Behandelter Abschnitt 3. Mose 14,4-7
Die zwei Vögel
„Der Priester soll gebieten, dass man für den, der zu reinigen ist, zwei lebende, reine Vögel nehme und Zedernholz und Karmesin und Ysop. Und der Priester soll gebieten, dass man den einen Vogel schlachte in ein irdenes Gefäß über lebendigem Wasser“ (V. 4.5). In dem Priester, der aus dem Lager und der Wohnstätte Gottes hinausgeht, erblicken wir den Herrn Jesus, wie Er herniederkommt aus dem Schoß des Vaters, seinem ewigen Wohnplatz, in diese sündenbedeckte Welt, wo Er uns mit dem Aussatz der Sünde behaftet sah. Gleich dem barmherzigen Samariter kam Er dahin, wo wir waren. Und das war nötig. Wenn Er nicht auf diese Erde gekommen wäre, so hätte Er unmöglich unserem Aussatz gebieten können, von uns zu weichen, ohne die heilige Forderung Gottes zu verletzen. Er konnte durch das Wort seines Mundes Welten ins Dasein rufen. Sollte aber der aussätzige Sünder gereinigt werden, so musste mehr geschehen. „So hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab“ (Joh 3,16). Wenn Himmel und Erde geschaffen werden sollten, brauchte Gott nur zu reden. Wenn es sich aber um die Errettung verlorener Sünder handelte, so bedurfte es der Hingabe seines Sohnes (vgl. 1Joh 4,9.10).
Die Sendung und Fleischwerdung des Sohnes war jedoch nicht alles, was erfüllt werden musste. Es hätte dem Aussätzigen wenig genützt, wenn der Priester nur das Lager verlassen hätte, um seinen elenden Zustand zu besichtigen. Blutvergießung war nötig, wenn der Aussatz weichen sollte. Es bedurfte des Todes eines fleckenlosen Opfers. „Ohne Blutvergießung gibt es keine Vergebung“ (Heb 9,22). Die Blutvergießung bildete die wahre Grundlage der Reinigung des Aussätzigen. Sie war nicht nur ein bloßer Umstand, der in Verbindung mit anderen Umständen zur Reinigung des Aussätzigen beitrug. Keineswegs. Die Dahingabe des Lebens war das Erhabenste und Wichtigste; das allein öffnete den Weg und beseitigte jede Schranke, so dass Gott in Gnade mit dem Aussätzigen handeln konnte. „Und der Priester soll gebieten, dass man den einen Vogel schlachte in ein irdenes Gefäß über lebendigem Wasser“ (V. 5).
Christus ist „in Schwachheit gekreuzigt worden“ (2Kor 13,4). Das größte und herrlichste Werk, das je im Weltall geschehen ist, wurde „in Schwachheit“ vollbracht. O mein Leser, wie schrecklich muss die Sünde in den Augen Gottes sein, wenn sein vielgeliebter Sohn vom Himmel herniedersteigen und als ein Schauspiel für Menschen, Engel und Teufel an dem Fluchholz hängen musste, um für dich und mich die Vergebung zu erwirken! Und welch ein Bild von der Sünde finden wir in dem Aussatz! Wer hätte denken können, dass der kleine, „weiß-rötliche Flecken“ an dem Körper eines Gliedes der Gemeinde Israels von solch ernsten Folgen begleitet gewesen wäre? Und dennoch war dieser unscheinbare Flecken, da, wo er sich zeigte, nichts anderes als die wirksame Kraft des Bösen. Er verriet die entsetzliche Wirkung der Sünde, und bevor jemand für einen Platz in der Versammlung oder für den Genuss der Gemeinschaft mit dem heiligen Gott passend gemacht werden konnte, musste der Sohn Gottes aus dem Himmel kommen und in die untersten Örter der Erde hinabsteigen, um für alles das, was sich in Form eines kleinen, „weiß-rötlichen Fleckens“ offenbarte, eine vollkommene Versöhnung zustande zu bringen. Möchten wir uns hieran stets erinnern!
Die Sünde ist entsetzlich in den Augen Gottes. Er kann nicht einen einzigen sündhaften Gedanken dulden. Die unbedeutendste Sünde (wenn irgendwie die Sünde unbedeutend genannt werden kann) forderte nichts Geringeres als den Tod des Sohnes Gottes. Aber was die Sünde forderte, das hat die erlösende Liebe freiwillig gegeben, und jetzt wird Gott in der Vergebung der Sünde unendlich mehr verherrlicht, als es der Fall gewesen wäre, wenn Adam seine ursprüngliche Unschuld bewahrt hätte. Gott wird mehr verherrlicht durch die Errettung, Rechtfertigung, Bewahrung und schließlich die Verherrlichung des schuldigen Menschen, als Er je hätte verherrlicht werden können durch die Bewahrung des unschuldigen Menschen in dem Genuss der Segnungen dieser Schöpfung. Das ist das große Geheimnis der Erlösung.
Sobald das Blut vergossen ist, kann der Priester sogleich sein Werk beginnen (V. 6.7). Bis dahin lasen wir: „Der Priester soll gebieten“, aber jetzt handelt er unmittelbar selbst. Der Tod Christi ist die Grundlage seiner priesterlichen Tätigkeit. Nachdem Er mit seinem eigenen Blut in das Heiligtum gegangen ist, handelt Er als unser großer Hoherpriester, indem Er alle die wunderbaren Ergebnisse seines Versöhnungswerkes auf unsere Seelen anwendet und uns in der vollkommenen und göttlichen Unversehrtheit der Stellung aufrechterhält, in die sein Opfer uns gebracht hat (Heb 8,3.4).
Wir könnten kaum ein treffenderes Vorbild auf die Auferstehung Christi finden als das, was uns in „dem ins freie Feld fliegenden, lebenden Vogel“ vor Augen gestellt wird. Dessen Freilassung geschah erst nach dem Tod seines Gefährten, denn die beiden Vögel versinnbildlichen einen Christus in zwei Abschnitten seines Werkes: in seinem Tod und in seiner Auferstehung. Hätte man auch noch so viele andere Vögel freigelassen, so würde das dem Aussätzigen nichts genützt haben. Nein, jener lebendige Vogel musste es sein, der zum Himmel emporstieg und auf seinen Flügeln das Zeichen einer vollbrachten Versöhnung trug und der so die große Tatsache verkündigte, dass das Werk vollbracht, der Boden gereinigt und die Grundlage gelegt war. Ebenso ist es im Blick auf unseren Herrn und Heiland Jesus Christus. Seine Auferstehung verkündigt den Triumph der Erlösung. „Er ist unserer Rechtfertigung wegen auferweckt worden“ (Röm 4,25).
Das nimmt die Last von dem mühseligen und beladenen Herzen und beruhigt das bekümmerte Gewissen. Die Schriften versichern mir, dass Jesus unter der Last meiner Sünden am Kreuz hing, und dieselben Schriften versichern mir, dass Er das Grab verlassen hat, ohne noch irgendeine von diesen Sünden auf sich zu haben. Und das ist noch nicht alles. Dieselben Schriften versichern mir auch, dass alle, die ihr Vertrauen auf den Herrn Jesus setzen, ebenso frei von aller Schuld sind wie Er selbst; dass es für sie ebenso wenig eine Verdammnis gibt, wie für ihn; dass sie in ihm, eins mit ihm, begnadigt und angenommen in ihm, mit ihm lebendig gemacht, mit ihm auferweckt und in ihm in die himmlischen Örter mitversetzt sind. Das ist das Zeugnis der Schriften, das uns Frieden gibt, das Zeugnis Gottes, der nicht lügen kann (s. Röm 6,6-11; 8,1-4; 2Kor 5,21; Eph 2,5.6; Kol 2,10-15; 1Joh 4,17).