Behandelter Abschnitt 4. Mose 6,6-7
Keine Toten berühren
Noch eine letzte Eigenart des Nasirs muss erwähnt werden: Er sollte keinen Toten anrühren. „Alle Tage, die er sich für den Herrn absondert, soll er zu keiner Leiche kommen. Wegen seines Vaters und wegen seiner Mutter, wegen seines Bruders und wegen seiner Schwester, ihretwegen soll er sich nicht verunreinigen, wenn sie sterben; denn die Weihe seines Gottes ist auf seinem Haupt“ (V. 6.7).
Ob es sich um das Trinken von Wein, das Scheren des Haares oder das Anrühren eines Toten handelte, die Wirkung war dieselbe: Durch jede dieser Handlungen wurde die Weihe eines Nasirs in gleicher Weise unrein. Die Weihe stellte einen solchen Menschen auf einen völlig neuen und besonderen Boden und machte es ihm zur Pflicht, alles von einem neuen und besonderen Gesichtspunkt aus zu betrachten. Er hatte nur zu fragen, was ihm als Nasir angemessen war. Wenn daher sein liebster Freund tot neben ihm lag, sollte er ihn doch nicht anrühren. Er war berufen, sich von dem verunreinigenden Einfluss des Todes fernzuhalten, „weil die Weihe seines Gottes auf seinem Haupt war“.
Gemeinschaft mit Gott
Es ist zu beachten, dass es in dem, was der Nasir darstellt, keinesfalls um die Errettung, das ewige Leben oder die völlige Sicherheit des Gläubigen in Christus geht. Es gibt im Christentum zwei wichtige Verbindungen, die, obwohl sie eng miteinander verbunden, doch vollkommen verschieden sind: das Band des ewigen Lebens und das Band der persönlichen Gemeinschaft. Jenes kann durch nichts, dieses dagegen kann in einem Augenblick durch die geringste Ursache zerrissen werden. Das Bild vom Nasir bezieht sich auf das Letztere.
Wie gesagt, sahen wir in der Person des Nasirs das Bild eines Menschen, der eine besondere Hingabe an Christus zeigt. Die Kraft dafür, auf diesem Weg zu bleiben, liegt in der verborgenen Gemeinschaft mit Gott, so dass die Kraft verschwunden ist, wenn diese Gemeinschaft unterbrochen wird. Das macht die Sache so besonders ernst. Es ist sehr gefährlich, einen Weg verfolgen zu wollen ohne die Quelle der hierzu nötigen Kraft. In dieser Beziehung sollten wir äußerst wachsam sein. Nichts ist gefährlicher, als den Schein, man sei ein „Nasir“ zu wahren, während die innere Wirklichkeit verschwunden ist. Es ist weit besser, unsere Fehler zu bekennen und unseren wirklichen Platz einzunehmen, als etwas vortäuschen zu wollen, was wir nicht sind. Gott will Wirklichkeit haben, und wir können sicher sein, dass früher oder später unsere Schwäche und Torheit allen offenbar werden wird. Es ist traurig und demütigend, wenn die „Nasire“, die „reiner als Schnee“ waren, „dunkler als Schwärze“ werden; aber noch weit schlimmer ist es, wenn die, die so schwarz und dunkel geworden sind, sich den Schein geben, als seien sie weiß (vgl. Klgl 4,7.8).