Reinigung durch das Blut Christi
Man begegnet oft ernsten Menschen, die unter der überzeugenden und erweckenden Kraft des Heiligen Geistes stehen, die aber noch keine Ruhe für ihr geängstigtes Gewissen gefunden haben, weil sie den Wert des Versöhnungstodes Christi noch nicht erkannt haben – jenes Todes, der alle ihre Sünden für immer weggetan und sie Gott nahe gebracht hat, ohne einen Flecken in ihrer Seele oder einen Stachel in ihrem Gewissen zurückzulassen. Wenn jemand in dieser Lage sein sollte, so möge er den ersten Teil des soeben angeführten Verses betrachten: „. . . der sich selbst für unsere Sünden gegeben hat“. Das ist ein segensreiches Wort für eine angstvolle Seele. Es löst die ganze Frage der Sünde. Wenn es wahr ist, dass Christus sich selbst für meine Sünden gegeben hat, was bleibt dann anders für mich übrig, als mich an der herrlichen Tatsache zu erfreuen, dass alle meine Sünden vernichtet sind? Derjenige, der meinen Platz einnahm, der sich mit meinen Sünden belud, der für mich und an meiner statt litt, sitzt jetzt zur Rechten Gottes, mit Herrlichkeit und Ehre gekrönt. Das ist genug. Alle meine Sünden sind für immer beseitigt. Wenn es nicht so wäre, könnte Christus nicht da sein, wo Er jetzt ist. Seine Krönung mit Herrlichkeit und Ehre ist der Beweis, dass meine Sünden vollkommen getilgt sind, und deshalb ist ein vollkommener Friede mein Teil – ein Friede, der so vollkommen ist, wie nur das Werk Christi ihn machen konnte.
Aber dann lasst uns auch nie vergessen, dass dasselbe Werk, das unsere Sünden für immer hinweggetan hat, uns auch von der gegenwärtigen bösen Welt trennt. Diese beiden Dinge gehören zusammen. Christus hat mich nicht nur von den Folgen meiner Sünde befreit, sondern auch von der gegenwärtigen Macht der Sünde und von den Ansprüchen und Einflüssen des Systems, das von der Schrift „die Welt“ genannt wird. Alles dieses wird jedoch noch klarer hervortreten, wenn wir die Betrachtung unseres Kapitels fortsetzen. „Und Eleasar, der Priester, nehme von ihrem Blut mit seinem Finger und sprenge von ihrem Blut siebenmal gegen die Vorderseite des Zeltes der Zusammenkunft hin“ (V. 4).
Hier offenbart sich die unerschütterliche Grundlage aller wahren Reinigung. Wir wissen, dass es in diesem Bild nur um eine „Heiligung zur Reinheit des Fleisches“ geht (Heb 9,13). Aber wir müssen über das Bild hinweg auf das Gegenbild sehen, über den Schatten hinweg auf das Wesen. In dem siebenmaligen Sprengen des Blutes der roten Kuh gegen das Zelt der Zusammenkunft hin erkennen wir ein Bild von der vollkommenen Darbringung des Blutes Christi vor Gott als der einzigen Grundlage, auf der Gott und das Gewissen einander begegnen können. Die Zahl sieben ist, wie oft bemerkt wurde, der Ausdruck der Vollkommenheit, und so sehen wir in dem Bild, das wir betrachten, die Vollkommenheit des Todes Christi als Sühnung für die Sünde, so wie er von Gott angenommen worden ist. Alles ruht auf dieser göttlichen Grundlage. Das Blut ist vergossen und einem heiligen Gott als eine vollkommene Sühnung für die Sünde dargebracht worden. Wer das ganz einfach durch den Glauben annimmt, dessen Gewissen ist von jedem Gefühl der Schuld und von jeder Furcht vor der Verdammnis befreit. Es besteht vor Gott nichts als die Vollkommenheit des Versöhnungswerkes Christi. Die Sünde ist gerichtet und weggetan worden. Sie ist durch das kostbare Blut Christi vollkommen getilgt. Das zu glauben heißt, vollkommene Ruhe des Gewissens zu erfahren.
Zu beachten ist, dass in diesem Kapitel von nun an kein Sprengen des Blutes mehr erwähnt wird. Das steht in völliger Übereinstimmung mit der Lehre von Hebräer 9 und 10. Da das Opfer Christi vollkommen ist, ist keine Wiederholung nötig. Seine Wirkung ist göttlich und ewig. „Christus aber – gekommen als Hoherpriester der zukünftigen Güter, in Verbindung mit der größeren und vollkommeneren Hütte, die nicht mit Händen gemacht, das heißt nicht von dieser Schöpfung ist, auch nicht mit Blut von Böcken und Kälbern, sondern mit seinem eigenen Blut – ist ein für alle Mal in das Heiligtum eingegangen, als er eine ewige Erlösung erfunden hatte.
Denn wenn das Blut von Böcken und Stieren und die Asche einer jungen Kuh, auf die Verunreinigten gesprengt, zur Reinheit des Fleisches heiligt, wie viel mehr wird das Blut des Christus, der durch den ewigen Geist sich selbst ohne Flecken Gott geopfert hat, euer Gewissen reinigen von toten Werken, um dem lebendigen Gott zu dienen!“ (Heb 9,11-14). Beachten wir die Worte: „ein für alle Mal“ und „ewig“! Wie zeigen sie die göttliche Vollkommenheit und die göttliche Wirkung des Opfers Christi! Das Blut wurde ein für alle Mal und für ewig vergossen. An eine Wiederholung dieses großen Werkes zu denken, hieße seinen ewigen und allgenugsamen Wert zu leugnen und es mit dem Blut der Stiere und Böcke auf eine Stufe zu stellen.
Weiter lesen wir: „Es war nun nötig, dass die Abbilder der Dinge in den Himmeln hierdurch gereinigt wurden, die himmlischen Dinge selbst aber durch bessere Schlachtopfer als diese. Denn Christus ist nicht eingegangen in das mit Händen gemachte Heiligtum, ein Gegenbild des wahrhaftigen, sondern in den Himmel selbst, um jetzt vor dem Angesicht Gottes für uns zu erscheinen; auch nicht, damit er sich selbst oftmals opferte, wie der Hohepriester alljährlich in das Heiligtum hineingeht mit fremdem Blut; sonst hätte er oftmals leiden müssen von Grundlegung der Welt an. Jetzt aber ist er einmal in der Vollendung der Zeitalter offenbart worden zur Abschaffung der Sünde durch sein Opfer“ (V. 23–26).
Die Sünde ist also weggetan worden. Dann kann sie aber nicht zugleich auf dem Gewissen des Gläubigen sein. Entweder müssen die Sünden des Gläubigen ausgelöscht und es muss sein Gewissen vollkommen gereinigt sein, oder aber Christus muss noch einmal sterben. Darum fährt der Apostel auch fort: „Und ebenso wie es den Menschen gesetzt ist, einmal zu sterben, danach aber das Gericht, so wird auch der Christus, nachdem er einmal geopfert worden ist, um vieler Sünden zu tragen, zum zweiten Male denen, die ihn erwarten, ohne Sünde erscheinen zur Errettung“ (V. 27.28).
Es ist etwas Wunderbares um die sorgfältige Geduld, mit der der Heilige Geist dieses ganze Thema erörtert. Er entwickelt, erklärt und bekräftigt die Lehre von der Vollkommenheit des Opfers in einer Weise, die die Seele überzeugt und das Gewissen von seiner schweren Last befreit. So groß ist die Gnade Gottes, dass Er nicht allein das Werk der ewigen Erlösung für uns vollbracht hat, sondern dass Er auch die ganze Sache uns so geduldig und ausführlich darlegt, dass für einen Einwand kein Raum mehr bleibt. Hören wir seine eindrucksvollen Beweisführungen! „Denn da das Gesetz einen Schatten der zukünftigen Güter, nicht der Dinge Ebenbild selbst hat, so kann es niemals mit denselben Schlachtopfern, die sie alljährlich ununterbrochen darbringen, die Hinzunahenden vollkommen machen. Denn würde sonst nicht ihre Darbringung aufgehört haben, weil die den Gottesdienst Ausübenden, einmal gereinigt, kein Gewissen mehr von Sünden mehr gehabt hätten? Doch in jenen Opfern ist alljährlich ein Erinnern an die Sünden; denn unmöglich kann Blut von Stieren und Böcken Sünden wegnehmen“ (Heb 10,1-4). Aber was das Stierblut nie tun konnte, das hat das Blut Jesu für immer getan.
All das Blut, das um die Altäre Israels geflossen war, die Millionen von Opfern, die nach den Forderungen des mosaischen Gesetzes dargebracht worden waren – alles das konnte nicht einen einzigen Flecken von dem Gewissen tilgen. Es konnte auch nicht für einen die Sünde hassenden Gott die Grundlage sein, auf der Er Sünder annehmen konnte. „Darum, als er in die Welt kommt, spricht er:,Schlachtopfer und Speisopfer hast du nicht gewollt, einen Leib aber hast du mir bereitet; an Brandopfern und Opfern für die Sünde hast du kein Wohlgefallen gefunden. Da sprach ich: Siehe, ich komme (in der Rolle des Buches steht von mir geschrieben), um deinen Willen, o Gott, zu tun‘ . . . Durch diesen Willen sind wir geheiligt durch das ein für alle Mal geschehene Opfer des Leibes Jesu Christi“ (V. 5–7.10).
Beachten wir den Gegensatz: Gott hat kein Gefallen an der endlosen Reihe von Opfern, die unter dem Gesetz dargebracht wurden. Sie erfüllten nicht, was sein liebendes Herz für sein Volk tun wollte. Er wollte es von der schweren Last der Sünde befreien, es zu sich selbst bringen und ihm völligen Frieden des Gewissens und völlige Freiheit des Herzens geben. Das tat Jesus durch das eine Opfer seines Leibes. Er tat den Willen Gottes, und Er braucht sein Werk nicht zu wiederholen. Wir mögen uns weigern, die Ruhe und die heilige Freiheit des Geistes, die sein Werk gibt, zu erfahren – aber das Werk ist da in seinem unvergänglichen Wert vor Gott, und das, was der Geist im Blick auf dieses Werk sagt, steht klar und unbestreitbar vor uns. „Und jeder Priester steht täglich da, verrichtet den Dienst und bringt oft dieselben Schlachtopfer dar, die niemals Sünden wegnehmen können. Er aber, nachdem er ein Schlachtopfer für Sünden dargebracht hat, hat sich auf immerdar gesetzt zur Rechten Gottes, fortan wartend, bis seine Feinde hingelegt sind als Schemel seiner Füße. Denn mit einem Opfer hat er auf immerdar die vollkommen gemacht, die geheiligt werden“ (V. 11–14).
Der Wert des Blutes Christi verleiht uns eine ewige Vollkommenheit; aber es ist diesem Blut auch ebenso angemessen, dass unsere Seele diese Vollkommenheit genießt. Es denke niemand, er ehre das Werk Christi oder das Zeugnis des Geistes über dieses Werk, wenn er die vollkommene Vergebung der Sünden nicht annehmen will, die ihm durch das Blut des Kreuzes verkündigt wird. Es ist kein Zeichen von wirklicher Frömmigkeit, wenn man das bestreitet, was die Gnade Gottes in Christus für uns getan hat und was der ewige Geist in der Heiligen Schrift uns vorstellt.
Es könnte allerdings jemand einwenden: „Ich zweifle nicht im geringsten an der Wirksamkeit des Blutes Jesu. Ich glaube, dass es von aller Sünde reinigt. Was mich quält, ist die Unsicherheit, ob dieses Blut auch für mich da ist. Gerade das weiß ich nicht.“
Das alles beweist nur, wie notwendig es ist, über den 4. Vers von 4. Mose 19 genau nachzudenken. Dort wird die Grundlage jeder Reinigung gezeigt: Es ist das Blut der Versöhnung, das vor Gott gebracht wurde und das von ihm angenommen ist. Das ist eine herrliche, aber wenig verstandene Wahrheit. Es ist uns so selbstverständlich, dass wir unsere Gedanken und Gefühle über das Blut Christi wichtig nehmen, viel wichtiger als das Blut selbst und die Gedanken Gottes darüber.
Wenn Gott das Blut angenommen und sich verherrlicht hat, indem Er die Sünde wegtat, was bleibt dann noch für das Gewissen übrig, als völlig in dem Werk zu ruhen, das allen Anforderungen Gottes entsprochen und das den Grund dafür gelegt hat, dass ein die Sünde hassender Gott und ein armer, verderbter Sünder einander begegnen können? Warum soll ich die Frage nach meinem Interesse an dem Blut Christi stellen, so, als wäre dieses Werk ohne irgendetwas von mir nicht vollständig – seien es nun meine Gefühle, meine Erfahrungen, meine Wertschätzung oder irgendetwas dergleichen? Warum sollte ich nicht in Christus allein ruhen? Das wäre wirkliches Interesse an ihm! In dem Augenblick, in dem sich das Herz mit sich selbst zu beschäftigen beginnt und nicht mehr auf ihn sieht, den das Wort Gottes und der Heilige Geist uns vorstellen, muss Dunkelheit und Verwirrung entstehen, und die
Seele wird durch den Blick auf ihre armseligen, unvollkommenen Gefühle gequält, anstatt sich an der Vollkommenheit des Werkes Christi zu freuen.