Israel in der Wüste, Abbild der Versammlung in der Welt
Gott in der Mitte seines Volkes
Was für einen merkwürdigen Anblick bot das Lager Israels in dieser öden, furchtbaren Wüste! Was für ein Schauspiel für Engel, Menschen und Teufel! Aber Gottes Auge ruhte stets auf dem Lager, Er war dort gegenwärtig, Er wohnte in der Mitte seines kämpfenden Volkes. Dort, und nur dort fand Er seine Wohnung – nicht inmitten des Glanzes von Ägypten, Assyrien oder Babylon. Zweifellos boten diese Länder vieles, das den natürlichen Menschen anzog. Künste und Wissenschaften wurden bei ihnen gepflegt. Die Kultur hatte bei diesen alten Völkern eine Höhe erreicht, die wir modernen Menschen ihnen kaum zuzugestehen geneigt sind.
Aber der Herr war unter diesen Völkern nicht bekannt, sein Name war ihnen niemals offenbart worden, und Er wohnte nicht unter ihnen. Wohl gab es auch dort die vielen tausend Beweise seiner Schöpfermacht, seine Vorsorge waltete über ihnen. Er gab ihnen Regen und fruchtbare Zeiten, und Er erfüllte ihre Herzen mit Speise und Freude. Sie aber kannten ihn nicht und fragten nicht nach ihm. Seine Wohnung war nicht bei ihnen. Keines dieser Völker konnte sagen: „Meine Stärke und mein Gesang ist Jah, denn er ist mir zur Rettung geworden; dieser ist mein Gott, und ich will ihn verherrlichen, meines Vaters Gott, und ich will ihn erheben“ (2Mo 15,2).
Der Herr fand seine Wohnung inmitten seines erlösten Volkes und nirgends sonst. Erlösung ist die notwendige Grundlage dafür, dass Gott unter Menschen wohnen kann. Ohne Erlösung konnte Gottes Gegenwart nur die Vernichtung des Menschen zur Folge haben; wo aber Erlösung ist, da bringt Gottes Gegenwart die höchsten Vorrechte und die strahlendste Herrlichkeit des Menschen mit sich.
Gott wohnte also inmitten seines Volkes Israel. Er stieg vom Himmel herab, nicht nur, um sie aus Ägypten zu erlösen, sondern auch, um mit ihnen durch die Wüste zu gehen. Welch ein Gedanke! Gott, der Allerhöchste schlägt seine Wohnung im Sand der Wüste auf bei seiner erlösten Gemeinde! Wirklich, es gab in der ganzen weiten Welt nichts, das hiermit hätte verglichen werden können. Da war das Heer von sechshunderttausend Männern, ohne die Frauen und Kinder gerechnet, in einer unfruchtbaren Wüste, in der es keinen Grashalm und nicht einen Tropfen Wasser gab, keinen sichtbaren Quell für ihren Unterhalt. Wie sollten sie ernährt werden? Gott war da! Wie sollte Ordnung gehalten werden? Gott war da! Wie sollten sie ihren Weg durch eine furchtbare Wüste ziehen, in der es gar keinen Weg gab? Gott war da!
Mit einem Satz gesagt: Gottes Gegenwart gab für alles die Sicherheit. Der Unglaube mochte sagen: Wie sollen drei Millionen Menschen von Luft leben? Wer kümmert sich um die Verpflegung? Wo sind die Militär-Magazine? Wo ist das Reisegepäck? Wer hat auf die Bekleidung zu achten? Nur der Glaube konnte hier antworten, und seine Antwort ist einfach, kurz und überzeugend: Gott war da! Und das war völlig hinreichend. Alles ist in diesem einen Satz eingeschlossen. In der Rechnung, die der Glaube anstellt, ist Gott die einzig bedeutsame Größe. Wenn alle unsere Quellen in dem lebendigen Gott sind, kommt es gar nicht mehr darauf an, was wir brauchen – alle Fragen lösen sich durch seine Allgenugsamkeit.
Was bedeuten sechshunderttausend Mann Fußvolk für den allmächtigen Gott? Was alles das, was ihre Frauen und Kinder brauchen? Nach menschlichem Ermessen mag alles das entmutigend sein. Und stellen wir uns vor, dass dieses riesige Heer einen Zug begann, der vierzig Jahre dauern würde, einen Zug durch eine „große und schreckliche Wüste“, in der es kein Korn, kein Gras, keine Wasserquelle gab. Wie sollten sie ernährt werden? Sie hatten keine Vorräte mitgenommen, hatten keine Abmachungen mit befreundeten Völkern getroffen wegen Lebensmittellieferungen und hatten keine schnellen Provianttransporte an einzelnen Punkten ihres Reiseweges zu erwarten.
Aber Gott war in der Mitte seines Volkes. Er war da in seiner ganzen Gnade und Barmherzigkeit, in seiner vollkommenen Kenntnis der Armut seines Volkes und der Schwierigkeiten ihres Weges, in seiner Allmacht und mit seinen unbegrenzten Möglichkeiten, um diesen Schwierigkeiten und allen Nöten zu begegnen. Und so völlig kannte Er alle diese Dinge, dass Er am Ende ihrer langen Wüstenwanderung mit bewegenden Worten an ihre Herzen appellieren konnte: „Denn der Herr, dein Gott, hat dich gesegnet in allem Werk deiner Hand. Er kannte dein Wandern durch diese große Wüste: Diese vierzig Jahre ist der Herr, dein Gott, mit dir gewesen; es hat dir an nichts gefehlt.“ Und weiter: „Deine Kleidung ist nicht an dir zerfallen, und dein Fuß ist nicht geschwollen diese vierzig Jahre“ (5Mo 2,7; 8,4).
Nun, das Lager Israels war ein Abbild, ein lebendiges, eindrucksvolles Abbild von der Versammlung Gottes, wie sie durch diese Welt geht. Das sagt die Bibel so deutlich, dass für Einbildung oder Phantasie hier kein Raum bleibt: „Alle diese Dinge aber widerfuhren jenen als Vorbilder und sind geschrieben worden zu unserer Ermahnung, auf die das Ende der Zeitalter gekommen ist“ (1Kor 10,11).
Wir können also mit besonderem Interesse das erstaunliche Schauspiel in der Wüste betrachten und versuchen, die wertvollen Belehrungen zu sammeln, die es uns gibt. Sehen wir uns dieses rätselhafte Lager in der Wüste mit seinen Kriegern, Arbeitern und Anbetern an! Wie anders ist dieses Bild als das, das alle anderen Völker der Welt bieten! Welch gänzliche Hilflosigkeit! Welch völlige Abhängigkeit von Gott! Sie hatten nichts, konnten nichts unternehmen und wussten auch nichts. Sie hatten nicht einen Bissen Brot und keinen Tropfen Wasser, wenn sie nicht beides Tag für Tag unmittelbar aus Gottes Hand empfingen. Wenn sie sich abends zur Ruhe legten, war nicht die kleinste Kleinigkeit an Vorrat für den nächsten Tag vorhanden. Es gab keinen Speicher, keine Speisekammer, keine sichtbare Versorgungsquelle – es gab gar nichts, auf das der Mensch natürlicherweise hätte irgendwie rechnen können.
Aber Gott war da, und das war für den, der glaubte, genug. Sie waren ganz auf Gott angewiesen. Das ist die große Tatsache. Für den Glauben ist nichts real, nichts fest und nichts wahr als nur der wahre, lebende, ewige Gott. Der natürliche Mensch mochte einen sehnsüchtigen Blick auf die Kornspeicher Ägyptens werfen und darin etwas Greifbares, etwas Verlässliches sehen. Der Glaube aber sieht hinauf zum Himmel und findet alle seine Quellen dort.
Die Versammlung, abgesondert von der Welt
Und so ist es auch in Bezug auf die Versammlung Gottes in dieser Welt, die im geistlichen Sinn eine Wüste genannt werden kann. Von Gott aus gesehen ist diese Gemeinde nicht von der Welt. Sie ist ebenso vollständig von ihr getrennt, wie das Lager Israels von Ägypten. Die Wasser des Roten Meeres flossen zwischen diesem Lager und Ägypten, und die noch tieferen und dunkleren Wasser des Todes Christi fließen zwischen der Versammlung Gottes und der gegenwärtigen bösen Welt. Es ist unmöglich, sich eine vollständigere Trennung vorzustellen. Unser Herr Christus sagt: „Sie sind nicht von der Welt, wie ich nicht von der Welt bin“ (Joh 17,16).
Der nächste Punkt, der uns am Lager Israels auffällt, war, dass es völlig auf Gott angewiesen und von ihm abhängig war. Nun, was könnte abhängiger sein als die Versammlung Gottes in dieser Welt? Sie hat nichts in sich selbst und nichts aus sich selbst. Sie befindet sich mitten in einer geistlichen Wüste, einer traurigen Einöde, einer weiten, furchtbaren Wildnis, in der es buchstäblich nichts gibt, wovon sie leben kann. Es gibt in dem Bereich dieser Welt nicht einen Tropfen Wasser für sie, nicht einen einzigen Bissen geeigneter Nahrung.
Auch insofern, als die Versammlung allen Arten feindlicher Einflüsse ausgesetzt ist, besteht eine Parallele zwischen ihr und dem Lager der Israeliten. Es gibt nicht einen einzigen günstigen Einfluss, alles ist gegen sie gerichtet. Sie gleicht einer ausländischen Pflanze, die in ein anderes Klima gehört und in eine Gegend verpflanzt wurde, in der beides, Erdboden und Atmosphäre, ihr nicht entsprechen.
Das ist Gottes Versammlung in der Welt, abgesondert, abhängig, wehrlos und völlig auf Gott angewiesen. Wir können wirklich sagen, dass das, was Israel buchstäblich war, die Versammlung im geistlichen Sinn ist; und weiter, dass das, was die Wüste im buchstäblichen Sinn für Israel war, die Welt im geistlichen Sinn für die Versammlung Gottes ist.
Die Wüste war für Israel der Schauplatz der Mühe und Gefahr, nicht aber der Bereich, aus dem ihm seine Hilfsquellen und seine Freude zuwuchsen; und so ist die Welt der Schauplatz der Mühe und Gefahr für die Versammlung, sie birgt für sie weder Freude noch irgendetwas, was sie bedarf.
Es ist gut, wenn man das in seiner ganzen geistlichen Tragweite begreift. Die Versammlung Gottes in der Welt ist wie die „Gemeinde in der Wüste“ ganz und gar auf den lebendigen Gott angewiesen. Es sei noch einmal daran erinnert, dass es hier um den göttlichen Standpunkt geht, um das, was die Versammlung von Gott her gesehen ist. Wenn wir sie von einem menschlichen Gesichtspunkt aus betrachten, so, wie sie in ihrem eigenen tatsächlichen praktischen Zustand ist, dann ist es leider ganz anders. Aber damit beschäftigen wir uns jetzt nicht.
Erinnern wir uns für einen Augenblick daran, dass es jetzt ebenso wirklich die Versammlung Gottes, den Leib Christi gibt, wie es früher ein Lager in der Wüste gegeben hat, eine Versammlung in der Einöde. Zweifellos wussten damals die Völker der Welt wenig über jene Versammlung und kümmerten sich erst recht nicht darum; aber das veränderte die Tatsache selbst nicht, und so ist es auch jetzt. Die Menschen dieser Welt wissen wenig über die Versammlung Gottes und rechnen ganz gewiss nicht mit ihr; aber das berührt in keiner Weise die große Wahrheit, dass sie tatsächlich in dieser Welt ist und immer war, seit der Heilige Geist am Pfingsttag auf die Erde herabkam. Wohl hatte früher jene Gemeinde in der Wüste ihre Prüfungen, ihre Konflikte, ihre internen Erschütterungen und ihre zahl- und namenlosen Schwierigkeiten, die nach all den Hilfsquellen riefen, die in Gott waren.
Aber trotz der Sünde und der Rebellion gab es dort immer noch diesen auffallenden Tatbestand, der von Menschen, von Teufeln und von Engeln zur Kenntnis genommen werden konnte: nämlich die ungeheuer große Gemeinde von ungefähr drei Millionen Menschen, die durch die Wildnis wanderte, völlig abhängig von einem unsichtbaren Arm, geführt und versorgt von dem ewigen Gott, dessen Auge sich niemals für einen Augenblick von ihnen wandte. Ja gewiss, Er wohnte mitten unter ihnen, und in all ihrem Unglauben, ihrer Vergesslichkeit, ihrer Undankbarkeit und Aufsässigkeit verließ Er sie doch niemals. Gott war da, um sie Tag und Nacht zu versorgen und zu leiten. Tag für Tag gab Er ihnen Brot vom Himmel, und Er ließ ihnen Wasser aus dem Kieselfelsen fließen.
Das war gewiss eine erstaunliche Tatsache. Gott hatte eine Gemeinde in der Wüste, die von allen Völkern um sie herum getrennt und auf ihn selbst angewiesen war. Es kann, wie gesagt, sein, dass die Völker der Welt über diese Gemeinde nichts wussten, sich nicht darum kümmerten und sich auch keinerlei Gedanken um sie machten.
Und das war, wie gesagt, ein Abbild – ein Abbild von etwas, das bereits seit über neunzehnhundert Jahren besteht, das noch besteht und das bestehen wird, bis unser Herr Christus wiederkommt; es war ein Abbild der Versammlung Gottes in der Welt. Wie wichtig ist es, das zu beachten! Wie sehr hat man es aus den Augen verloren und wie wenig verstanden, auch jetzt noch! Und doch ist jeder Christ in ernster Weise verantwortlich dafür, dass er es erkennt und auch praktisch danach handelt; er kann dieser Verantwortung nicht entgehen. Es gibt eine Gemeinde, die durch diese Welt zieht wie früher Israel durch die Wüste gezogen ist. Und ebenso, wie Israel in der Wüste keine Quellen fand, sollte die Versammlung Gottes keine Quellen finden in der Welt. Wenn es doch so wäre, ist sie nicht treu ihrem Herrn gegenüber.
Die Versammlung, inmitten einer Christenheit im Verfall
Wenn wir das alles wirklich begreifen, dann wird es uns auch auf den Platz völliger Absonderung hinweisen, der der Versammlung Gottes als einem Ganzen sowie jedem ihrer einzelnen Glieder zukommt. Die Versammlung, so wie Gott sie sieht, ist ebenso sehr von dieser gegenwärtigen Welt getrennt, wie es das Lager Israels von der es umgebenden Wüste war. Es gibt ebenso wenig Gemeinsames zwischen der Versammlung und der Welt wie zwischen Israel und dem Sand der Wüste. Die Attraktionen und Reize der Welt sind für die Versammlung Gottes das, was die Schlangen und Skorpionen und die tausend anderen Gefahren der Wildnis für Israel waren.
So sieht Gottes Bild von der Versammlung aus. Wir wollen uns jetzt im Glauben auf Gottes Standpunkt stellen und von dort aus die Versammlung betrachten. Nur so können wir eine richtige Vorstellung dessen, was die Versammlung ist, erhalten – und auch eine richtige Vorstellung unserer eigenen persönlichen Verantwortung im Hinblick darauf. Gott hat eine Versammlung in der Welt. Es gibt gegenwärtig auf der Erde einen Leib, in dem Gott der Heilige Geist wohnt und der mit seinem Haupt, Christus, vereinigt ist. Die Versammlung – dieser Leib – besteht aus all denen, die wirklich an den Sohn Gottes glauben und die durch die Gegenwart des Heiligen Geistes vereinigt sind. Das ist nicht eine Frage unserer Meinung, etwas, das wir nach Belieben annehmen oder ablehnen können. Es ist eine göttliche Tatsache – ob wir uns danach richten wollen oder nicht.
Die Versammlung ist da, und wir sind, wenn wir glauben, Glieder davon. Das können wir weder umstoßen noch übergehen. Wir gehören wirklich dazu, wir sind durch den Heiligen Geist zu einem Leib getauft. Das ist etwas ebenso Wirkliches und Bestimmtes, wie wenn ein Kind in eine Familie hineingeboren wird. Nach der Geburt ist die Verbindung hergestellt, und wir müssen sie nur erkennen und dieser Verbindung entsprechend von Tag zu Tag leben. In demselben Augenblick, in dem eine Seele von neuem, von oben her geboren ist und versiegelt ist durch den Heiligen Geist, gehört sie zum Leib Christi. Sie kann sich nicht länger als isolierten und unabhängigen Einzelmenschen betrachten, sondern sie ist Glied eines Leibes, ebenso, wie Hand oder Fuß Glieder des menschlichen Körpers sind. Sie ist Glied der einen Versammlung Gottes und kann nicht auch noch gleichzeitig Glied von irgendetwas anderem sein.
Wie aber wurde dieser Leib geschaffen? Durch den Heiligen Geist – denn: „In einem Geist sind wir alle zu einem Leib getauft worden“ (1Kor 12,13). Und wie wird er erhalten? Durch sein lebendiges Haupt, durch den Geist und durch das Wort. Wir lesen: „Niemand hat jemals sein eigenes Fleisch gehasst, sondern er nährt und pflegt es, wie auch der Christus die Versammlung“ (Eph 5,29). Ist das nicht ausreichend? Ist der Herr Jesus Christus nicht genug? Ist nicht der Heilige Geist genug? Wünschen wir noch irgendetwas, das über die Kraft hinausgeht, die in dem Namen Jesus wohnt? Reichen nicht die Gaben des ewigen Geistes aus für das Wachstum und das Bestehen der Versammlung? Bedeutet nicht die Anwesenheit Gottes, dass alles da ist, was die Versammlung vielleicht benötigen könnte? Der Glaube sagt nachdrücklich und ganz entschieden: Ja! Der Unglaube und alle menschliche Vernunft sagen: Nein; wir brauchen noch sehr viel.
Was von Gott ist, bleibt bestehen
Darauf können wir nur antworten: Wenn Gott nicht genug ist, dann wissen wir nicht, wohin wir uns wenden sollen; wenn der Name Jesus nicht ausreicht, dann wissen wir nicht, was wir tun sollen; wenn der Heilige Geist nicht allem, was wir in der Gemeinschaft, im Dienst und in der Anbetung brauchen, entgegenkommt, dann wissen wir nicht, was wir sagen sollen. Man könnte jedoch einwenden, dass die Dinge nicht mehr so liegen wie in der Zeit der Apostel. Die Versammlung, die sich als solche bekennt, hat versagt; die Gaben von Pfingsten sind nicht mehr da; die glücklichen Tage der ersten Liebe der Versammlung sind vorbei. Wir müssen also für die Organisation und das Bestehen unserer Versammlungen das Beste, was in unseren Kräften steht, tun. – Aber Gott hat nicht versagt; Christus, das Haupt der Versammlung, hat nicht versagt; der Heilige Geist hat nicht versagt; und Gottes Wort ist nicht schwächer geworden. Das ist die zuverlässige Grundlage für den Glauben. „Jesus Christus ist derselbe gestern und heute und in Ewigkeit“ (Heb 13,8).
Er hat gesagt: Ich bin bei euch. Wie lange? Während der Tage der ersten Liebe? In der Zeit der Apostel? Solange die Versammlung treu sein würde? Nein! – „Ich bin bei euch alle Tage bis zur Vollendung des Zeitalters“ (Mt 28,20). Und schon vorher, in dem Augenblick, als zum ersten Mal in der ganzen Heiligen Schrift die Versammlung als solche genannt wird, hören wir die denkwürdigen Worte: „Auf diesen Felsen (und wer sollte das anders sein als der Sohn des lebendigen Gottes?) werde ich meine Versammlung bauen, und die Pforten des Hades werden sie nicht überwältigen“ (Mt 16,18).
Die Frage ist jetzt: Gibt es diese Versammlung gegenwärtig auf der Erde? Ganz gewiss! Es gibt ebenso gewiss jetzt eine Versammlung auf der Erde wie es früher einmal ein Lager in der Wüste gab. Ja – und so gewiss Gott in diesem Lager war, um jedem Bedürfnis zu begegnen, so gewiss ist Er jetzt in der Versammlung, um sie in allem zu regieren und zu leiten, wie wir es in Epheser 2,22 lesen: „. . . in dem auch ihr mitaufgebaut werdet zu einer Behausung Gottes im Geist.“ Das ist völlig genug. Alles, was wir brauchen, ist, im einfachen Glauben diese Wirklichkeit zu ergreifen.
Der Name Jesus ist genug für alles, was die Versammlung benötigt – ebenso, wie er für die Errettung der Seele genug ist. Das eine ist so wahr wie das andere. „Wo zwei oder drei versammelt sind in (oder: zu) meinem Namen, da bin ich in ihrer Mitte“ (Mt 18,20). Hat das aufgehört, wahr zu sein? Und wenn nicht – ist nicht die Gegenwart Christi völlig ausreichend für seine Versammlung? Müssen wir uns in kirchlichen Dingen an unsere eigene Planung und unsere eigene Arbeit herangeben? Nicht mehr, als wir es mussten, als es um die Rettung unserer Seele ging! Dem Sünder sagen wir, er solle völlig Christus vertrauen – und dasselbe sagen wir dem, der gerettet ist, und wir sagen dasselbe der Versammlung der Heiligen, ganz gleich, ob da wenige oder viele sind. Gibt es irgendetwas, was Er nicht kann? „Ist für den Herrn eine Sache zu wunderbar?“ (1Mo 18,14). Sollte für ihn etwas zu schwer sein? Ist sein Schatz an Gaben und Gnaden erschöpft? Kann Er nicht Gaben für den Dienst geben? Kann Er nicht für Evangelisten, Hirten und Lehrer sorgen? Kann Er allen vielfältigen Bedürfnissen seiner Versammlung in der Wüste begegnen? Und wenn nicht – wo sind wir dann? Was sollen wir tun? Wohin sollen wir uns wenden? Was musste die Gemeinde Israel tun? Sie musste auf den Herrn sehen – und zwar in allem: wenn es um Speise ging, um Schutz – in allem musste sie auf den Herrn sehen.
Alle ihre Quellen waren in ihm. Und müssen wir uns noch an irgendjemand anders wenden? Niemals! Unser Herr, Christus, ist vollkommen genug, trotz unseres Versagens und unseres Niedergangs, unserer Sünde und unserer Untreue. Er hat den Heiligen Geist, den Sachwalter, herniedergesandt, um bei seinem Volk und in seinem Volk zu bleiben, um sie zu einem Leib zu bilden und ihn mit dem lebendigen Haupt im Himmel zu vereinigen. Er ist die Kraft der Einheit, der Gemeinschaft, des Dienstes und der Anbetung. Er hat uns nicht verlassen und wird es niemals tun. Möchten wir ihm nur vertrauen, ihm Raum zum Handeln geben! Lasst uns sorgfältig auf der Hut sein vor allem, was ihn auslöschen, hindern oder betrüben könnte! Lasst uns ihn in dem Platz anerkennen, der ihm in der Versammlung gebührt, und uns in allem seiner Leitung und Autorität unterwerfen!
Ganz gewiss liegt hier das Geheimnis der Kraft und des Segens. Leugnen wir damit den Verfall? – Wie könnten wir! Er zeigt sich doch allzu handgreiflich und offen, um noch geleugnet werden zu können! Oder versuchen wir zu leugnen, dass wir an dem Niedergang teilhaben – versuchen wir, unsere Torheit und unsere Sünde zu leugnen? O wollte Gott, dass wir sie tiefer fühlten! Aber sollten wir unsere Sünde dadurch noch vergrößern, dass wir die Gnade und Macht unseres Herrn leugnen, die uns in unserem Niedergang und in unserer Torheit begegnen kann? Sollten wir ihn, „die Quelle lebendigen Wassers“ (Jer 2,13), verlassen und uns löcherige Brunnen graben, die doch kein Wasser geben? Sollten wir uns von dem Fels der Ewigkeiten wegwenden und uns auf die zerbrochenen Halme unserer eigenen Vorstellungen stützen? Möge Gott uns davor bewahren!
Keinesfalls geht es hier darum, irgendeinem kirchlichen Anspruch die geringste Unterstützung zuteilwerden zu lassen. Das wäre verachtenswert. Uns stehen im Hinblick auf unsere gemeinsame Sünde und Schande ein sehr bescheidener Platz und ein demütiger Geist zu. Alles, worum es hier geht, ist dieses: die Allgenugsamkeit des Namens des Herrn Jesus Christus1 für alles, was die Versammlung Gottes – in welcher Zeit und unter welchen Umständen auch immer – benötigt. In den Zeiten der Apostel lag alle Kraft in diesem Namen – warum nicht auch jetzt? Hat sich dieser herrliche Name irgendwie verändert? Gott sei Dank nicht. Nun, dann genügt er für uns, und es ist lediglich nötig, völlig auf ihn zu vertrauen und das zu zeigen, indem wir alles andere, worauf man vertrauen könnte, aufgeben und mit Entschiedenheit anfangen, diesen unvergleichlichen und wertvollen Namen kennen zu lernen. Er – und dafür sei ihm gedankt – hat sich zur kleinsten Versammlung, in die kleinstmögliche Mehrzahl herabgeneigt, weil Er nämlich zugesichert hat: „Wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich in ihrer Mitte.“ Gilt das noch? Oder hat es seine Kraft verloren? Passt es nicht mehr? Wo ist es widerrufen worden?
Wollen wir doch von Herzen unsere Zustimmung zu dieser einen ewigen Wahrheit geben: dass der Name des Herrn Jesus Christus für die Versammlung Gottes völlig genug ist, und zwar in jeder Lage, in die sie kommen kann, und zu jeder Zeit. Es geht nicht darum, das nur für eine richtige oder wahre Theorie oder Lehre zu halten – es geht darum, es auch praktisch zu bekennen. Dann erfährt man mit Sicherheit den tiefen Segen der Gegenwart Jesu, einen Segen, den man wirklich erfahren muss, um ihn zu kennen. Wer diesen Segen aber einmal erfahren hat, der kann ihn nie mehr vergessen oder ihn für irgendetwas anderes aufgeben.
Kriegsleute, Arbeiter und Anbeter
Wenden wir uns nach dieser langen Einführung wieder unserem Thema zu!
Wenn wir die „Versammlung in der Wüste“ (Apg 7,38) aufmerksam betrachten, sehen wir, dass sie aus drei verschiedenen Gruppen bestand, nämlich aus Kriegern, Arbeitern und Anbetern. Es gab ein Volk von Kriegern, einen Stamm oder ein Geschlecht von Arbeitern und eine Familie von Anbetern oder Priestern. Wir haben auf die erste dieser Gruppen schon einen Blick geworfen und dabei gesehen, dass jeder Einzelne seiner „Herkunft“ gemäß seinen Platz bei seinem „Banner“ einnahm, und zwar nach der genauen Anordnung des Herrn. Jetzt wollen wir uns ein wenig die zweite Gruppe ansehen und jeden beobachten, wie er seine Arbeit und seinen Dienst tat – ebenfalls gemäß der Anordnung des Herrn.
1 Wenn ich den Ausdruck „Allgenugsamkeit des Namens des Herrn Jesus Christus“ gebrauche, verstehe ich darunter alles, was seinem Volk in diesem Namen zugesichert ist: Leben, Gerechtigkeit, Annahme, die Gegenwart des Heiligen Geistes mit seinen verschiedenen Gaben, ein göttlicher Mittel- oder Sammelpunkt. Kurz gesagt: alles, was die Versammlung für Zeit oder Ewigkeit benötigen könnte, ist in diesem einen herrlichen Namen des Herrn Jesus Christus einbegriffen.↩︎