Behandelter Abschnitt 3. Mose 13,2-46
Der Aussatz an einem Menschen
Betrachten wir denn zunächst den Aussatz an einer Person oder, mit anderen Worten, die Wirkung des sittlich Bösen (oder dessen, was den Schein des Bösen hatte) in einem Glied der Versammlung.
Die Grundsätze des Aussatzes und seiner Reinigung sind im weiteren Sinn auf jeden Sünder anwendbar; im vorliegenden Abschnitt jedoch wird die Sache nur in Beziehung zu denen dargestellt, die das anerkannte Volk Gottes ausmachten. Die Person, die der Priester hier untersuchen muss, ist ein Glied der Versammlung Gottes. Das ist wohl zu beachten. Die Versammlung Gottes muss rein erhalten werden, weil sie die Wohnstätte Gottes ist. Keinem Aussätzigen darf gestattet werden, innerhalb der Grenzen der Wohnung des Herrn zu verweilen.
Es ist erstaunlich zu sehen, mit welcher Sorgfalt und Geduld der Priester handeln musste, damit nicht etwas, das kein Aussatz war, als solcher behandelt oder etwas, das wirklich Aussatz war, von ihm übersehen wurde. Vieles mochte in „der Haut“ (der Stelle, wo sich die Krankheit zeigte) erscheinen und dem Aussätzigen täuschend ähnlich sehen und sich doch nach der sorgfältigen Prüfung des Priesters als unbedenklich und äußerlich erweisen. Hier musste die größte Sorgfalt geübt werden. Da zeigte sich vielleicht ein Flecken auf der Oberfläche der Haut, der nicht verunreinigend war. Und andererseits konnte ein scheinbar nur an der Oberfläche liegender Flecken sich bei näherer Untersuchung als tiefer liegend erweisen, als etwas, was bereits den gesamten Organismus angegriffen hatte. Alles das forderte die sorgfältigste Prüfung des Priesters (s. V. 2–11).
Irgendeine geringfügige Nachlässigkeit, ein unbedeutendes Versehen konnte die traurigsten Folgen nach sich ziehen. Es konnte zur Verunreinigung der ganzen Gemeinde führen, wenn ein wirklich Aussätziger in ihrer Mitte blieb, oder andererseits zu dem Ausschluss eines reinen Gliedes Israels wegen etlicher äußerer Flecken, die ohne Bedeutung waren.
Wir haben hier eine Fülle von Unterweisung für das Volk Gottes. Es ist ein Unterschied zu machen zwischen persönlicher Schwachheit und der Wirksamkeit von ganz entschieden Bösem, zwischen Mängeln und Gebrechen im äußeren Charakter und in der Tätigkeit der Sünde in den Gliedern. Ohne Zweifel ist es nötig, über unsere Schwachheiten zu wachen, denn wenn sie nicht bewacht, nicht gerichtet und bekämpft werden, können sie zur Quelle von offenbarem Bösem werden (siehe V. 14–28). Alles, was aus der Natur ist, muss verurteilt und unter den Füßen gehalten werden. Obwohl wir persönliche Schwachheit in anderen milde beurteilen müssen, sollten wir sie in uns selbst niemals begünstigen. Denken wir z. B. an ein leicht erregbares Temperament.
In mir selbst sollte ich es entschieden verurteilen, bei einem anderen es mit Geduld tragen. Es kann sich, gleich dem „weiß- rötlichen Flecken“ bei einem Israeliten (V. 19.20), als die Quelle tatsächlicher Verunreinigung erweisen, ja zur Ursache meines Ausschlusses aus der Versammlung werden. Jede Form von Schwachheit muss überwacht werden, damit sie keinen Anlass zur Sünde gibt. „Ein kahles Haupt“ war kein Aussatz, aber der Aussatz konnte sich dort zeigen, und daher musste es überwacht werden. So gibt es Hunderte von Dingen, die an und für sich nicht sündig sind, die aber, wenn sie nicht sorgfältig überwacht werden, Anlass zur Sünde geben können. Auch handelt es sich dabei nicht nur um Dinge, die nach unserer Meinung als Flecken, Gebrechen und persönliche Schwachheiten bezeichnet werden müssen, sondern auch um Dinge, deren wir uns vielleicht gerne rühmen. Witz, Neigung zum Scherzen, ein lebhafter Geist und ein fröhliches Gemüt – alles das kann die Ursache und Quelle einer Verunreinigung werden. Jeder von uns hat etwas, worüber er besonders zu wachen hat und wobei er stets auf der Hut sein muss. Wie gesegnet ist es, dass wir ein Vaterherz kennen, zu dem wir im Blick auf alle diese Dinge kommen und auf das wir stets rechnen dürfen! Wir haben das große Vorrecht, zu jeder Zeit in der Gegenwart einer Liebe erscheinen zu dürfen, die nichts vorwirft und nie ermüdet; dort können wir unser Herz ausschütten und Hilfe finden, um über alles den Sieg davonzutragen.
Doch was war zu tun, wenn der Aussatz unzweideutig festgestellt war? Der Gott Israels konnte mit Schwachheiten, Mängeln und Gebrechen Nachsicht haben, aber von dem Augenblick an, wo ein Zustand tatsächlicher Unreinheit eintrat, sei es auf dem Kopf, im Bart, an der Stirn oder an irgendeinem anderen Teil des Körpers, konnte das Übel in der Versammlung nicht mehr geduldet werden. „Und der Aussätzige, an dem das Übel ist – seine Kleider sollen zerrissen und sein Haupt soll entblößt sein, und er soll seinen Lippenbart verhüllen und ausrufen: Unrein, unrein!
Alle Tage, da das Übel an ihm ist, soll er unrein sein; er ist unrein; allein soll er wohnen, außerhalb des Lagers soll seine Wohnung sein“ (V. 45.46). Das war der Zustand, die Beschäftigung und der Platz des Aussätzigen. Mit zerrissenen Kleidern, entblößtem Haupt, verhülltem Bart und mit dem Schrei auf seinen Lippen „Unrein, unrein!“ wohnte er draußen in der Einöde, in einer trostlosen, menschenleeren Wüste. Was hätte demütigender und herabwürdigender sein können als das? „Allein soll er wohnen.“ Er war untauglich für jeden Verkehr und jede Gemeinschaft. Er war von dem einzigen Platz in der ganzen Welt ausgeschlossen, wo die Gegenwart des Herrn gekannt und genossen wurde.
Mein Leser! Sieh hier in dem armen, verlassenen Aussätzigen ein lebendiges Bild von jemand, in dem die Sünde wirkt. Das ist es in der Tat, was uns vor Augen gestellt werden soll. Es handelt sich hier nicht, wie wir bald sehen werden, um einen hilflosen, schuldigen und überführten Sünder, dessen Schuld und Elend ans Licht getreten ist und der als solcher einen passenden Gegenstand für die Liebe Gottes und für das Blut Christi bildet. Nein, wir erblicken vielmehr in dem ausgeschlossenen Aussätzigen einen Menschen, in dem die Sünde noch in ihrer ganzen Kraft wirksam ist. Das ist es, was verunreinigt und von dem Genuss der Gegenwart Gottes und der Gemeinschaft der Heiligen ausschließt. Solange die Sünde wirkt, kann keine Gemeinschaft mit Gott oder mit seinem Volk stattfinden. „Allein soll er wohnen, außerhalb des Lagers soll seine Wohnung sein.“ Wie lange? „Alle die Tage, da das Übel an ihm ist.“ Das ist eine wichtige praktische Wahrheit.
Die Wirksamkeit des Bösen ist der Todesstoß für alle Gemeinschaft. Es mag viel äußerer Schein, Form und Bekenntnis vorhanden sein, aber Gemeinschaft kann nicht stattfinden, solange die Kraft des Bösen da ist. Es kommt nicht auf den Charakter oder das Maß des Bösen an. Wenn es auch nur in einem törichten Gedanken besteht, so muss es doch, solange es weiterwirkt, die Gemeinschaft verhindern. Erst dann, wenn das Übel seinen Höhepunkt erreicht hat, wenn es offensichtlich zum Vorschein gekommen und ganz und gar ausgebrochen ist, kann es durch die Gnade Gottes und durch das Blut des Lammes geheilt und weggetan werden.