Behandelter Abschnitt 2. Mose 21-23
Das Gesetz: Rechte und Regeln
Die Gerechtigkeit Gottes und der moralische Verfall des Menschen
Der nun vor uns liegende Teil des zweiten Buches Mose zeigt uns besonders die Weisheit und unendliche Güte Gottes. Anhand der Kapitel 21 bis 23 können wir uns eine Vorstellung von einem Königreich machen, das durch von Gott angeordnete Gesetze verwaltet wird. Zugleich sehen wir die bewundernswerte Herablassung des großen Gottes des Himmels und der Erde, dem es nicht zu gering ist, eine Rechtssache wie den Tod eines Ochsen (Kap. 22,9.10), einen zum Pfand genommenen Mantel (V. 25) oder den Verlust des Zahnes eines Knechtes (Kap. 21,27) durch ein Gesetz zu regeln. Wer ist dem Herrn, unserem Gott gleich? Er regiert das Weltall und kann zugleich um die Ernährung und Bekleidung irgendeines seiner Geschöpfe besorgt sein. Er leitet den Flug des Adlers und nimmt Notiz von einem kriechenden Wurm. Er lenkt die Himmelskörper in ihrer Bahn durch den unermesslichen Weltraum, und es ist ihm doch nicht zu gering, auf das Fallen eines Sperlings achtzuhaben.
Die in Kapitel 21 aufgezählten Rechte und Gesetze enthalten eine zweifache Belehrung. Sie reden von Gott und von dem Menschen.
Zunächst sehen wir Gott, und zwar als einen strengen, unparteiischen, vollkommenen Richter. „Auge um Auge, Zahn um Zahn, Hand um Hand, Fuß um Fuß, Brandmal um Brandmal, Wunde um Wunde, Strieme um Strieme“ (V. 24.25). Das war der Charakter der Vorschriften und Rechte, durch die Gott sein irdisches Königreich Israel regierte. Für alles war gesorgt. Jedes Interesse wurde gewahrt, und jeder Forderung geschah Genüge. Hier gab es keine Parteilichkeit, hier galt kein Ansehen der Person, hier wurde kein Unterschied gemacht zwischen Reich und Arm. Es herrschte eine vollkommene Gerechtigkeit, so dass sich niemand über die Entscheidung beklagen konnte. Diese Gerechtigkeit konnte nicht durch Bestechung oder Parteilichkeit beeinträchtigt werden. Gott selbst war der treu sorgende Gesetzgeber und zugleich der unerbittliche Vollstrecker. Nur der Schuldige wurde gestraft; wer aber gehorsam war, konnte sicher sein, dass alle seine Rechte geschützt wurden.
Zum anderen aber wird in diesem Kapitel auch die schreckliche Verdorbenheit des Menschen enthüllt. Gott hätte nämlich keine Gesetze gegen gewisse Verbrechen anordnen müssen, wenn der Mensch nicht auch imstande wäre, solche Verbrechen zu begehen. Angesichts der in diesem Kapitel genannten Gräuel möchte vielleicht jemand wie einst Hasael sagen: „Was ist dein Knecht, der Hund, dass er diese große Sache tun sollte?“ (2Kön 8,13). Wer aber so spricht, hat ganz sicher noch nicht in den Abgrund seines Herzens hineingeblickt. Denn obwohl hier Verbrechen genannt werden, die den Menschen unter einen Hund zu erniedrigen scheinen, beweisen doch gerade diese Vorschriften, dass selbst der edelste und gebildetste Mensch den Keim der finsteren und abscheulichsten Gräuel in sich trägt. Denn nur für den Menschen wurden diese Gesetze angeordnet. Der Mensch ist zu allen Dingen fähig; er ist so tief gesunken, dass er nicht tiefer sinken kann. Seine Natur ist gänzlich verdorben, und von Kopf bis Fuß ist nichts Gesundes an ihm (Jes 1,6; Röm 3,9-18).
Wie kann ein solches Geschöpf ohne Furcht im vollen Licht des Thrones Gottes stehen? Wie kann es im Innern des Heiligtums oder am gläsernen Meer stehen (Off 4,6)? Wie kann es durch die Perlentore eintreten und durch die goldenen Straßen des heiligen Jerusalem gehen (Off 21,21)? Die Antwort auf diese Fragen entfaltet vor uns die bewundernswerten Tiefen der erlösenden Liebe und die ewige Gültigkeit des Blutes des Lammes. Wie groß auch das Verderben des Menschen sein mag, die Liebe Gottes ist größer. Wie schwer seine Schuld auch ist, das Blut Jesu vermag sie völlig zu tilgen. Wie weit die Kluft auch ist, die den Menschen von Gott trennt, das Kreuz hat sie überbrückt.
Gott ist bis zu dem Sünder hinabgestiegen, um ihn in einen Bereich unendlicher Gunst, in ewige Gemeinschaft mit seinem eingeborenen Sohn zu erheben. „Seht, welch eine Liebe uns der Vater gegeben hat, dass wir Kinder Gottes heißen sollen“ (1Joh 3,1). Nur die Liebe Gottes konnte das Elend des Menschen ermessen, und nur das Blut Christi vermochte seine Schuld zu begleichen. Aber gerade durch die Tiefe des menschlichen Verderbens wird die Liebe Gottes verherrlicht, so wie die Größe der Schuld das Blut verherrlicht, das sie voll und ganz wegzutun vermag. Der größte Sünder kann, wenn er an Jesus glaubt, sich der Gewissheit erfreuen, dass Gott ihn für „ganz rein“ erklärt (Joh 13,10).