Behandelter Abschnitt 5. Mose 6,5-6
Den Herrn und sein Wort lieben
Wir kehren jetzt zu unserem Kapitel zurück. Nachdem Mose der Gemeinde Israel die bedeutsame Grundwahrheit, dass Gott ein einiger Herr ist, vorgestellt hat, fährt er fort, sie an ihre Pflicht zu erinnern, die sie diesem einigen Gott gegenüber hatte. Nicht allein gab es einen Gott, sondern dieser eine Gott war auch ihr Gott. Er hatte sich in seiner herablassenden Gnade mit ihnen verbunden. Er hatte sie wie auf Adlersflügeln getragen und sie zu sich gebracht, damit sie sein Volk und Er ihr Gott sein sollte. Und jetzt sollte sich Israel in einer Weise verhalten, die einer solchen Verbindung würdig war. Doch wie war das möglich? Wie konnte ein solches Verhalten erreicht werden? Es konnte einzig und allein aus einem liebenden Herzen entspringen, und deshalb sagt Mose: „Und du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit deinem ganzen Herzen und mit deiner ganzen Seele und mit deiner ganzen Kraft“ (V. 5). Darin liegt das Geheimnis aller wahren Religion.
Ohne Liebe ist alles wertlos für Gott. „Gib mir, mein Sohn, dein Herz!“ (Spr 23,26). Wo das geschehen ist, da wird alles andere richtig stehen. Man kann das Herz mit dem Regulator einer Taschenuhr vergleichen. Dieser wirkt nacheinander über die Spiralfeder auf die Hauptfeder und auf die Zeiger, die sich auf dem Zifferblatt drehen. Wenn meine Uhr zu schnell oder zu langsam geht, so sind diese Mängel nicht dadurch zu beheben, dass ich die Zeiger verrücke. Ich muss den Regulator stellen. So ist das Herz gleichsam der Regulator des Menschen. Ist unser Herz in einem guten Zustand, so wird auch unser ganzes Verhalten gut sein. All unser Tun und Lassen wird immer mit dem Zustand unseres Innern übereinstimmen. Äußerliche Änderungen und Verbesserungen sind nicht von Dauer. Es muss wirklich Herzenssache sein. Gott blickt auf das Herz. Sein Wort an uns ist: „Kinder, lasst uns nicht lieben mit Worten noch mit der Zunge, sondern in Tat und Wahrheit“ (1Joh 3,18)!
Wie offenbaren diese Worte die Liebe seines Herzens! Er liebt uns in Tat und Wahrheit, und dasselbe erwartet Er von uns, sowohl ihm gegenüber als auch im Umgang miteinander. Alles muss unmittelbar aus dem Herzen kommen. „Und diese Worte, die ich dir heute gebiete, sollen auf deinem Herzen sein“ (V. 6). Das ist beachtenswert. Was im Herzen ist, kommt auch über die Lippen und wird offenbar im ganzen Leben. Wie wichtig ist es daher, das Herz mit dem Wort Gottes so ganz erfüllt zu haben, dass kein Raum mehr bleibt für die Eitelkeiten und Torheiten dieser Welt! Unsere Unterhaltungen werden dann allezeit in Gnade und mit Salz gewürzt sein. „Denn aus der Fülle des Herzens redet der Mund“ (Mt 12,34). Stets können wir nach dem, was aus dem Mund kommt, das Herz beurteilen. Die Zunge ist gleichsam das Organ des Herzens, ja, des ganzen Menschen. „Der gute Mensch bringt aus dem guten Schatz Gutes hervor, und der böse Mensch bringt aus dem bösen Schatz Böses hervor“ (Mt 12,35). Wenn das Herz durch das Wort Gottes regiert wird, so zeigen sich die gesegneten Folgen im ganzen Charakter.
Die Heilige Schrift zeigt immer wieder, welchen Wert Gott auf einen guten Zustand des Herzens legt – im Blick auf sich selbst und auf sein Wort, was eigentlich dasselbe ist. Ist das Herz kalt und gleichgültig gegenüber Gott und seiner Wahrheit, so wird sich früher oder später ein Abweichen von dem Weg der Gerechtigkeit und der Wahrheit zeigen. Deshalb ermahnte Barnabas die Neubekehrten in Antiochien, „mit Herzensentschluss bei dem Herrn zu verharren“ (Apg 11,23). Wie nötig ist diese Ermahnung für alle Zeiten! Ein solcher Herzensentschluss hat allein Wert für Gott. Er gibt dem Charakter des Christen einen würdigen Ernst, den wir alle ernstlich begehren sollten. Er ist ein göttliches Heilmittel gegen Kälte, Gleichgültigkeit und totes Formenwesen, ja, gegen alles, was Gott verunehrt. Unser äußeres Verhalten mag korrekt und unser Bekenntnis glaubwürdig sein, aber wenn der ernste Entschluss des Herzens fehlt, wenn wir nicht mit unserem ganzen Sein bei Gott und dem Herrn Jesus verharren, dann ist alles wertlos.
Das Herz ist außerdem das Mittel, durch das der Heilige Geist belehrt. Deshalb betet der Apostel für die Heiligen in Ephesus, dass sie erleuchtet werden möchten an den Augen ihres Herzens und dass Christus in ihren Herzen wohnen möge durch Glauben. So stimmt die ganze Schrift mit der Ermahnung in unserem Kapitel überein: „Und diese Worte, die ich dir heute gebiete, sollen auf deinem Herzen sein.“ Wäre Israel dieser Ermahnung gefolgt, so wäre es in der Nähe seines Bundesgottes geblieben und vor allem Bösen, besonders aber vor der abscheulichen Sünde der Abgötterei, bewahrt worden. Hätten sie in Wahrheit des Herrn Wort in ihre Herzen eingeschlossen, so wären sie der Gefahr, Baal und Astaroth anzubeten, nicht erlegen. Beachten wir, wie der Charakter des fünften Buches Mose auch hier wieder in so lebendiger Weise hervortritt. Es ist nicht ein Buch der Zeremonien, sondern des Gehorsams.
Das Wort Gottes ist sein erhabenes, wichtiges Thema, das Wort des Herrn in den Herzen des Volkes Israel. Wir finden in fast jedem einzelnen Teil die Belehrung, dass ein Herz, das das Wort Gottes liebt und ehrt, immer zum Gehorsam bereit ist, sei es, ein Opfer darzubringen oder einen bestimmten Tag zu halten. Ein Israelit konnte an einen Ort oder in Umstände kommen, wo ihm eine strenge Befolgung der Gebräuche und Zeremonien unmöglich wurde; aber nie konnte er in eine Lage geraten, in der er das Wort Gottes nicht lieben, ehren und ihm gehorchen konnte. Mochte er selbst als ein armer Gefangener bis an das Ende der Erde weggeführt werden, so konnte ihm doch nichts das hohe Vorrecht rauben, mit dem Psalmisten zu sagen: „In meinem Herzen habe ich dein Wort verwahrt, damit ich nicht gegen dich sündige“ (Ps 119,11).
Ergreifende Worte! Sie enthalten den Hauptgrundsatz des göttlichen Lebens, wie er zu allen Zeiten gültig ist, der nie seinen Wert und seine Kraft verlieren kann. So zutreffend dieser Grundsatz in den Tagen der Patriarchen war, so zutreffend ist er heute für jeden einzelnen Gläubigen mitten im hoffnungslosen Ruin der Versammlung. Gehorsam gegenüber dem Schöpfer und seinem ewigen Wort ist immer die Pflicht und das Vorrecht des Geschöpfes. Gott hat uns sein Wort gegeben, und Er ermahnt uns, dieses Wort reichlich in unseren Herzen wohnen zu lassen und ihm zu erlauben, seinen heiligenden Einfluss auf unseren ganzen Wandel und Charakter auszuüben.