Behandelter Abschnitt 4. Mose 20,7-13
Der zu Unrecht geschlagene Fels
„Und der Herr redete zu Mose und sprach: Nimm den Stab und versammle die Gemeinde, du und dein Bruder Aaron, und redet vor ihren Augen zu dem Felsen, so wird er sein Wasser geben; und du wirst ihnen Wasser aus dem Felsen hervorbringen und der Gemeinde zu trinken geben und ihrem Vieh. Und Mose nahm den Stab vor dem Herrn weg, so wie er ihm geboten hatte. Und Mose und Aaron versammelten die Versammlung vor dem Felsen; und er sprach zu ihnen: Hört doch, ihr Widerspenstigen! Werden wir euch Wasser aus diesem Felsen hervorbringen? Und Mose erhob seine Hand und schlug den Felsen mit seinem Stab zweimal; da kam viel Wasser heraus, und die Gemeinde trank und ihr Vieh“ (V. 7–11).
In dieser Stelle sind zwei Dinge besonders wichtig: der Fels und der Stab. Beide stellen sie Christus dar, jedoch unter verschiedenen Gesichtspunkten. In 1. Korinther 10,4 lesen wir: „Sie tranken aus einem geistlichen Felsen, der sie begleitete. Der Fels aber war der Christus.“ Das ist klar und bestimmt und lässt der Phantasie keinen Raum. „Der Fels war der Christus“, Christus, geschlagen für uns.
Was den Stab betrifft, so müssen wir uns daran erinnern, dass es nicht der Stab Moses, also der Stab der Autorität und der Macht, war. Der wäre hier nicht passend gewesen. Er hatte sein Werk getan. Er hatte den Felsen einmal geschlagen, und das war genug. Das sehen wir in 2. Mose 17,5.6, wo wir lesen: „Und der Herr sprach zu Mose: Geh vor dem Volk her, und nimm mit dir einige von den Ältesten Israels; und deinen Stab, womit du den Strom geschlagen hast, nimm in deine Hand und geh hin. Siehe, ich will dort vor dir stehen auf dem Felsen am Horeb; und du sollst auf den Felsen schlagen, und es wird Wasser daraus hervorkommen, dass das Volk trinke. Und Mose tat so vor den Augen der Ältesten Israels.“
Hier wird uns ein Bild von Christus gezeigt, der von der Hand Gottes für uns im Gericht geschlagen wurde. Beachtenswert ist der Ausdruck: „den Stab, womit du den Strom geschlagen hast“. Warum wird dieser besondere Schlag mit dem Stab hier erwähnt? 2. Mose 7,20 gibt uns die Antwort: „Und er [Mose] erhob den Stab und schlug das Wasser, das im Strom war, vor den Augen des Pharaos und vor den Augen seiner Knechte. Da wurde alles Wasser, das im Strom war, in Blut verwandelt.“ Der Stab, der das Wasser in Blut verwandelt hatte, sollte „den Felsen, der Christus war“, schlagen, damit Ströme des Lebens und der Erfrischung für uns daraus hervorfließen möchten.
Aber dieses Schlagen sollte nur einmal stattfinden. Es darf niemals wiederholt werden. Es kann keine Wiederholung des Todes Christi geben. Daher tat Mose unrecht, als er den Felsen zweimal mit seinem Stab schlug. Es war falsch, dass er ihn hier überhaupt schlug. Er hatte den Auftrag, „den Stab“, den Stab Aarons, den priesterlichen Stab, zu nehmen und zu dem Felsen zu reden. Das Versöhnungswerk ist vollbracht, und nun ist unser großer Hoherpriester in die Himmel eingegangen, um dort vor dem Angesicht Gottes zu erscheinen für uns. Die Ströme geistlicher Erfrischung fließen uns zu in Folge der vollbrachten Erlösung und im Zusammenhang mit dem priesterlichen Dienst Christi, von dem Aarons sprossender Stab ein so treffendes Bild ist.
Es war daher ein Fehler von Mose, dass er den Felsen zum zweiten Mal schlug; und es war ein Fehler, dass er seinen Stab überhaupt gebrauchte. Hätte er mit dem Stab Aarons geschlagen, so wären dessen schöne Blüten verdorben worden, wie wir uns leicht vorstellen können. Aber ein Wort in Verbindung mit dem Stab des Priestertums, dem Stab der Gnade, wäre genug gewesen. Mose erkannte dies nicht; er versagte hier darin, Gott zu verherrlichen. Er redete unbedacht. Die Folge davon war, dass er nicht über den Jordan gehen durfte. Sein Stab konnte das Volk nicht hinüberbringen; denn was hätte bloße Gewalt mit einem murrenden Volk ausrichten können? Aber auch ihm selbst wurde nicht erlaubt, hinüberzugehen, weil er den Herrn nicht vor den Augen der Versammlung geheiligt hatte.
Doch der Herr trug Sorge für seine Verherrlichung. Er heiligte sich selbst vor dem Volk; denn trotz ihres aufrührerischen Murrens und trotz des traurigen Fehlers von Mose empfing die Versammlung des Herrn Wasser aus dem geschlagenen Felsen. Aber die Gnade triumphierte nicht nur dadurch, dass sie den murrenden Heeren Israels zu trinken gab, sie strahlte auch herrlich in Bezug auf Mose selbst, wie wir aus 5. Mose 34 ersehen können. Die Gnade war es, die Mose auf den Gipfel des Pisga führte und ihm von dort aus das Land Kanaan zeigte.
Die Gnade war es, die den Herrn für seinen Diener ein Grab bereiten und ihn darin begraben ließ. Es war besser, das Land in Gemeinschaft mit Gott zu sehen, als es in Gemeinschaft mit Israel zu betreten. Dennoch dürfen wir nicht vergessen, dass Mose wegen seines unbedachten Redens nicht in das Land hineingehen durfte. Nach seiner Regierung hielt Gott Mose außerhalb Kanaans, in seiner Gnade aber führte Er Mose auf den Pisga. Diese beiden Tatsachen in der Geschichte Moses zeigen sehr klar den Unterschied zwischen Gnade und Regierung. Die Gnade vergibt und segnet; aber die Regierung geht unabhängig hiervon ihren eigenen Gang. „Denn was irgend ein Mensch sät, das wird er auch ernten“ (Gal 6,7). Dieser Grundsatz zieht sich durch alle Regierungswege Gottes hin und das ist sehr ernst. Aber nichtsdestoweniger herrscht die Gnade „durch Gerechtigkeit zu ewigem Leben durch Jesus Christus, unseren Herrn“ (Röm 5,21).