Behandelter Abschnitt 5. Mose 4,41-49
Drei Zufluchtsstädte östlich des Jordan
„Damals sonderte Mose drei Städte diesseits des Jordan aus, gegen Sonnenaufgang, damit ein Totschläger dahin fliehe, der seinen Nächsten unabsichtlich erschlagen hat, und er hasste ihn vordem nicht – damit er in eine von diesen Städten fliehe und am Leben bleibe: Bezer in der Wüste, im Land der Ebene, für die Rubeniter, und Ramot in Gilead für die Gaditer, und Golan in Basan für die Manassiter“ (V. 41–43).
Die Gnade Gottes ist immer weitaus größer als alle menschlichen Schwachheiten und Fehler. Dadurch, dass die zweieinhalb Stämme sich ihr Erbe östlich des Jordan wählten, hatten sie sich selbst des eigentlichen Erbteils des Volkes Gottes beraubt. Das Erbteil Gottes war auf der anderen Seite des Todesstromes. Aber ungeachtet dieses Fehlers wollte Gott in seiner reichen Gnade einen armen Totschläger in seiner Not nicht ohne Zuflucht lassen. Wenn der Mensch auch nicht die Höhe der Gedanken Gottes erreichen kann, so kann doch Gott hinuntersteigen zu den Tiefen der menschlichen Bedürfnisse. Sein Segen besteht hier darin, dass Er den zweieinhalb Stämmen genauso wie allen übrigen Stämmen, die im Land Kanaan wohnten, die gleiche Anzahl Zufluchtsstädte gibt.
Das war wirklich eine große Gnade. Wie ganz anders würde ein Mensch gehandelt haben! Hätte Gott in gesetzlicher Weise mit den zweieinhalb Stämmen gehandelt, so hätte Er zu ihnen sagen müssen: „Wenn ihr euer Erbteil außerhalb der göttlichen Grenzen erwählt, wenn ihr mit weniger zufrieden seid als mit Kanaan, dem Land der Verheißung, so könnt ihr nicht erwarten, die Segnungen und Vorrechte dieses Landes zu genießen. Die Vorzüge Kanaans müssen auf Kanaan beschränkt bleiben. Eure Totschläger müssen versuchen, über den Jordan zu kommen, um dort eine Zufluchtsstätte zu finden.“ Doch die Gnade spricht und handelt anders. Es wäre schon eine bewunderungswürdige Gnade gewesen, wenn die zweieinhalb Stämme eine einzige Zufluchtsstadt bekommen hätten. Allein unser Gott tut immer viel mehr, als wir erbitten oder erdenken können. Daher wurde der verhältnismäßig kleine Bezirk östlich des Jordan von Gott genauso versorgt wie das ganze Land Kanaan. Beweist das, dass die zweieinhalb Stämme richtig gehandelt hatten? Nein, sondern es beweist, dass Gott gütig ist, trotz aller unserer Schwachheit und Torheit. Hätte Er einen armen Totschläger im Land Gilead ohne Zuflucht lassen können? Nein, Gott wollte sich verherrlichen.
Wir lesen in Jesaja 46,13: „Ich habe meine Gerechtigkeit nahe gebracht.“ Er sorgte dafür, dass die Zufluchtsstätte für den Totschläger „nahe“ war. Er wollte, dass seine reiche, überströmende Gnade dem Bedürftigen gerade an dem Ort zukam, wo er sich aufhielt. So handelt unser Gott stets, gepriesen sei sein heiliger Name ewiglich! „Und dies ist das Gesetz, das Mose den Kindern Israel vorlegte; dies sind die Zeugnisse und die Satzungen und die Rechte, die Mose zu den Kindern Israel redete, als sie aus Ägypten zogen, diesseits des Jordan, im Tal, Beth-Peor gegenüber, im Land Sihons, des Königs der Amoriter, der in Hesbon wohnte, den Mose und die Kinder Israel schlugen, als sie aus Ägypten zogen. Und sie nahmen sein Land in Besitz, und das Land Ogs, des Königs von Basan, das Land der zwei Könige der Amoriter, die diesseits des Jordan waren, gegen Sonnenaufgang; von Aroer, das am Ufer des Baches Arnon ist, bis an den Berg Sion, das ist der Hermon; und die ganze Ebene diesseits des Jordan, gegen Sonnenaufgang, und bis an das Meer der Ebene unter den Abhängen des Pisga“ (V. 44–49).
Hiermit schließt die wunderbare Ansprache. Es ist die Freude Gottes, die Grenzen seines Volkes zu bestimmen und bei den kleinen Dingen zu verweilen, die in Verbindung mit der Geschichte des Volkes stehen. Er nimmt mit liebendem Interesse teil an allem, was sie betrifft, an ihren Kämpfen, Siegen, Besitzungen und Landesgrenzen. Auch bei den kleinen Dingen verweilt Er mit Teilnahme und erfüllt durch diese Gnade und Herablassung die Herzen mit Bewunderung, Dank und Anbetung. Der Mensch, in seiner Selbstüberhebung, hält es für unter seiner Würde, sich mit Kleinigkeiten zu beschäftigen, aber unser Gott zählt die Haare auf unserem Haupt und kennt jede unserer Sorgen, jeden Kummer und jedes Bedürfnis. Es ist nichts zu klein für seine Liebe und nichts zu groß für seine Macht. Es gibt nicht einen einzigen, noch so unbedeutenden Umstand unseres Lebens, um den Er sich nicht kümmert.
Wir denken leider wenig daran, dass unser Vater an allen unseren kleinen Sorgen und Kümmernissen Anteil nimmt und dass wir zu ihm gehen dürfen mit allem, was uns bewegt und uns bedrückt! Wir denken oft, solche Kleinigkeiten seien zu gering für den Hohen und Mächtigen, der die Himmel bewohnt und über dem Erdkreis thront. Doch wie sehr werden wir dadurch unschätzbarer Segnungen in unserem täglichen Leben beraubt. Wir wollen daran denken, dass für unseren Gott die großen und die kleinen Dinge gleich sind. Er erhält das Weltall durch die Macht seines Wortes, und Er nimmt Kenntnis von dem Sperling, der vom Dach herunterfällt. Es ist für ihn nicht schwerer, eine Welt zu erschaffen, als für eine arme Witwe eine Mahlzeit zu bereiten. Die Größe seiner Macht und die Herrlichkeit seiner Regierung wie die liebevolle Fürsorge seines Herzens für die Kinder Gottes rufen in gleicher Weise unsere Bewunderung und Anbetung wach.