Behandelter Abschnitt 5. Mose 11,24-25
Wie wird das Land erobert werden?
„Jeder Ort, auf den eure Fußsohle treten wird, wird euer sein: Von der Wüste und dem Libanon und vom Strom, dem Strom Euphrat, bis an das hintere Meer wird eure Grenze sein. Niemand wird vor euch bestehen; euren Schrecken und eure Furcht wird der Herr, euer Gott, auf das ganze Land legen, auf das ihr treten werdet, so wie er zu euch geredet hat“ (V. 24.25).
Hier wird die göttliche Seite gezeigt. Das ganze Land lag vor ihnen. Sie sollten es einfach als die freie Gabe Gottes in Besitz nehmen. Sie brauchten nur im Glauben das schöne Erbteil zu betreten, das die Gnade für sie bestimmt hatte. In Josua 11 sehen wir alles bestätigt: „Und so nahm Josua das ganze Land ein, nach allem, was der Herr zu Mose geredet hatte; und Josua gab es Israel zum Erbteil, nach ihren Abteilungen, nach ihren Stämmen. Und das Land hatte Ruhe vom Krieg“ (V. 23).18
Aber es gab auch eine menschliche Seite. Die Verheißung Kanaans durch den Herrn, sowie die Inbesitznahme des Landes durch den Glauben Josuas und die tatsächliche Inbesitznahme durch Israel waren zwei verschiedene Dinge. Daher der große Unterschied zwischen dem Buch Josua und dem Buch der Richter. Im Buch Josua sehen wir die unfehlbare Treue Gottes bezüglich seiner Verheißung, im Buch der Richter die traurigen Fehler Israels von Anfang an. Gott hatte sein Wort gegeben, dass niemand vor ihnen bestehen sollte, und das Schwert Josuas, der das Vorbild des großen Anführers unserer Errettung ist, bestätigte diese Verheißung. Aber das Buch der Richter berichtet uns die traurige Tatsache, dass Israel die Austreibung des Feindes unterließ und sich die göttliche Verheißung nicht zu eigen zu machen wusste.
Was nun? Ist die Verheißung Gottes kraftlos? Das nicht, aber die völlige Unfähigkeit des Menschen ist offenbar geworden. Während in Gilgal das Siegesbanner über den zwölf Stämmen mit ihrem unüberwindlichen Anführer an der Spitze wehte, beweinte Israel in Bochim seine Niederlage.
Der Unterschied zwischen diesen beiden Dingen ist leicht einzusehen. Sie finden sich immer wieder in der Heiligen Schrift. Der Mensch schafft es nicht, sich zu der Höhe der göttlichen Offenbarung zu erheben, oder das in Besitz zu nehmen, was die Gnade gibt. Das bestätigt die Geschichte der Versammlung ebenso sehr wie die Israels. Dieses Versagen zeigt sich auch in der Geschichte jedes einzelnen Gliedes der Versammlung. Welcher Christ lebt auf der Höhe seiner geistlichen Vorrechte? Welches Kind Gottes hätte nicht über einen demütigenden Mangel in der Verwirklichung der Berufung Gottes zu klagen? Aber macht dies die Wahrheit Gottes wirkungslos? Nein. Sein Wort bleibt unveränderlich in seiner ganzen göttlichen Vollkommenheit und ewigen Festigkeit bestehen. Wie im Fall Israels das Land der Verheißung in seiner ganzen Ausdehnung und der ihm von Gott verliehenen Schönheit vor ihnen lag, und so wie das Volk bezüglich der Inbesitznahme des Landes auf die Treue und Macht Gottes rechnen konnte, ebenso ist es mit uns. Wir sind in Christus mit jeder geistlichen Segnung in den himmlischen Örtern gesegnet. Der Genuss der mit unserer Stellung verbundenen Vorrechte ist nur eine Frage des Glaubens, der von allem Besitz ergreift, was die Gnade Gottes uns in Christus geschenkt hat.
Der Christ kann und soll auf der Höhe der göttlichen Offenbarung leben. Es gibt keine Entschuldigung für oberflächliche Erfahrungen oder unangemessenes Verhalten. Auch ist die Auffassung verkehrt, dass wir den Besitz der Fülle unseres Erbes in Christus nicht verwirklichen könnten, dass der Maßstab und die Vorrechte zu hoch seien, als dass wir in unserem gegenwärtigen unvollkommenen Zustand diese wunderbaren Segnungen und Würden genießen könnten.
Eine solche Sprache verrät Unglauben. Wenn die Gnade Gottes uns diese Vorrechte geschenkt und wenn uns der Tod Christi ein Anrecht auf sie gegeben hat, warum sollten wir sie dann nicht genießen? Von Gottes Seite steht dem nichts im Weg. Es ist sein Wunsch, dass wir die Fülle unseres Erbes in Christus genießen.
Das wunderbare Gebet des Apostels in Epheser 1,15-23 zeigt uns, wie sehr der Geist Gottes wünscht, dass wir die herrlichen Vorrechte der wahren christlichen Stellung verstehen und genießen. Er ist stets bemüht, unsere Herzen durch seinen Dienst in dieser erhabenen Stellung zu bewahren; aber leider betrüben wir ihn wie Israel durch unseren Unglauben und berauben uns selbst unschätzbaren Segens.
Trotzdem wird Gott seine Worte in jedem Punkt erfüllen, sowohl bezüglich seines irdischen als auch seines himmlischen Volkes. Israel wird einmal alle ihm durch den ewigen Bund zugesicherten Segnungen vollkommen genießen, und die Versammlung wird in den Genuss alles dessen gelangen, was die göttliche Liebe nach ihren ewigen Ratschlüssen in Christus für sie bestimmt hat. Aber der Heilige Geist ist fähig und bereit, jedem einzelnen Gläubigen schon jetzt den Genuss der Hoffnung der herrlichen Berufung Gottes, die praktische Kraft dieser Hoffnung, zu schenken, indem Er das Herz von den sichtbaren Dingen trennt und es für Gott in wahrer Heiligkeit und lebendiger Hingebung absondert.
18 Ohne Zweifel nahm Josua das ganze Land im Glauben ein. Denn wenn es sich um den tatsächlichen Besitz handelt, lesen wir in Josua 13,1, dass noch viel Land in Besitz zu nehmen blieb.↩︎