Behandelter Abschnitt 4. Mose 19,5-10
Die Asche der jungen roten Kuh
Nachdem ich die wertvolle Wahrheit, die uns in dem Tod der roten Kuh dargestellt ist, zu zeigen versucht habe, wollen wir jetzt ein wenig über das Verbrennen der Kuh nachdenken. Wir haben das Blut betrachtet. Sehen wir uns jetzt die Asche an! In dem Blut sahen wir den Opfertod Christi als das einzige Reinigungselement für die Sünde. In der Asche erkennen wir das Andenken an diesen Tod. Der Geist wendet es durch das Wort auf das Herz an, um jede Befleckung zu entfernen, die wir uns in unserem täglichen Wandel zuziehen. Das gibt diesem bemerkenswerten Bild Vollständigkeit und Schönheit. Gott hat nicht nur für vergangene Sünden, sondern auch für gegenwärtige Verunreinigung Vorsorge getroffen, so dass wir immer in dem ganzen Wert und Ansehen des vollkommenen Werkes Christi vor ihm sein können. Er will, dass wir „völlig rein“ die Höfe seines Heiligtums, den heiligen Bereich seiner Gegenwart betreten. Aber nicht nur Er selbst sieht uns so, sondern Er will auch, dass wir uns in unserem eigenen inneren Bewusstsein als solche betrachten. Er will uns durch seinen Geist, durch das Wort das tiefe Gefühl davon geben, dass wir vor ihm rein sind, damit unsere Gemeinschaft mit ihm ungestört und ungehindert sein kann. „Wenn wir in dem Licht wandeln, wie er in dem Licht ist, so haben wir Gemeinschaft miteinander, und das Blut Jesu Christi, seines Sohnes, reinigt uns von aller Sünde“ (1Joh 1,7).
Aber wenn wir darin versagen, im Licht zu wandeln – wenn wir vergessen und in unserer Vergesslichkeit das Unreine anrühren, wie kann dann unsere Gemeinschaft wiederhergestellt werden? Nur durch das Wegtun der Unreinigkeit. Und wie geschieht das? Dadurch, dass die kostbare Wahrheit vom Tod Christi auf unser Herz und Gewissen angewandt wird. Der Heilige Geist bewirkt Selbstgericht und ruft uns die Wahrheit ins Gedächtnis zurück, dass Christus für diese Verunreinigung, der wir uns so leichthin und gleichgültig schuldig gemacht haben, den Tod erlitt. Es handelt sich nicht um ein erneutes Vergießen des Blutes Christi (eine der Heiligen Schrift völlig unbekannte Sache), sondern darum, dass sein Tod durch den Dienst des Heiligen Geistes dem reuigen Herzen neu ins Gedächtnis zurückgerufen wird. „Und man soll die junge Kuh vor seinen Augen verbrennen . . . Und der Priester soll Zedernholz und Ysop und Karmesin nehmen und es mitten in den Brand der jungen Kuh werfen . . . Und ein reiner Mann soll die Asche der jungen Kuh sammeln und sie außerhalb des Lagers an einen reinen Ort schütten, und sie soll für die Gemeinde der Kinder Israel aufbewahrt werden zum Wasser der Reinigung; es ist eine Entsündigung“ (V. 5–9).
Gott will, dass seine Kinder von aller Ungerechtigkeit gereinigt werden und dass sie getrennt von der gegenwärtigen bösen Welt, in der alles Tod und Unreinigkeit ist, ihren Weg gehen. Diese Absonderung erfolgt durch die Wirkung des Wortes Gottes auf das Herz durch die Kraft des Heiligen Geistes. „Gnade euch und Friede von Gott, dem Vater, und unserem Herrn Jesus Christus, der sich selbst für unsere Sünden gegeben hat, damit er uns herausnehme aus der gegenwärtigen bösen Welt, nach dem Willen unseres Gottes und Vaters“ (Gal 1,3.4). Und ferner: „Indem wir erwarten die glückselige Hoffnung und Erscheinung der Herrlichkeit unseres großen Gottes und Heilandes Jesus Christus, der sich selbst für uns gegeben hat, damit er uns von aller Gesetzlosigkeit loskaufte und sich selbst ein Eigentumsvolk reinigte, das eifrig sei in guten Werken“ (Tit 2,13.14).
Es ist bemerkenswert, wie der Geist Gottes die völlige Befreiung des Gewissens von jedem Gefühl der Schuld und die Befreiung des Herzens von dem moralischen Einfluss der gegenwärtigen bösen Welt immer wieder in enger Verbindung miteinander darstellt. Es sollte unsere Sorge sein, diese Verbindung unversehrt zu erhalten. Selbstverständlich können wir es nur durch die Kraft des Heiligen Geistes. Aber wir sollten mit allem Ernst danach streben, die Verbindung, die zwischen dem Tod Christi als Sühnung für die Sünde einerseits und der moralischen Kraft der Absonderung von dieser Welt andererseits besteht, zu verstehen und praktisch zu verwirklichen. Manche Kinder Gottes kommen nie über das Erstere hinaus, wenn sie überhaupt bis dahin gelangen. Viele scheinen ganz zufrieden zu sein mit der Erkenntnis, dass durch das Versöhnungswerk Christi ihre Sünden vergeben sind, während sie nicht verwirklichen, dass sie für die Welt tot sind durch den Tod Christi und in diesem Tod mit ihm einsgemacht sind.
Wenn wir nun das Verbrennen der roten Kuh sehen und den geheimnisvollen Aschehaufen betrachten – was finden wir dann? Man könnte antworten: „Wir finden dort unsere Sünden.“ In der Tat, Gott sei Dank dafür, hier finden sich unsere Sünden, Ungerechtigkeiten und Übertretungen, unsere blutrote Schuld – in Asche verwandelt. Aber ist das alles? Nein! Wir finden hier die Natur in jeder Form ihres Seins vom höchsten bis zum niedrigsten Punkt ihrer Geschichte, und außerdem alle Herrlichkeit dieser Welt. Zeder und Ysop repräsentieren die Natur in ihren größten Extremen, und damit wird auch alles umfasst, was dazwischen liegt. Salomo redete „über die Bäume, von der Zeder, die auf dem Libanon ist, bis zum Ysop, der an der Mauer herauswächst“ (1Kön 5,13). „Karmesin“ wird im Allgemeinen als Bild oder Ausdruck menschlichen Glanzes, weltlicher Größe und der Herrlichkeit der Welt und des Menschen gesehen. Das Verbrennen der roten Kuh versinnbildlicht also das Ende aller Größe der Welt und aller menschlichen Herrlichkeit und das völlige Beiseitesetzen des Fleisches mit allem, was zu ihm gehört. Das gibt dem Verbrennen der Kuh eine tiefe Bedeutung. Es zeigt uns im Bild eine Wahrheit, die zu wenig erkannt oder zu leicht vergessen wird, eine Wahrheit, die der Apostel in Fragenden Worten ausdrückt: „Von mir aber sei es fern, mich zu rühmen, als nur des Kreuzes unseres Herrn Jesus Christus, durch den mir die Welt gekreuzigt ist, und ich der Welt“ (Gal 6,14).
Wir alle sind gern bereit, das Kreuz als die Grundlage unserer Befreiung von allen Folgen unserer Sünden und der völligen Annahme bei Gott zu betrachten, aber gleichzeitig fällt es uns schwer, es als Grund unserer vollständigen Trennung von der Welt zu sehen. Wohl ist es, Gott sei Dank, die feste Grundlage unserer Befreiung von Schuld und Verdammnis, aber es ist mehr als das. Es hat uns für immer von allem getrennt, was zu dieser Welt gehört, durch die wir gehen. Meine Sünden sind entsprechend der Vollkommenheit des Sühnopfers Christi weggetan. Und genau das ist auch das Maß für unsere Befreiung von der gegenwärtigen bösen Welt, von ihren Formen, ihren Grundsätzen, ihren Sitten und ihren Gewohnheiten. Der Gläubige hat gar nichts mehr mit dieser Welt gemein, sobald er die Bedeutung und Kraft des Kreuzes unseres Herrn Jesus Christus erfasst.
Das Kreuz hat aus ihm einen Fremden in dieser Welt gemacht. Es hat einen dunklen Schatten auf allen Glanz und Schimmer, auf die Pracht und das Leben dieser Welt geworfen. Paulus sah das, und dieser Anblick veranlasste ihn, die Welt selbst in ihren attraktivsten Formen und in ihrer größten Herrlichkeit, für Dreck zu achten. „Die Welt ist mir gekreuzigt“, sagt er, „und ich der Welt.“ So war es für Paulus, und so sollte es für jeden Christen sein: ein Fremder auf der Erde, ein Bürger des Himmels, und zwar nicht nur, was Gefühl und Lehre angeht, sondern in Tat und Wahrheit. Denn so gewiss unsere Befreiung von der Hölle mehr ist als ein bloßes Gefühl oder eine Lehre, so gewiss ist auch unsere Befreiung, von dieser gegenwärtigen bösen Welt mehr als das. Das eine ist so sicher und wirklich wie das andere.
Christus wurde von der Welt verworfen, und Er ist heute noch ein Verworfener. Es hat sich nichts verändert. Die Welt ist immer noch die Welt. Es ist eine der besonderen Listen Satans, diejenigen, die die Rettung durch Christus angenommen haben, gleichzeitig dazu zu bringen, dass sie sich weigern, seine Verwerfung mit ihm zu teilen, dass sie sich das Versöhnungswerk des Kreuzes zunutze machen, zugleich aber sich gemächlich einrichten in eben der Welt, die Christus ans Kreuz genagelt hat. Mit anderen Worten: Satan bringt die Menschen dazu, dass sie denken und sagen, das Ärgernis des Kreuzes habe aufgehört; die Welt des zwanzigsten Jahrhunderts sei ganz anders als die des ersten Jahrhunderts, der Herr Jesus würde, wenn Er jetzt auf der Erde wäre, ganz anders behandelt werden als damals. Jetzt sei die Welt christlich, nicht heidnisch, und das sei ein fundamentaler Unterschied. Es sei darum ganz in Ordnung, wenn der Christ jetzt in dieser Welt ein Bürgerrecht annehme und einen Namen und einen Platz habe.
Wir merken alle, dass das in Wirklichkeit eine Lüge des Erzfeindes der Seele ist. Die Welt mag ihr Kleid verändert haben; aber ihre Natur, ihr Geist, ihre Grundsätze sind gleich geblieben. Sie hasst Jesus heute noch ebenso von Herzen wie damals, als sie schrie: „Hinweg, hinweg! Kreuzige ihn!“ (Joh 19,15). Wenn wir allerdings die Welt derselben Probe unterwerfen würden, würden wir finden, dass sie dieselbe böse, Gott hassende und Christus verwerfende Welt bleibt. Und was ist die Probe? Der gekreuzigte Christus. Möge diese ernste Wahrheit wirklich in unsere Herzen eingegraben sein! Möge sie uns völlig von allem trennen, was zur Welt gehört! Möchten wir die Wahrheit, die in der Asche der roten Kuh dargestellt ist, besser verstehen! Dann wäre auch unsere Trennung von der Welt und unsere Hingabe an Christus tiefer und wirklicher.