten läßt. Dies sind übrigens stets die beiden von Satan benutzten Mittel, um die Menschen zugrunde zu richten: die Gewalttätigkeit und die Korruption oder die List. Deshalb ist auch das Ende besser als der Anfang. Ein Herz, das ohne Zorn und Empörung mit dem Bösen zu tun gehabt hat, Geschenke verweigerte und sich nicht bestechen ließ, geht schließlich aus der Prüfung siegreich hervor. Das ist der Ausgang, den Gott im Auge hatte.3
„Besser der Langmütige als der Hochmütige. Sei nicht vorschnell in deinem Geiste zum Unwillen, denn der Unwille ruht im Busen der Toren.“ In allen diesen Prüfungen hat der Weise Geduld gelernt und sich nicht gegen das Böse erhoben. Die Geduld ist immer demütig, friedfertig und sanftmütig, sie weiß zu leiden und erlangt so die Verheißungen (Heb 6,15). Die Geduld ist der Charakter Christi. Wer geduldig ist, ist nicht vorschnell und gereizt.
Welch ein wunderbares Bild vom Leben des Weisen in Umständen, die als Folge der Sünde dazu angetan sind, seinen Zorn zu erregen, ihn zu reizen oder zu verführen! Er durchschreitet eine Welt, deren Charakter er wohl kennt, und in der er nur Leiden erwartet, aber auch siegreich ist, weil er Grundsätzen folgt, die allem entgegengesetzt sind, was die Menschen leitet.
3 Dies ist wenigstens die Erklärung dieser schwierigen Stelle, die wir dem christlichen Leser unterbreiten.↩︎