Behandelter Abschnitt 5. Mose 8,4-6
Die Fürsorge Gottes für sein Volk
Ebenso wertvoll für das Herz des Gläubigen sind die folgenden Worte, in denen der geliebte und geehrte Diener des Herrn auf die Sorgfalt hinweist, die Israel während seiner ganzen Wanderung durch die Wüste von Seiten Gottes erfahren hatte: „Deine Kleidung ist nicht an dir zerfallen, und dein Fuß ist nicht geschwollen diese vierzig Jahre“ (V. 4).
Welch eine Gnade strahlen diese Worte aus! Der Herr trug eine solche Sorge um sein Volk, dass ihre Kleider nicht zerfielen und ihre Füße nicht schwollen. Er ernährte sie nicht nur, sondern kleidete sie auch und dachte daran, dass der Sand der Wüste ihre Füße nicht verletzte. So wachte Er vierzig Jahre lang mit der Fürsorge eines Vaters über sie und gab ihnen alles, was sie brauchten. Der Herr liebte sein Volk, und diese gesegnete Tatsache sicherte ihm alles. Wenn das Volk die Liebe des Herrn nur verstanden hätte! In alledem, was es von Ägypten bis nach Kanaan nötig hatte, gab es nicht das Geringste, was Gott ihm nicht bereitwillig gegeben hätte. Was konnte ihm je mangeln, da eine unendliche Liebe und eine allmächtige Kraft auf seiner Seite standen?
Wir wissen jedoch, dass sich die Liebe in verschiedene Formen kleidet. Sie hat mehr zu tun, als ihre Gegenstände mit Nahrung und Kleidung zu versorgen. Sie hat neben den leiblichen auch auf deren geistliche Bedürfnisse Rücksicht zu nehmen. Und Mose versäumt nicht, das Volk daran zu erinnern, wenn er sagt: „So erkenne in deinem Herzen“- der einzig richtige Weg, um zu echter Erkenntnis zu gelangen – „dass, wie ein Mann seinen Sohn züchtigt, der Herr dein Gott, dich züchtigt“ (V. 5). Wir lieben die Züchtigung nicht, denn sie scheint uns „nicht Freude, sondern Traurigkeit zu sein“ (vgl. Heb 12,11). Es ist einem Sohn schon recht, wenn er aus seines Vaters Hand Nahrung, Kleidung und alles das nehmen kann, was die Liebe des Vaterherzens ihm gewährt; aber er liebt es nicht, wenn der Vater zur Rute greift. Dennoch kann diese gefürchtete Rute gerade das Beste für den Sohn sein. Sie kann für ihn etwas bewirken, was alle äußerlichen Wohltaten nicht können, indem sie ihn von einer schlechten Gewohnheit, einer bösen Neigung oder von schädlichen Einflüssen befreit und so für ihn ein Segen wird, für den er Zeit seines Lebens dankbar sein kann. Es ist wichtig, dass der Sohn die Liebe des Vaters ebenso deutlich in den Züchtigungen wie in den leiblichen Wohltaten sieht, die er täglich erfährt. Aber bei uns ist es meistens nicht so.
Wir freuen uns zwar über die Segnungen des Vaters und sind dankbar, wenn Er unseren Bedürfnissen Tag für Tag entgegenkommt und uns in Zeiten der Bedrängnis und Prüfung hilft. Wir erinnern uns gerne an die uns widerfahrene Gnade und Barmherzigkeit. Ohne Zweifel ist das alles recht und gut und auch gesegnet für das Herz. Aber es besteht die große Gefahr, dass wir bei diesen Wohltaten und Segnungen stehen bleiben und mit dem Psalmisten sagen: „Ich zwar sagte in meinem Wohlergehen: Ich werde niemals wanken. Herr!
In deiner Gunst hattest du meinen Berg festgestellt“ (Ps 30,7.8). Es ist sicher richtig, wenn wir sagen: „in deiner Gunst“, aber wir neigen dazu, bei unserem Berg und bei unserem Wohlergehen stehen zu bleiben und diese Dinge zwischen unsere Herzen und den Herrn kommen zu lassen, so dass sie ein Fallstrick für uns werden. Dann wird die Züchtigung nicht ausbleiben. Unser Vater wacht in treuer Liebe und Fürsorge über uns. Er sieht die Gefahr und sendet Prüfungen. Wir müssen oft durch Tiefen gehen, die unseren schwachen und ängstlichen Herzen überwältigend erscheinen. Der Feind flüstert uns dann zu: Ist das Liebe? Der Glaube antwortet: Ja! Alles ist Liebe und Weisheit, auch der Tod geliebter Angehöriger, der Verlust des Vermögens, lange und schmerzliche Krankheit und ähnliche Dinge.
Das ist der Weg, um den Einflüsterungen Satans zu begegnen und die finsteren Gedanken zu verscheuchen, die in unseren Herzen aufsteigen wollen. Stets müssen wir Gott rechtfertigen und alle seine züchtigenden Wege im Licht seiner Liebe betrachten. „So erkenne in deinem Herzen, dass, wie ein Mann seinen Sohn züchtigt, der Herr, dein Gott, dich züchtigt“ (vgl. auch Heb 12,5-13).
Es ist interessant und nützlich zu sehen, wie Mose der Gemeinde die aus der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft hervorgehenden Motive zum Gehorsam einschärft. Alles wird aufgewandt, um in ihren Herzen das Bewusstsein zu beleben und zu vertiefen, dass der Herr Ansprüche an sie stellt. Sie mussten ihren Blick auf die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft richten, damit die großen Taten des Herrn, die Er für sie getan hatte, tat und noch tun wollte, sie zu heiligem Gehorsam gegen ihn anspornen konnten.
Diese beständige Darlegung sittlicher Beweggründe ist ein besonderer Charakterzug des fünften Buches Mose. Diese Beobachtung beweist, dass wir es hier nicht mit einer Wiederholung des zweiten Buches Mose zu tun haben, sondern dass das fünfte Buch Mose einen eigenständigen Charakter und Zweck hat. „Und halte die Gebote des Herrn, deines Gottes, um auf seinen Wegen zu wandeln und ihn zu fürchten“ (V. 6). Diese Ermahnung gründete sich sowohl auf das, was Gott bereits für sie getan hatte als auch auf das, was Er noch für sie tun wollte. Zunächst sollte Israel einen Beweggrund zum Gehorsam in den Erfahrungen der Wege des Herrn finden, die es während der vierzig Jahre seiner Wüstenwanderung gemacht hatte. Tatsächlich waren die Belehrungen, Demütigungen und Prüfungen, die ihnen zuteilgeworden waren, ferner das Brot vom Himmel, das Wasser aus dem geschlagenen Felsen, die Sorge für ihre Kleider und Füße und endlich die heilsame Zucht Gottes zu ihrem geistlichen Wohl ein mächtiger Beweggrund für sie, den Geboten Gottes zu gehorchen. Aber sie mussten auch ihren Blick auf die Zukunft richten, um darin ebenso wie in Vergangenheit und Gegenwart die Grundlage der Ansprüche des Herrn auf ihren Gehorsam zu erblicken.