Behandelter Abschnitt 3. Mose 2,2-13
Die Bestandteile des Speisopfers
Bei der Betrachtung des Speisopfers wollen wir zunächst die Bestandteile ins Auge fassen, aus denen es zusammengesetzt war, dann die verschiedenen Formen, in denen es dargebracht wurde, und endlich die Personen, die an ihm beteiligt waren.
Was die Bestandteile betrifft, so kann das „Feinmehl“, wie bereits gesagt, als die Grundlage des Opfers betrachtet werden. Wir finden darin ein Vorbild auf Christus als Mensch, der in sich alle Vollkommenheit vereinigte. Jede Tugend war vorhanden und zum tätigen Handeln im geeigneten Augenblick bereit. Es ist die Freude des Heiligen Geistes, die Herrlichkeit der Person Christi zu entfalten und ihn in seiner ganzen unvergleichlichen Vortrefflichkeit sowie im Gegensatz zu allen anderen vor unser Auge zu stellen. Er zeigt uns ihn im Gegensatz zu Adam, selbst in dessen bestem und höchstem Zustand, wie wir lesen: „Der erste Mensch ist von der Erde, von Staub; der zweite Mensch vom Himmel“ (1Kor 15,47). Der erste Adam war, selbst vor dem Fall, „von der Erde“, der zweite Mensch aber war „der Mensch vom Himmel“.
Feinmehl gemengt mit Öl
Das „Öl“ im Speisopfer ist ein Bild vom Heiligen Geist, und wie das Öl auf zweifache Weise angewandt wurde, so wird auch der Heilige Geist von einem zweifachen Gesichtspunkt aus in Verbindung mit der Menschwerdung des Sohnes dargestellt. Das Feinmehl wurde mit Öl „gemengt“, und das Öl wurde darüber „gegossen“. So war das Bild. In der Erfüllung des Bildes sehen wir den Herrn Jesus zunächst von dem Heiligen Geist „empfangen“ und dann durch ihn „gesalbt“ (vgl. Mt 1,18.20 mit Kap. 3,16). Das ist göttlich! Die Genauigkeit, die hier hervortritt, ist bewundernswert. Es ist ein und derselbe Geist, der die Bestandteile des Bildes aufzeichnet und uns die Tatsachen in ihrer Erfüllung berichtet. Er, der mit solch erstaunlicher Genauigkeit die Schatten und Bilder des dritten Buches Mose mitgeteilt hat, stellt uns ihn, den allein Vollkommenen, in den Berichten der Evangelien mit gleicher Sorgfalt vor Augen.
Die Zeugung Christi als Mensch durch den Heiligen Geist im Mutterleib der Jungfrau Maria ist eines der tiefsten Geheimnisse. Sie wird am ausführlichsten im Lukas-Evangelium berichtet, und dies ist charakteristisch, weil es in diesem ganzen Evangelium der besondere Zweck des Heiligen Geistes zu sein scheint, den „Menschen Christus Jesus“ darzustellen. In Matthäus 1 haben wir den „Sohn Abrahams, den Sohn Davids“, in Markus den göttlichen Diener, den himmlischen Arbeiter, und in Johannes den „Sohn Gottes“, das ewige Wort, das Leben, das Licht – ihn, durch den alle Dinge geworden sind. Aber das erhabene Thema des Heiligen Geistes im Evangelium des Lukas ist Jesus, „der Sohn des Menschen“.
Als der Engel Gabriel der Jungfrau Maria die Würde ankündigte, die ihr in Verbindung mit der Menschwerdung Christi zuteilwerden sollte, stellte sie, jedoch nicht im Geist der Zweifelsucht, sondern in ehrlicher Unwissenheit die Frage: „Wie kann das sein, da ich ja keinen Mann kenne . . . ?“ (Lk 1,34). Sie dachte offenbar, dass die Geburt dieser herrlichen Person, die nun bald erscheinen sollte, nach den gewöhnlichen Regeln der Zeugung stattfinden würde, und dieser Gedanke bot der großen Güte Gottes Gelegenheit, unschätzbares Licht über die Grundwahrheit der Menschwerdung zu schenken. Die Erwiderung des Engels auf die Frage der Jungfrau ist von höchstem Interesse. „Und der Engel antwortete und sprach zu ihr: Der Heilige Geist wird auf dich kommen, und Kraft des Höchsten wird dich überschatten; darum wird auch das Heilige, das geboren werden wird, Sohn Gottes genannt werden“ (Lk 1,35).
Aus dieser herrlichen Stelle ersehen wir, dass der menschliche Leib, in den die zweite Person der ewigen Dreieinheit einzog, durch die „Kraft des Höchsten“ gebildet wurde. „Einen Leib hast du mir bereitet“ (vgl. Ps 40,7 mit Heb 10,5). Es war ein wahrer menschlicher Leib, wahres Fleisch und Blut. Hier gibt es nicht die geringste Grundlage für die geist- und wertlosen Theorien des Gnostizismus oder des Mystizismus. Alles ist göttliche Wirklichkeit, gerade das, was unsere Herzen nötig haben und was Gott uns gegeben hat. Die erste Verheißung hatte erklärt, dass der Nachkomme der Frau der Schlange den Kopf zertreten sollte, und nur einer, dessen Natur ebenso wirklich menschlich wie rein und unverderblich war, konnte diese Verheißung erfüllen. „Du wirst im Leib empfangen“, sagte der Engel, „und einen Sohn gebären“ (Lk 1,31)2. Und dann, um bezüglich der Art und Weise dieser Empfängnis keinen Raum für irgendeinen Irrtum zu lassen, fügt er Worte hinzu, die den unwiderlegbaren Beweis liefern, dass das „Fleisch und Blut“, an dem der ewige Sohn „teilnahm“ (Heb 2,14), obschon wahres, wirkliches Fleisch und Blut, dennoch keinen einzigen Flecken aufwies.
Der Leib, die menschliche Natur des Herrn Jesus, wird nachdrücklich „das Heilige“ genannt, und weil sie ganz und gar fleckenlos war, so trug sie auch keinen Keim der Sterblichkeit in sich. Sterblichkeit können wir uns nur in Verbindung mit der Sünde denken, und die menschliche Natur Christi hatte nichts mit der Sünde zu tun. Die Sünde wurde ihm auf dem Kreuz zugerechnet; Er wurde dort für uns „zur Sünde gemacht“ (2Kor 5,21). Das Speisopfer aber ist nicht ein Bild von Christus als dem Sündenträger, sondern es stellt uns ihn in seinem vollkommenen Leben hier auf der Erde dar – einem Leben, in dem Er ohne Zweifel litt, jedoch nicht als Sündenträger, nicht als Stellvertreter, nicht von der Hand Gottes. Das ist sehr wichtig. Weder im Brandopfer noch im Speisopfer finden wir Christus als Sündenträger. Im Speisopfer sehen wir ihn lebend, im Brandopfer sterbend, aber in keinem handelt es sich um Sündenzurechnung oder um das Ertragen des Zorns Gottes wegen der Sünde. Mit einem Wort: Christus als Stellvertreter des Sünders irgendwo anders als auf dem Kreuz darzustellen, hieße sein Leben all seiner göttlichen Schönheit und Vortrefflichkeit berauben und das Kreuz gänzlich von seiner Stelle rücken. Zugleich würde dies unter den Bildern des dritten Buches Mose hoffnungslose Verwirrung anrichten.
Die Wahrheit über die Person Christi
Bezüglich der Wahrheit von der Person des Herrn Jesus Christus möchte ich an dieser Stelle ein ernstes Warnungswort an den gläubigen Leser richten. Ist bezüglich dieses Punktes ein Irrtum vorhanden, so gibt es keine Sicherheit für irgendeinen anderen. Die Person Christi ist der lebendige, der göttliche Mittelpunkt aller Wirkungen des Heiligen Geistes. Lass die Wahrheit in Bezug auf ihn fahren und du bist gleich einem Schiff, das, losgerissen von seinen Ankern, ohne Ruder und Kompass auf der wilden Wasserwüste umhertreibt und sich in höchster Gefahr befindet, an den Klippen des Unglaubens oder des Atheismus zu zerschellen. Beginne zu zweifeln an der ewigen Sohnschaft Christi, an seiner Gottheit, an seinem fleckenlosen Menschsein, und du hast eine Schleuse geöffnet, durch die eine Flut der traurigsten Irrtümer hereinbricht.
Der Herr Jesus, der ewige Sohn Gottes, die zweite Person der heiligen Dreieinheit, „Er, der offenbart worden ist im Fleisch“ (1Tim 3,16), „der über allem ist, Gott, gepriesen in Ewigkeit“ (Röm 9,5), nahm einen Leib an, der in sich selbst göttlich rein und heilig, gänzlich frei von jedem Samen oder Grundsatz der Sünde oder der Sterblichkeit und ohne die Möglichkeit einer Befleckung war. Christus war derart Mensch, dass Er in jedem Augenblick, soweit es ihn persönlich betraf, in den Himmel, von woher Er gekommen war und dem Er angehörte, hätte zurückkehren können. Ich spreche hier nicht von den ewigen Ratschlüssen der erlösenden Liebe, nicht von der Liebe Jesu, seiner Liebe zu Gott und seiner Liebe zu den Auserwählten Gottes, auch nicht von dem Werk, das nötig war, um den ewigen Bund Gottes mit den Nachkommen Abrahams und mit der ganzen Schöpfung zu bestätigen. Die eigenen Worte Christi belehren uns, dass Er „leiden und am dritten Tag auferstehen sollte aus den Toten“ (Lk 24,46). Sein Leiden war für die Offenbarung und vollkommene Erfüllung des großen Geheimnisses der Erlösung absolut notwendig. Es war sein Vorsatz, „viele Söhne zur Herrlichkeit zu bringen“ (Heb 2,10). Er wollte nicht „allein bleiben“, und darum musste Er, „das Weizenkorn, in die Erde fallen und sterben“ (Joh 12). Je mehr wir in die Wahrheit seiner Person eindringen, umso höher werden wir die in seinem Werk offenbarte Gnade schätzen.
Wenn der Apostel von Christus als „durch Leiden vollkommen gemacht“ spricht, so betrachtet er ihn als den „Urheber unserer Errettung“ (Heb 2,10), nicht aber als den Sohn, der, was seine Person und Natur betraf, so göttlich vollkommen war, dass ihm unmöglich etwas hinzugefügt werden konnte. Ebenso nimmt der Herr, wenn Er sagt: „Siehe, ich treibe Dämonen aus und vollbringe Heilungen heute und morgen, und am dritten Tag werde ich vollendet“ (Lk 13,32), Bezug auf sein Vollendetwerden in der Kraft der Auferstehung als der Erfüller des Erlösungswerkes. Soweit es ihn persönlich betraf, konnte Er sogar auf dem Weg aus dem Garten Gethsemane sagen: „Meinst du, dass ich nicht meinen Vater bitten könnte und er mir jetzt mehr als zwölf Legionen Engel stellen würde? Wie sollten denn die Schriften erfüllt werden, dass es so geschehen muss?“ (Mt 26,53.54).
Es ist gut, wenn wir hierüber Klarheit besitzen und ein göttliches Bewusstsein haben von der Übereinstimmung, die zwischen jenen Schriftstellen besteht, die Christus in der Würde seiner Person und der göttlichen Reinheit seiner Natur darstellen, und jenen, die ihn in seinen Beziehungen zu seinem Volk und als den Erfüller des großen Erlösungswerkes betrachten. Zuweilen finden wir beide Dinge in derselben Stelle vereinigt, wie z. B. in Hebräer 5,8.9, wo wir lesen: „Obwohl er Sohn war, an dem, was er litt, den Gehorsam lernte; und, vollendet worden, ist er allen, die ihm gehorchen, der Urheber ewigen Heils geworden.“ Wir müssen uns jedoch daran erinnern, dass nicht eine einzige jener Beziehungen, in die Christus freiwillig eintrat – sei es als der Ausdruck der göttlichen Liebe gegen eine verlorene Welt oder als der Diener der göttlichen Ratschlüsse –, irgendwie die Reinheit, Vortrefflichkeit und Herrlichkeit seiner Person beeinträchtigen konnte. Der Heilige Geist kam über die Jungfrau, und Kraft des Höchsten überschattete sie, und darum wurde „das Heilige, das von ihr geboren wurde, Sohn Gottes genannt“ (Lk 1,35). Wie herrlich entfalten diese Worte das tiefe Geheimnis, dass Christus reiner und vollkommener Mensch war! Das ist das große Gegenbild des „mit Öl gemengten Feinmehls“!
Hier möchte ich noch die Bemerkung einflechten, dass zwischen der menschlichen Natur, wie wir sie in dem Herrn Jesus Christus sehen, und unserer menschlichen Natur keine Vereinigung stattfinden konnte. Das Reine konnte sich nie mit dem Unreinen vermengen. Das, was unverderblich ist, konnte sich unmöglich verbinden mit dem, was verderblich ist. Niemals kann sich das Geistliche mit dem Fleischlichen, das Himmlische mit dem Irdischen vereinigen. Hieraus folgt, dass die hier und da aufgetauchte Lehre, Christus habe sich mit unserer gefallenen Natur vereinigt, durchaus falsch ist, denn hätte Er dies tun können, so wäre der Tod am Kreuz keine Notwendigkeit gewesen. In diesem Fall hätte das Weizenkorn nicht in die Erde zu fallen und zu sterben brauchen. Unmöglich konnte sich Christus mit der sündigen Menschheit vereinigen. Hören wir, was der Engel im ersten Kapitel des Matthäusevangelium zu Joseph sagt: „Joseph, Sohn Davids, fürchte dich nicht, Maria, deine Frau, zu dir zu nehmen; denn das in ihr Gezeugte ist von dem Heiligen Geist!“ (V. 20). So sind die natürlichen Gefühle Josephs wie auch die fromme Unwissenheit Marias zu einer Gelegenheit geworden, das heilige Geheimnis der Menschwerdung Christi klarer zu entfalten und zugleich gegen alle gotteslästerlichen Angriffe des Feindes zu schützen.
In welcher Weise aber sind die Gläubigen mit Christus vereinigt? In seiner Menschwerdung oder in seiner Auferstehung? Ohne Zweifel in seiner Auferstehung, denn „wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein“ (Joh 12,24). Diesseits des Todes war eine Vereinigung zwischen Christus und seinem Volk eine Unmöglichkeit. Die Gläubigen sind in der Kraft eines neuen Lebens mit Christus vereinigt. Sie waren tot in Sünden, und Er kam in vollkommener Gnade hernieder und wurde, obwohl selbst rein und ohne Sünde, „zur Sünde gemacht“ (2Kor 5,21), „der Sünde gestorben“ (Röm 6,10), tat sie hinweg, stand wieder auf, über sie und alles mit ihr Verbundene triumphierend, und wurde in der Auferstehung das Haupt eines neuen Geschlechts.
Adam war das Haupt der alten Schöpfung, die mit ihm fiel. Christus stellte sich durch sein Sterben unter das volle Gewicht des Zustandes seines Volkes und nachdem Er allem, was gegen sein Volk war, begegnet war, verließ Er als Sieger über alles das Grab und führte die Seinen mit sich in die neue Schöpfung ein, von der Er selbst das herrliche Haupt und der Mittelpunkt ist. Deshalb lesen wir: „Wer aber dem Herrn anhängt, ist ein Geist mit ihm“ (1Kor 6,17). „Gott aber, der reich ist an Barmherzigkeit, wegen seiner vielen Liebe, womit er uns geliebt hat, hat auch uns, als wir in den Vergehungen tot waren, . . . mitauferweckt und mitsitzen lassen in den himmlischen Örtern in Christus Jesus“ (Eph 2,4-6). „Denn wir sind Glieder seines Leibes, von seinem Fleisch und von seinen Gebeinen“ (Eph 5,30). „Und euch, als ihr tot wart in den Vergehungen und der Vorhaut eures Fleisches, hat er mitlebendig gemacht mit ihm, indem er uns alle Vergehungen vergeben hat“ (Kol 2,13).
Wir könnten noch viele ähnliche Stellen anführen, aber diese genügen, um zu beweisen, dass Christus nicht in der Menschwerdung, sondern im Tod eine Stellung einnahm, in der sein Volk „mit ihm lebendig“ gemacht werden konnte.
Feinmehl mit Öl begossen
Wenden wir uns jetzt zu den Worten: „Er soll Öl darauf gießen“ (V. 1). Hier entdecken wir einen anderen Punkt, der ebenfalls sehr wichtig ist. Wir haben hier nämlich ein Bild von der Salbung des Herrn Jesus Christus durch den Heiligen Geist. Der Leib des Herrn Jesus war nicht nur durch den Heiligen Geist geheimnisvoll gebildet, sondern dieses reine und heilige Gefäß wurde auch durch dieselbe Macht zum Dienst gesalbt. „Es geschah aber, als das ganze Volk getauft wurde und Jesus getauft war und betete, dass der Himmel aufgetan wurde und der Heilige Geist in leiblicher Gestalt, wie eine Taube, auf ihn herniederfuhr und eine Stimme aus dem Himmel erging: Du bist mein geliebter Sohn, an dir habe ich Wohlgefallen gefunden“ (Lk 3,21.22).
Die Salbung des Herrn Jesus durch den Heiligen Geist vor seinem Eintritt in seinen öffentlichen Dienst ist für jeden, der ein wahrer Diener Gottes sein möchte, von großer praktischer Wichtigkeit. Obwohl Er, was sein Menschsein betrifft, durch den Heiligen Geist empfangen wurde, obwohl Er in seiner eigenen Person „Gott offenbart im Fleisch“ (1Tim 3,16) war, obwohl die ganze Fülle der Gottheit „leibhaftig in ihm wohnte“ (Kol 2,9), verrichtete Er doch (und man beachte dies recht), wenn Er als Mensch zur Erfüllung des Willens Gottes auf der Erde erschien, alles durch den Heiligen Geist – mochte jener Wille die Verkündigung des Evangeliums, das Heilen der Kranken, das Austreiben der Teufel, das Speisen der Hungrigen oder das Auferwecken der Toten in sich fassen. Das heilige und himmlische Gefäß, in dem es Gott, dem Sohn wohlgefiel, in dieser Welt zu erscheinen, war gebildet, erfüllt, gesalbt und geleitet durch den Heiligen Geist.
Welch eine Belehrung für uns! Und wie notwendig ist diese Belehrung! Wie geneigt sind wir zu laufen, ohne gesandt zu sein! Wie geneigt, in der bloßen Kraft des Fleisches zu handeln! Wie vieles von dem, was wie Dienst aussieht, ist nur die unruhige Tätigkeit einer Natur, die niemals in der Gegenwart Gottes verurteilt und gerichtet worden ist! In der Tat, wir haben nötig, unser göttliches „Speisopfer“ genauer zu betrachten, die Bedeutung des mit „Öl gesalbten Feinmehls“ genauer zu verstehen. Wir haben nötig, über Christus selbst tiefer nachzusinnen. Obwohl Er in seiner eigenen Person göttliche Macht besaß, vollbrachte Er dennoch durch den Heiligen Geist sein ganzes Werk; so wirkte Er alle seine Wunder und so opferte Er sich „selbst durch den ewigen Geist ohne Flecken“. Er konnte sagen: „Ich treibe Dämonen aus durch den Geist Gottes.“
Alle unsere Tätigkeit ist unnütz und wertlos, wenn sie nicht durch den Heiligen Geist gewirkt und geleitet wird. Jemand mag schreiben; aber wenn seine Feder nicht von dem Heiligen Geist geleitet wird, so werden seine Schriften keine bleibenden Ergebnisse hervorbringen. Ein anderer mag reden; aber wenn seine Lippen nicht von dem Heiligen Geist gesalbt sind, so wird sein Wort nicht Wurzel fassen. Das sind ernste Erwägungen, die uns zu großer Wachsamkeit gegenüber uns selbst und zu einer beständigen Abhängigkeit von dem Heiligen Geist leiten werden. Es ist für uns nötig, ganz leer zu sein von uns selbst, damit so dem Geist mehr Raum gelassen wird, durch uns zu handeln. Unmöglich kann ein Mensch, der von sich selbst erfüllt ist, das Gefäß des Heiligen Geistes sein. Ein solcher muss, bevor der Heilige Geist ihn benutzen kann, zunächst leer werden von sich selbst.
Wenn wir die Person und den Dienst des Herrn Jesus betrachten, dann sehen wir, dass Er in jedem Augenblick und in jeder Lage durch die Kraft des Heiligen Geistes handelte. Nachdem Er als Mensch hier auf der Erde seinen Platz eingenommen hatte, zeigte Er, dass der Mensch nicht nur durch das Wort leben, sondern auch durch die Kraft des Geistes Gottes handeln sollte. Obwohl als Mensch sein Wille, seine Gedanken, seine Worte und Handlungen, ja alles vollkommen war, so wollte Er dennoch nicht handeln, außer aufgrund der Autorität des Wortes und durch die Kraft des Heiligen Geistes.
Weihrauch
Der nächste Bestandteil des Speisopfers ist „der Weihrauch“. Wie bereits bemerkt, bildete das „Feinmehl“ die Grundlage des Opfers. Das „Öl“ und der „Weihrauch“ waren die beiden hervorragendsten Zusätze, und die Kombination dieser beiden ist in der Tat sehr lehrreich. Das „Öl“ ist ein Bild von der Kraft des Dienstes Christi, der „Weihrauch“ von dem Zweck dieses Dienstes. Das Öl belehrt uns, dass Er alles durch den Geist Gottes verrichtete, der Weihrauch, dass Er alles zur Verherrlichung Gottes tat.
Der Weihrauch stellte dasjenige im Leben Christi dar, was ausschließlich für Gott war. Dies geht deutlich aus dem zweiten Vers hervor, wo wir lesen: „Und er soll es zu den Söhnen Aarons, den Priestern, bringen; und er nehme davon seine Handvoll, von seinem Feinmehl und von seinem Öl samt all seinem Weihrauch, und der Priester räuchere das Gedächtnisteil davon auf dem Altar: Es ist ein Feueropfer lieblichen Geruchs dem Herrn“ (V. 2). So war es bei dem eigentlichen, dem wahren Speisopfer, dem Menschen Christus Jesus. In seinem gesegneten Leben gab es etwas, was ausschließlich für Gott war. Jeder Gedanke, jedes Wort, jede Handlung von ihm verbreitete einen Wohlgeruch, der unmittelbar zu Gott emporstieg. Und wie im Bild das „Feuer des Altars“ den lieblichen Geruch des Weihrauchs hervorrief, so offenbarte sich in dem Herrn Jesus, je mehr Er in seinem Leben „versucht“ wurde, nur umso klarer, dass in seiner menschlichen Natur nichts war, was nicht als ein Wohlgeruch zum Thron Gottes aufsteigen konnte. Wenn wir im Brandopfer Christus sehen, wie Er „sich selbst ohne Flecken Gott geopfert hat“ (Heb 9,14), so sehen wir ihn im Speisopfer die ganze innere Vortrefflichkeit und die vollkommenen Handlungen seiner menschlichen Natur Gott darbringen. Ein vollkommener, ein sich selbst verleugnender, ein gehorsamer Mensch auf der Erde, der den Willen Gottes erfüllte und durch die Autorität des Wortes und durch die Kraft des Geistes handelte, besaß einen Wohlgeruch, der nur von Gott voll gewürdigt und entgegengenommen werden konnte. Der Umstand, dass der „ganze Weihrauch“ auf dem Altar verzehrt wurde, zeigt klar dessen Bedeutung.
Salz
Es bleibt uns jetzt nur noch ein Bestandteil übrig, der eine unerlässliche Beigabe des Speisopfers war, nämlich das Salz. „Und alle Opfergaben deines Speisopfers sollst du mit Salz salzen und sollst das Salz des Bundes deines Gottes nicht fehlen lassen bei deinem Speisopfer; bei allen deinen Opfergaben sollst du Salz darbringen“ (V. 13). Der Ausdruck „Salz des Bundes“ stellt den bleibenden Charakter dieses Bundes dar. Das Salz ist ein außerordentlich wichtiger Bestandteil. „Euer Wort sei allezeit in Gnade, mit Salz gewürzt“ (Kol 4,6). Das ganze Verhalten des vollkommenen Menschen brachte die Kraft dieses Grundsatzes zum Ausdruck. Seine Worte waren nicht nur Worte der Gnade, sondern auch Worte von schneidender Kraft, Worte, die göttlich angemessen waren, um vor jeder Fäulnis und jedem verderblichen Einfluss zu bewahren. Er sprach niemals ein Wort, das nicht von „Weihrauch“ duftete und nicht „mit Salz gesalzen“ war. Das eine war wohlannehmlich für Gott, das andere nützlich für den Menschen.
Leider konnte das böse Herz und der verdorbene Geschmack des Menschen das Schneidende des göttlich gesalzenen Speisopfers nicht ertragen. Betrachten wir z. B. die Szene in der Synagoge zu Nazareth (Lk 4,16-29). Das Volk „gab ihm Zeugnis und verwunderte sich über die Worte der Gnade, die aus seinem Mund hervorgingen“ (V. 22). Als Er aber fortfuhr, diese Worte mit „Salz“ zu würzen, was so unumgänglich nötig war, um seine Zuhörer vor dem verderblichen Einfluss ihres Nationalstolzes zu bewahren, da hätten sie ihn gern hinabgestürzt von dem Rand des Berges, auf dem ihre Stadt erbaut war. So auch in Lukas 14: Als seine Worte der Gnade eine große Volksmenge zu ihm gezogen hatten, brachte Er gleich darauf das Salz in Anwendung, indem Er die unausbleiblichen Konsequenzen der Nachfolge zeigte. „Kommt, denn schon ist alles bereit!“ (V. 17) – das war die Gnade. Aber dann: „Wenn jemand zu mir kommt und hasst nicht seinen Vater und seine Mutter . . . . dazu aber auch sein eigenes Leben, so kann er nicht mein Jünger sein“ (V. 26) – das war das „Salz“. Die Gnade ist anziehend, aber „das Salz ist gut“. Eine Rede voll Gnade mag volkstümlich sein. Eine gesalzene Rede ist es nie. Dem reinen Evangelium von der Gnade Gottes mag „die Volksmenge“ zu gewissen Zeiten und unter gewissen Umständen eine Weile nachlaufen. Sobald aber das „Salz“ einer scharfen und treuen Anwendung hinzugefügt wird, leeren sich die Bänke; ausharren werden im Allgemeinen nur solche, die die heilsame Macht des Wortes an sich verspüren.
Sauerteig
Nachdem wir so die Bestandteile geprüft haben, aus denen sich das Speisopfer zusammensetzte, müssen wir noch auf jene hinweisen, die ausdrücklich verboten waren. Zu diesen Letzteren gehört zunächst der Sauerteig. „Alles Speisopfer, das ihr dem Herrn darbringt, soll nicht aus Gesäuertem gemacht werden“ (V. 11). Der Sauerteig wird in der ganzen Heiligen Schrift, ohne eine einzige Ausnahme, als ein Symbol des Bösen gebraucht. Wie wir später in 3. Mose 23 finden werden, war bei den beiden Broten, die am Pfingsttag dargebracht wurden, der Sauerteig gestattet. Beim Speisopfer aber war er ausdrücklich verboten. Nichts Saures, nichts was aufblähen konnte, nichts was Böses ausdrückte, durfte sich in dem vorfinden, was den „Menschen Christus Jesus“ darstellte. In ihm konnte nichts sein, was nach der Bitterkeit der Natur schmeckte, nichts Schwülstiges, nichts Aufgeblasenes. Alles war rein, gediegen und echt.
Sein Wort mochte zu Zeiten bis ins lebendige Fleisch schneiden, aber nie war es herb. Seine Redeweise war jedem vorliegenden Fall immer genau angemessen. Sein Betragen bekundete immer die tiefe Wirklichkeit eines Weges in der unmittelbaren Gegenwart Gottes.
Wir wissen leider nur zu gut, wie sich der Sauerteig in all seinen Eigenschaften und Wirkungen immer wieder in denen zeigt, die den Namen Jesu tragen. Es hat nur eine unverdorbene Garbe menschlicher Frucht gegeben, nur ein völlig ungesäuertes Speisopfer. Doch, Gott sei gepriesen! Dieser Eine ist unser, unser, damit wir uns von ihm nähren im Heiligtum der göttlichen Gegenwart, in Gemeinschaft mit Gott. In der Tat, nichts kann für das erneuerte Herz erbaulicher und erfrischender sein, als bei der „ungesäuerten“ Vollkommenheit des Menschen Jesus Christus zu verweilen, das Leben und den Dienst dieses Einen zu betrachten, der durch und durch „ungesäuert“ war.
In all den Quellen seiner Gedanken, Gefühle und Wünsche fand sich nicht die kleinste Spur vom Sauerteig. Er war der sündlose, fleckenlose, vollkommene Mensch. Und je mehr wir durch die Kraft des Geistes befähigt sind, in das alles einzudringen, umso gründlicher wird unsere Erfahrung von der Gnade sein, die diesen Vollkommenen bewegte, sich unter all die Folgen der Sünde seines Volkes zu stellen, wie Er dies am Kreuz getan hat. Indessen steht dieser Gedanke in Verbindung mit unserem geliebten Herrn, als Sündopfer betrachtet. Im Speisopfer handelt es sich durchaus nicht um die Sünde.
Honig
Ebenso entschieden wie der Sauerteig war aber auch der Honig verboten. „Denn aller Sauerteig und aller Honig, davon sollt ihr dem Herrn kein Feueropfer räuchern“ (V. 11). So wie der „Sauerteig“ das ausdrückt, was offenbar böse in der Natur ist, so können wir den „Honig“ als ein Symbol des scheinbar Süßen und Anziehenden betrachten. Beides ist nicht von Gott gestattet. Beides musste beim Speisopfer unbedingt vermieden werden. Beides passte nicht für den Altar. Es gibt ohne Zweifel manche guten sittlichen Eigenschaften im Menschen, die wir nicht ausnahmslos abwerten wollen. „Hast du Honig gefunden, so iss dein Genüge“, aber vergiss nicht, dass er weder im Speisopfer noch in dessen Gegenbild einen Platz fand. Da war die Fülle des Heiligen Geistes der liebliche Wohlgeruch des „Weihrauchs“, die konservierende Kraft des „Salzes des Bundes“. Alle diese Dinge kamen zu dem „Feinmehl“ in der Person des wahren Speisopfers hinzu, aber „kein Honig“.
Eine heilsame Lehre für uns! Unser Herr wusste der Natur und ihren Beziehungen ihren wahren Platz anzuweisen. Er wusste, wie viel Honig sich geziemte. Er konnte zu seiner Mutter sagen: „Wusstet ihr nicht, dass ich in dem sein muss, was meines Vaters ist?“ (Lk 2,49). Und doch konnte Er wiederum an seinen geliebten Jünger die Worte richten: „Siehe, deine Mutter!“ (Joh 19,27). Mit anderen Worten, den Ansprüchen der Natur wurde niemals erlaubt, die Darstellung Christi als vollkommener Mensch vor Gott zu beeinträchtigen. Maria und andere mit ihr mögen gedacht haben, dass ihre menschliche Verwandtschaft mit dem Hochgelobten ihr irgendeinen besonderen Anspruch oder Einfluss auf ihn auf bloß natürlichem Boden einräume. So lesen wir: „Es kommen seine Mutter und seine Brüder; und draußen stehend, sandten sie zu ihm und riefen ihn. Und eine Volksmenge saß um ihn herum; und sie sagen zu ihm: Siehe, deine Mutter und deine Brüder draußen suchen dich“ (Mk 3,31.32).
Was aber war die Antwort des wahren Speisopfers? Verließ Er sein Werk, um den Anforderungen der Natur zu entsprechen? Keineswegs. Hätte Er das getan, so wäre es eine Vermengung des Speisopfers mit Honig gewesen, und das durfte nicht sein. Der Honig war ausgeschlossen bei dieser wie bei jeder anderen Gelegenheit, wenn den Forderungen Gottes Folge geleistet werden musste. Stattdessen finden wir die Kraft des Geistes, den Wohlgeruch des „Weihrauchs“ und die Kraft des „Salzes“. „Und Er antwortete ihnen und spricht: Wer ist meine Mutter und meine Brüder? Und er blickte umher auf die im Kreis um ihn her Sitzenden und spricht: Siehe da, meine Mutter und meine Brüder; denn wer irgend den Willen Gottes tut, der ist mein Bruder und meine Schwester und meine Mutter.“3
Es gibt wenige Dinge, die dem Diener Christi schwerer fallen, als mit geistlicher Genauigkeit die Ansprüche der natürlichen Verwandtschaft so zu regeln, dass sie die Anforderungen des Herrn in keiner Weise beeinträchtigen. Bei ihm war dieses alles göttlich geregelt, während es bei uns nur zu häufig geschieht, dass Pflichten, die uns von Gott auferlegt sind, um solcher Dinge willen vernachlässigt werden, die wir für den Dienst Christi halten. Wahre Hingabe sucht in erster Linie, allen göttlichen Anforderungen völlig zu genügen. Wie oft wird die Lehre Gottes einem scheinbaren Werk des Evangeliums geopfert! Wenn ich eine Stellung einnehme, die meine Kräfte täglich von morgens 8 bis abends 7 Uhr in Anspruch nimmt, so habe ich kein Recht, während dieser Stunden zu predigen oder Besuche zu machen. Habe ich ein Geschäft, so bin ich verpflichtet, es sehr korrekt zu führen.
Ich habe kein Recht, hier und dort zu predigen, während mein Geschäft daheim in Unordnung liegt, so dass die heilige Lehre Gottes dadurch verlästert wird. Vielleicht sagt jemand: „Ich fühle mich berufen, das Evangelium zu predigen, aber meine Stellung oder mein Geschäft steht mir im Weg.“ Nun, wenn du von Gott für das Werk des Evangeliums berufen und befähigt bist und du die beiden Dinge nicht miteinander vereinigen kannst, so gib deine Stellung auf oder wickle dein Geschäft in einer Gott wohlgefälligen Weise ab und gehe dann im Namen des Herrn voran. Aber solange ich eine Stellung innehabe oder ein Geschäft betreibe, darf meine Arbeit im Evangelium erst beginnen, wenn die göttlichen Anforderungen bezüglich dieser Stellung oder dieses Geschäftes völlig befriedigt sind. Das ist wahre Hingabe. Alles andere, so gut es auch gemeint sein mag, ist Verwirrung. Wir haben, Gott sei Dank, ein vollkommenes Vorbild in dem Leben des Herrn Jesus vor uns, und das Wort Gottes enthält für den neuen Menschen klare Wegweisung, so dass wir nicht nötig haben, Fehler zu machen, weder hinsichtlich der mannigfachen Beziehungen, in welche die Vorsehung Gottes uns gestellt hat, noch hinsichtlich der mancherlei Anforderungen, welche die Regierung Gottes in Verbindung mit diesen Beziehungen an uns stellt.
2 „Als aber die Fülle der Zeit gekommen war, sandte Gott seinen Sohn, geboren von einer Frau, geboren unter Gesetz“ (Gal 4,4). Das ist eine sehr wichtige Stelle, da sie unseren Herrn als Sohn Gottes und als Sohn des Menschen vor uns stellt. „Gott sandte seinen Sohn, geboren von einer Frau.“ Wunderbares Zeugnis!↩︎
3 Wie wichtig ist es, in dieser herrlichen Stelle zu sehen, dass das Tun des Willens Gottes die Seele in ein verwandtschaftliches Verhältnis zu Christus bringt, von dem seine Brüder nach dem Fleisch nichts kannten: „Wenn jemand nicht von neuem geboren wird, so kann er das Reich Gottes nicht sehen“ (Joh 3,3). Maria hätte nicht errettet werden können durch die bloße Tatsache, dass sie die Mutter Jesu war. Sie bedurfte ebenso sehr des persönlichen Glaubens an Christus wie jedes andere Glied der gefallenen Familie Adams. Sie musste durch die Wiedergeburt aus der alten Schöpfung in die neue übergehen, und dadurch, dass sie die Worte Christi in ihrem Herzen bewahrte, wurde sie errettet. Sie war ohne Zweifel hoch begnadigt, indem sie als Gefäß zu einem so heiligen Dienst ausersehen wurde, aber als arme Sünderin hatte sie nötig, „in Gott, ihrem Heiland, zu frohlocken“ (Lk 1,47), wie alle anderen. Sie steht auf demselben Boden, ist in demselben Blut gewaschen, in dieselbe Gerechtigkeit gekleidet und wird dasselbe Lied singen wie alle übrigen Erlösten Gottes. Das macht einen bereits erwähnten Punkt noch klarer, nämlich, dass Christus durch die Menschwerdung nicht unsere Natur in Verbindung mit sich gebracht hat. Diese Wahrheit wird in
2. Korinther 5,14-17 klar dargestellt↩︎