Christus als Opfer und als Priester
„Und ihr sollt sie Eleasar, dem Priester, geben, und er soll sie vor das Lager hinausführen, und man soll sie vor ihm schlachten“ (V. 3). Priester und Opfer bilden ein zweifaches Bild der Person Christi. Er war der Priester und das Opfer zugleich. Aber Er begann seinen priesterlichen Dienst nicht, solange sein Werk als Opfer nicht vollendet war. Das erklärt den Ausdruck am Ende des dritten Verses: „. . . man soll sie vor ihm schlachten.“ Der Tod Christi vollzog sich auf der Erde und konnte daher nicht als eine Handlung des Priestertums dargestellt werden. Nicht die Erde, sondern der Himmel ist das Gebiet seines priesterlichen Dienstes.
Im Hebräerbrief erklärt der Schreiber als das Ergebnis einer genauen Erörterung über diese Frage ausdrücklich: „Die Summe dessen aber, was wir sagen, ist: Wir haben einen solchen Hohenpriester, der sich gesetzt hat zur Rechten des Thrones der Majestät in den Himmeln, ein Diener des Heiligtums und der wahrhaftigen Hütte, die der Herr errichtet hat, nicht der Mensch. Denn jeder Hohepriester wird dazu bestellt, sowohl Gaben als auch Schlachtopfer darzubringen; daher ist es notwendig, dass auch dieser etwas hat, was er darbringt. Wenn er nun auf der Erde wäre, so wäre er nicht einmal Priester, weil solche da sind, die nach dem Gesetz die Gaben darbringen“ (Heb 8,1-4). „Christus aber – gekommen als Hoherpriester der zukünftigen Güter, in Verbindung mit der größeren und vollkommeneren Hütte, die nicht mit Händen gemacht, das heißt nicht von dieser Schöpfung ist, auch nicht mit Blut von Böcken und Kälbern, sondern mit seinem eigenen Blut – ist ein für alle Mal in das Heiligtum eingegangen, als er eine ewige Erlösung erfunden hatte.“ „Denn Christus ist nicht eingegangen in das mit Händen gemachte Heiligtum, ein Gegenbild des wahrhaftigen, sondern in den Himmel selbst, um jetzt vor dem Angesicht Gottes für uns zu erscheinen“ (Kap. 9,11.12.24). „Er aber, nachdem er ein Schlachtopfer für Sünden dargebracht hat, hat sich auf immerdar gesetzt zur Rechten Gottes“ (Kap. 10,12).
In allen diesen Stellen sehen wir, wenn wir sie in Verbindung mit 4. Mose 19,3 bringen, zwei Dinge: nämlich dass der Tod Christi nicht als die eigentliche, übliche Handlung des priesterlichen Dienstes dargestellt wird und dass der Himmel, nicht die Erde, das Gebiet seines priesterlichen Dienstes ist. Es ist interessant, eine Wahrheit, die im Neuen Testament klar bezeugt wird, in eine Verordnung des Alten Bundes gekleidet zu finden. Der einsichtige Leser des Wortes freut sich immer über solche Entdeckungen. Ohne Zweifel ist die Wahrheit immer dieselbe, wo man sie auch finden mag; aber wenn sie uns mit hellem Licht in den neutestamentlichen Schriften entgegentritt und andererseits schon im Alten Testament göttlich vorgebildet ist, so wird uns damit nicht nur die Wahrheit selbst bestätigt, sondern auch die Einheit des Buches gezeigt und bewiesen.
Außerhalb des Lagers
Jedoch dürfen wir den Platz nicht unbeachtet lassen, an dem das Opfertier geschlachtet wurde: „Er soll sie vor das Lager hinausführen.“ Wie bereits bemerkt wurde, sind die Priester und das Opfer zusammen ein Bild von Christus; aber es wird hinzugefügt: „. . . und man soll sie vor ihm schlachten“, weil der Tod Christi nicht als eine Handlung des Priestertums dargestellt werden konnte. Welch eine wunderbare Genauigkeit! Hieße es: „Er soll sie schlachten“, dann wäre 4. Mose 19 nicht in Übereinstimmung mit dem Hebräerbrief. Aber nein, die Harmonie der einzelnen Bücher der Heiligen Schrift strahlt überall hervor.
Möchten wir die Gnade erfahren, dass wir diese Harmonie erkennen und schätzen!
Wenn wir jetzt das große Gegenbild der „roten Kuh“ betrachten, so sehen wir, dass Jesus in der Tat außerhalb des Tores gelitten hat. „Darum hat auch Jesus, damit er durch sein eigenes Blut das Volk heiligte, außerhalb des Tores gelitten“ (Heb 13,12). Er nahm den Platz außerhalb des Lagers, und von dort dringt seine Stimme zu uns. Hören und verstehen wir sie? Sollten wir nicht mit mehr Ernst den Platz betrachten, wo Jesus starb? Sollten wir uns damit begnügen, die Wohltaten seines Todes anzunehmen, ohne danach zu streben, seine Verwerfung zu teilen? „Deshalb lasst uns zu ihm hinausgehen, außerhalb des Lagers12, seine Schmach tragend“ (V. 13). Es liegt eine unendlich weite Bedeutung in diesen Worten.
Sie sollten unser ganzes Sein aufwecken und uns anspornen, mehr als bisher die Gemeinschaft mit einem verworfenen Heiland zu suchen. Sollten wir ihn außerhalb des Lagers sterben sehen, und ruhig im Lager bleiben, während wir die Wohltaten seines Todes ernten? Sollten wir in dieser Welt, von der unser Herr und Meister verworfen worden ist, eine Heimat, einen Platz, einen Namen suchen? Sollten wir da nach Ehre, Reichtum und angesehener Stellung streben, wo unser Meister nur eine Krippe und ein Kreuz fand? Möchten wir durch die Gnade Gottes eine bereitwilligere Antwort auf den Ruf des Geistes geben: „Geht hinaus!“
Vergessen wir nie, dass der Tod Christi zwei Tatsachen einschließt: den Tod eines Opfers und den Tod eines Märtyrers – eines Opfers für die Sünde unter der Hand Gottes und eines Märtyrers für die Gerechtigkeit unter der Hand des Menschen. Er litt für die Sünde, damit wir nie mehr leiden sollten. Sein Name sei ewig dafür gelobt! An den sühnenden Leiden können wir selbstverständlich nie teilnehmen. Aber von seinen Leiden als Märtyrer, von seinen Leiden um der Gerechtigkeit willen unter der Hand des Menschen dürfen wir etwas verstehen. „Denn euch ist es im Blick auf Christum geschenkt worden, nicht allein an ihn zu glauben, sondern auch für ihn zu leiden“ (Phil 1,29). Es ist ein ausdrückliches Geschenk, um Christi willen leiden zu dürfen. Sehen wir es als ein Geschenk an?
Wenn wir den Tod Christi so betrachten, wie er uns in der Verordnung von der roten Kuh dargestellt ist, so sehen wir nicht nur, dass die Sünde vollkommen weggetan, sondern auch, dass die Welt gerichtet ist. „. . . der sich selbst für unsere Sünden gegeben hat, damit er uns herausnehme aus der gegenwärtigen bösen Welt, nach dem Willen unseres Gottes und Vaters“ (Gal 1,4). Hier werden die beiden Dinge von Gott zusammengestellt, und nie sollen wir sie trennen. Wir finden hier das Gericht über die Sünde in ihrer Wurzel und in ihren Auswirkungen und darüber hinaus das Gericht über diese Welt. Das erste gibt dem Gewissen vollkommene Ruhe; das letztere befreit uns von den bestrickenden Einflüssen der Welt in ihren vielfältigen Formen. Das eine reinigt das Gewissen von jedem Gefühl der Schuld, und das andere zerschneidet das Band, das uns an die Welt bindet.
12 Das Wort „Lager“ in dieser Stelle bezieht sich zunächst auf das Judentum, aber im weiteren Sinn ist es auf jedes religiöse System anwendbar, das von Menschen aufgestellt und von dem Geist und den Grundsätzen dieser gegenwärtigen bösen Welt regiert wird.↩︎