Behandelter Abschnitt 5. Mose 4,25-36
Endgültige Erfüllung von Gottes Verheißungen
Wir verzichten an dieser Stelle auf weitere Zitate, um diese Anschauung über Israels Vergangenheit und Zukunft zu beweisen. Wir möchten nur die Aufmerksamkeit auf dieses interessante Thema lenken. Wie lebendig und treffend wird die Vergangenheit Israels in den wenigen Worten geschildert: „Wenn du Kinder und Kindeskinder zeugen wirst und ihr euch im Land eingelebt habt und ihr euch verderbt und euch ein geschnitztes Bild macht, ein Gleichnis von irgendetwas, und tut, was böse ist in den Augen des Herrn, deines Gottes, um ihn zu reizen . . . “ (V. 25). Die ganze Geschichte Israels ist hier in einem Satz zusammengefasst: „Sie haben Böses getan in den Augen des Herrn, deines Gottes, ihn zu reizen.“ Das eine Wort „Böses“ umfasst alles, von dem goldenen Kalb am Horeb bis zu dem Kreuz auf Golgatha. Wie schrecklich hat sich der Fluch des Herrn erfüllt! Israel ist ein fortwährendes Denkmal der unveränderlichen Wahrheit Gottes. Nicht ein einziges Strichlein von dem ist ausgefallen, was Gott zu ihnen gesprochen hatte. Das Volk ist vertrieben worden aus dem Land, in das sie einst über den Jordan eingezogen waren, um es zu besitzen. Ihre Tage sind „nicht verlängert, sondern gänzlich vertilgt“ (26) worden. Der Herr hat sie „unter die Völker zerstreut“, und übrig geblieben ist „ein zählbares Häuflein unter den Nationen“ (V. 27), wohin der Herr sie geführt hat.
Genau das ist eingetroffen. Israels Vergangenheit und Gegenwart bezeugen gleichermaßen die Wahrheit des Wortes Gottes. Und wenn das bei der Vergangenheit und der Gegenwart so ist, sollte für die Zukunft Israels eine andere Regel gelten? Sowohl die Geschichte als auch die Prophezeiungen sind beide durch denselben Geist aufgezeichnet worden. Wie uns die Geschichte Israels seine Sünde und Zerstreuung berichtet, so weissagen die Propheten von der Buße und Wiederherstellung des Volkes. Für den Glauben ist beides eine Tatsache. So unbestritten wie Israel damals gesündigt hat und jetzt zerstreut ist, so gewiss wird es in Zukunft Buße tun und wiederhergestellt werden. Außer Jona, der allein einen Auftrag an die Nationen hatte, haben alle Propheten von Jesaja bis Maleachi die herrliche Zukunft des Volkes Israel vorausgesagt. Wir überlassen es jedoch dem Leser, die entsprechenden Stellen zu diesem Thema aufzusuchen, und weisen besonders hin auf die letzten Kapitel des Propheten Jesaja.
Hier wird sehr ausführlich behandelt, was der Apostel Paulus mit den Worten ausdrückt: „. . . und so wird ganz Israel errettet werden“ (Röm 11,26). Alle Propheten stimmen damit überein, und die Lehre des Neuen Testaments steht in völligem Einklang mit den Aussagen der Propheten. Wenn man die Wahrheit von der Wiederherstellung Israels in dem Land Palästina sowie seine zukünftige Segnung unter der Regierung seines Messias infrage stellt, so tut man dem Zeugnis der Apostel und Propheten, die durch die Inspiration des Heiligen Geistes geredet und geschrieben haben, Gewalt an.
Kann ein aufrichtiger Christ eine so deutliche Wahrheit bezweifeln? Ja, es kommt vor. Vielfach werden Gottes Verheißungen an die alttestamentlichen Väter auf die Versammlung angewendet. Aber man darf sie nicht auf andere anwenden, als auf die, denen sie gegeben wurden. Wir können uns an den Verheißungen erfreuen und auch Trost und Ermunterung aus ihnen schöpfen. Aber das ist etwas anderes, als Prophezeiungen und Verheißungen auf die Versammlung oder die Gläubigen der neutestamentlichen Zeit anzuwenden, die nach den eindeutigen Belehrungen der Schrift nur auf Israel, auf die Nachkommen Abrahams nach dem Fleisch Bezug haben.
Die Anwendung auf die Versammlung ist den Gedanken Gottes entgegengesetzt. Obwohl die meisten Christen mit den Worten des Apostels in Römer 11 vertraut sind, werden sie doch nur wenig verstanden. Anknüpfend an den Ölbaum der Verheißung, sagt Paulus: „Auch jene (das Volk Israel) aber, wenn sie nicht im Unglauben bleiben, werden eingepfropft werden; denn Gott vermag sie wieder einzupfropfen. Denn wenn du aus dem von Natur wilden Ölbaum ausgeschnitten und gegen die Natur in den edlen Ölbaum eingepfropft worden bist, wie viel mehr werden diese, die natürlichen Zweige, in ihren eigenen Ölbaum eingepfropft werden!
Denn ich will nicht, Brüder, dass euch dieses Geheimnis unbekannt sei, damit ihr nicht euch selbst für klug haltet: dass Israel zum Teil Verhärtung widerfahren ist, bis die Vollzahl der Nationen eingegangen sein wird;9und so wird ganz Israel errettet werden, wie geschrieben steht: ‚Aus Zion wird der Erretter kommen, er wird die Gottlosigkeit von Jakob abwenden; und dies ist für sie der Bund von mir, wenn ich ihre Sünden wegnehmen werde!‘ Hinsichtlich des Evangeliums sind sie zwar Feinde, um euretwillen, hinsichtlich der Auswahl aber Geliebte, um der Väter willen. Denn die Gnadengaben und die Berufung Gottes sind unbereubar. Denn wie ihr einst Gott nicht geglaubt habt, jetzt aber unter die Begnadigung gekommen seid durch deren Unglauben, so haben auch jetzt diese an eure Begnadigung nicht geglaubt, damit auch sie unter die Begnadigung kommen.“ Das heißt, dass sie anstatt aufgrund des Gesetzes oder der fleischlichen Abstammung unter die Begnadigung zu kommen, einfach aufgrund der unumschränkten Gnade hineinkommen werden, gerade wie die Heiden. „Denn Gott hat alle zusammen in den Unglauben eingeschlossen, um alle zu begnadigen“ (Röm 11,23-32).
Hier endet der Teil des Briefes, in dem der Apostel die göttlichen Geheimnisse über Israel mitgeteilt hat. Die überströmenden Gefühle seines Herzens drückt er in den herrlichen Worten aus: „O Tiefe des Reichtums, sowohl der Weisheit als auch der Erkenntnis Gottes! Wie unausforschlich sind seine Gerichte und unergründlich seine Wege! Denn wer hat den Sinn des Herrn erkannt, oder wer ist sein Mitberater gewesen? Oder wer hat ihm zuvor gegeben, und es wird ihm vergolten werden? Denn von ihm“, als der Quelle, „und durch ihn“, als dem Kanal, „und für ihn“, als dem Gegenstand, „sind alle Dinge; ihm sei die Herrlichkeit in Ewigkeit! Amen“ (Röm 11,33-36).
Dieser Abschnitt, ja, die ganze Heilige Schrift steht in vollkommener Übereinstimmung mit den Belehrungen des vierten Kapitels des fünften Buches Mose. Israels gegenwärtiger Zustand ist die Folge seines Unglaubens, seine zukünftige Herrlichkeit wird die Frucht der reichen, unumschränkten Gnade Gottes sein.
In den dann folgenden Versen (31–36) wird der Zweck aller Wege und Handlungen Gottes mit Israel dargelegt. Das Volk sollte erkennen, dass der Herr der einzig wahre und lebendige Gott war, und dass kein anderer neben ihm sein konnte. Es ist der Vorsatz Gottes, dass Israel auf der Erde ein Zeugnis für ihn sein soll. Israel wird das mit Sicherheit einmal sein, wenn es auch bis heute in trauriger Weise abgewichen ist. Nichts kann Gott hindern, seine Vorsätze auszuführen. Sein Bund steht ewig fest.
Israel wird in Zukunft ein gesegnetes und wirkungsvolles Zeugnis auf der Erde sein und ein Kanal reicher Segnungen für alle Völker. Der Herr hat sein Wort hierfür als Pfand gesetzt, und keine Macht der Erde und der Hölle kann ihn hindern, alles vollkommen zu erfüllen, was Er vorausgesagt hat. Seine Herrlichkeit ist mit der zukünftigen Segnung Israels eng verbunden. Würde etwas fehlen an dem, was Er vorausgesagt hat, so würde Er verunehrt werden; das wäre eine Gelegenheit für den Feind, ihn zu lästern.
9 Wir möchten noch auf den Unterschied aufmerksam machen, der zwischen „der Vollzahl der Nationen“ in Römer 11 und „den Zeiten der Nationen“ in Lukas 21 besteht. Die Vollzahl der Nationen sind diejenigen, welche zurzeit in der Versammlung gesammelt werden. Der Ausdruck „Zeiten der Nationen“ bezeichnet dagegen die Obe rherrschaft der Nationen, die mit Nebukadnezar begann und bis zu der Zeit währen wird, wo der Stein, „losgerissen ohne Hände“, in zermalmender Kraft auf das „große Bild“ fallen wird (vgl. Dan 2).↩︎