Behandelter Abschnitt 2. Mose 23-29
Der Sabbat
Es gibt in diesem Kapitel noch eine andere Sache, die wir hervorheben müssen, nämlich die Einführung des Sabbats in seiner Verbindung mit dem Manna und mit der Stellung Israels, wie sie uns hier beschrieben wird. Von 1. Mose 2 an bis zum vorliegenden Kapitel wird dieses Thema mit keiner Silbe berührt. Das ist bemerkenswert. Abels Opfer, Henochs Wandel mit Gott, Noahs Predigt, Abrahams Berufung und die ausführlich erzählte Geschichte Isaaks, Jakobs und Josephs – alles das wird mitgeteilt; aber nirgends finden wir eine Anspielung auf den Sabbat bis zu dem Augenblick, da wir Israel als Volk anerkannt sehen, und zwar in Verbindung mit dem Herrn und unter der Verantwortlichkeit, die aus dieser Verbindung entspringt.
Der Sabbat war in Eden unterbrochen worden und wird hier für Israel in der Wüste wieder eingeführt. Aber der Mensch hat kein Herz für die Ruhe Gottes. „Und es geschah am siebten Tag, dass einige vom Volk hinausgingen, um zu sammeln, und sie fanden nichts. Und der Herr sprach zu Mose: Bis wann weigert ihr euch, meine Gebote und meine Gesetze zu halten? Seht, weil der Herr euch den Sabbat gegeben hat, darum gibt er euch am sechsten Tag Brot für zwei Tage; bleibt ein jeder an seiner Stelle, niemand gehe am siebten Tag von seinem Ort weg“ (V. 27–29). Gott wollte sein Volk an seiner eigenen Ruhe teilhaben lassen. Es war sein Wille, ihm sogar in der Wüste Ruhe, Nahrung und Erquickung zu geben. Aber das Herz des Menschen ist nicht geneigt, mit Gott zu ruhen. Die Israeliten konnten von jener Zeit reden, da sie bei den Fleischtöpfen Ägyptens saßen (V. 3); aber in ihren Zelten zu sitzen, sich mit Gott der „Ruhe des heiligen Sabbats“ zu erfreuen und sich von dem Manna des Himmels zu nähren, das vermochten sie nicht als einen Segen zu schätzen.
Beachten wir auch, dass der Sabbat hier als eine Gabe dargestellt wird. „Der Herr hat euch den Sabbat gegeben“ (V. 29). An späterer Stelle in diesem Buch werden wir die Sabbatruhe als Gesetz wiederfinden, verbunden mit Fluch und Gericht im Fall des Ungehorsams. Doch der gefallene Mensch mag ein Vorrecht oder ein Gesetz, einen Segen oder einen Fluch empfangen – es ist alles von gleicher Wirkung. Seine Natur ist böse; er kann weder mit Gott ruhen noch für Gott tätig sein. Wenn Gott wirkt und ihm eine Ruhe bereitet, so will er an dieser Ruhe nicht teilnehmen; und wenn Gott ihn zum Wirken auffordert, dann will er nicht tun, was Gott von ihm fordert. So ist der Mensch. Er hat kein Herz für Gott. Er kann freilich zum Zeichen seiner Frömmigkeit vom Sabbat Gebrauch machen; aber er ist nicht imstande, Gottes Sabbat als eine Gabe zu würdigen; und wenn wir uns zu 4. Mose 14,32-36 wenden, dann finden wir, dass er auch unfähig ist, ihn als ein Gesetz zu beachten.
Nun ist aber der Sabbat ebenso wie das Manna ein Bild. An und für sich war er eine Segnung, ein Gnadengeschenk aus der Hand eines liebenden und gnädigen Gottes, der aus sieben Tagen einen Ruhetag wählte, um die Mühe und Arbeit der sündenbeladenen Erde erträglicher zu machen. Von welcher Seite wir auch die Einführung des Sabbats betrachten, wir sehen darin sowohl für den Menschen als auch für die Tierwelt die Weisheit und die Gnade Gottes. Und wenn auch die Christen „den ersten Tag der Woche“, „den Tag des Herrn“ feiern und die ihm eigenen Grundsätze damit verbinden, so ist dennoch auch in diesem Tag die gnädige Vorsehung Gottes ebenso zu erkennen. „Der Sabbat wurde um des Menschen willen“ (Mk 2,27); und obwohl der Mensch ihn nie in einer den Gedanken Gottes entsprechenden Weise beachtet hat, vermindert dies doch nicht die Gnade, die wir in seiner Einsetzung sehen, noch nimmt es diesem Tag die Bedeutung als Bild von der ewigen Ruhe, die für das Volk Gottes bleibt, oder als Schatten von dem, worüber sich der Glaube jetzt in der Person und dem Werk des auferstandenen Christus freut.
Es ist nicht die Absicht des Verfassers, in irgendeiner Weise die gnädige Verordnung eines Ruhetages für den Menschen und die Schöpfung anzutasten, und noch viel weniger, die besondere Stellung, die der Tag des Herrn im Neuen Testament einnimmt, zu verkennen. Als Mensch schätzt er den Tag der Ruhe zu hoch und als Christ erfreut er sich des Tages des Herrn zu sehr, als dass er eine einzige Silbe reden oder schreiben könnte, durch die der einen oder anderen Sache Abbruch geschähe. Man sollte aber diese Gedanken auf der Waage der Heiligen Schrift abwägen, bevor man sich ein Urteil bildet. Wenn der Herr es erlaubt, werden wir noch auf dieses Thema zurückkommen. Mögen wir die Ruhe, die unser Gott in Christus für uns bereitet hat, mehr schätzen lernen und uns von ihm nähren als „dem verborgenen Manna“ (Off 2,17), das in der Kraft der Auferstehung im innersten Heiligtum aufbewahrt wird zum Zeugnis von dem, was Gott für uns vollbracht hat, damit wir in der Vollkommenheit Christi vor ihm sein können.