Behandelter Abschnitt 3. Mose 10,12-15
Der bestimmte Anteil der Priester
„Und Mose redete zu Aaron und zu Eleasar und zu Ithamar, seinen Söhnen, den übrig gebliebenen: Nehmt das Speisopfer, das von den Feueropfern des Herrn übrig bleibt, und esst es ungesäuert neben dem Altar; denn hochheilig ist es. Und ihr sollt es essen an heiligem Ort, denn es ist dein Bestimmtes und das Bestimmte deiner Söhne von den Feueropfern des Herrn; denn so ist mir geboten“ (V. 12.13).
Es gibt wenig Dinge, in denen wir so schnell fehlen wie in der Aufrechthaltung des göttlichen Standpunktes, wenn menschliche Verirrungen und Fehler stattgefunden haben. So fürchtete sich David an dem Tag, als „der Herr einen Bruch an Ussa gemacht hatte“, weil dieser seine Hand nach der Bundeslade ausgestreckt hatte. „Und David fürchtete sich vor Gott an jenem Tag und sprach: Wie soll ich die Lade Gottes zu mir bringen?“ (1Chr 13,11.12). Es ist außerordentlich schwierig, sich unter das Gericht Gottes zu beugen und zugleich den göttlichen Boden festzuhalten. Die Versuchung liegt so nahe, den göttlichen Maßstab zu erniedrigen und von der erhabenen Höhe auf einen menschlichen Standpunkt herabzusteigen.
Wir müssen gegen dieses Böse umso mehr auf der Hut sein, weil es sich den Schein von Demut und Bescheidenheit gibt. Aaron und seine Söhne mussten trotz allem Geschehenen an heiliger Stätte das Speisopfer essen. Sie mussten dies tun, nicht weil alles in vollkommener Ordnung geschehen, sondern weil es „ihr Bestimmtes“ war und weil der Herr es Mose „geboten“ hatte. Trotz der Sünde von Nadab und Abihu war ihr Platz im Heiligtum, und alle, die sich dort befanden, hatten „ihr Bestimmtes“ aufgrund des göttlichen Befehls. Und hätte der Mensch auch noch weit mehr gefehlt, so konnte doch das Wort Gottes nicht fehlen, und dieses Wort hatte allen wahren Priestern gewisse Vorrechte zugesichert, zu deren Genuss sie berufen und berechtigt waren. Sollte den Priestern die priesterliche Speise entzogen werden, weil ein Vergehen stattgefunden hatte? Sollten sie, die Übriggebliebenen, darben, weil Nadab und Abihu „fremdes Feuer“ geopfert hatten? Das war unmöglich. Gott ist treu und kann in seiner Gegenwart niemand leer ausgehen lassen.
Der verlorene Sohn mochte umherreisen, alles vergeuden und in Armut geraten, aber dieses eine blieb immer wahr – in dem Haus meines Vaters ist „Überfluss an Brot“ (Lk 15,17) „Und die Brust des Webopfers und den Schenkel des Hebopfers sollt ihr essen an reinem Ort, du und deine Söhne und deine Töchter mit dir; denn als dein Bestimmtes und das Bestimmte deiner Söhne sind sie gegeben von den Friedensopfern der Kinder Israel . . . als eine ewige Gebühr, so wie der Herr geboten hat“ (V. 14.15). Welch einer Kraft und Beständigkeit begegnen wir hier! Alle Glieder der priesterlichen Familie, „Töchter“ wie „Söhne“, alle mussten, wie verschieden auch das Maß ihrer Kraft oder Fähigkeit sein mochte, sich nähren von der „Brust“ und dem „Schenkel“ von der Liebe und der Kraft des wahren Friedensopfers als auferweckt aus den Toten und vor Gott dargestellt in der Auferstehung. Das war ihr kostbares Vorrecht, das ihnen „als eine ewige Gebühr gegeben“ worden war, „so wie der Herr geboten hatte“. Das Gebot des Herrn macht alles sicher und beständig, mag kommen, was da will.
Wir müssen jedoch einen Unterschied machen zwischen den Vorrechten, an denen alle Glieder der Familie Aarons, Töchter wie Söhne, teilhatten, und solchen, deren sich nur der männliche Teil der Familie erfreuen durfte. Wir haben diesen Punkt bereits bei der Betrachtung der Opfer berührt. Es gibt gewisse Segnungen, die das gemeinsame Teil aller Gläubigen sind, aber es gibt auch solche, deren Verständnis und Genuss ein höheres Maß von geistlicher Fähigkeit und priesterlicher Energie erfordern. Nun ist es mehr als eitel, sich des Besitzes dieses höheren Maßes zu rühmen, wenn man es nicht wirklich besitzt. Es ist eine Sache, an den Vorrechten festzuhalten, die uns von Gott „gegeben“ sind und uns nie geraubt werden können, aber es ist eine andere Sache, sich einen Grad geistlicher Fähigkeit anzumaßen, den man nie erreicht hat. Ohne Zweifel sollten wir ernstlich nach dem höchsten Grad priesterlicher Gemeinschaft, nach der erhabensten Ordnung priesterlicher Vorrechte streben, aber das Streben nach einer Sache und das anmaßende Vorgeben, sie bereits zu besitzen, sind zwei sehr verschiedene Dinge.